Montag, 25. Februar 2008

Nur eine Show ?

B"H

Soweit passierte es mir unzählige Male. Sobald ich mit Chassidim sprach und sie über ihre Gruppen ausquetschte, bekam ich Folgendes zu hören:

"Du bist jederzeit herzlichst willkommen. Wir stellen extra eine Person für Dich ab, die Dich durch die Synagoge etc. führt und Dir alles über unsere Chassidut erzählt. Natürlich kannst Du auch mit unseren weiblichen Gruppenmitglieder sprechen."

In dem Moment, wo ich diese Sätze höre, beginnen bei mir sofort die Alarmglocken zu läuten. Derlei Angebote sind sehr nette Gesten und ich freue mich aufrichtig darüber. Dennoch frage ich mich andererseits, wie weit das ganze eine einzige Show sein mag und wer mir genau die Wahrheit berichtet. "Komm zu uns, komm zu uns, wir sind die Besten. Du brauchst nicht zu den anderen zu laufen."

Unzählige Male habe ich eindeutig klargemacht, oder versucht es klarzumachen, dass ich über alle nur möglichen chassidischen Gruppen schreibe. Und ehrlich gesagt bin ich manchmal richtig neidisch, nicht in New York zu wohnen oder zumindest zu sein. Ich kann nicht einfach einmal so zum Satmar, Bobov, Tosch oder wie sie alle heissen, Rebbe - Tisch gehen. In Jerusalem kenne ich nur sehr wenige Satmarer Chassidim und es ist allgemein bekannt, dass die Mehrheit der Jerusalemer Satmarer Anhänger des Rebben Zalman Leib Teitelbaum sind. In Bnei Brak dagegen findet man mehrheitlich die Anhänger des zweiten Satmarer Rebben, Rabbi Aharon Teitelbaum.

Nur kurz zur Erklärung: Seitdem der letzte große Satmarer Rebbe, Rabbi Moshe Teitelbaum, vor fast zwei Jahren verstarb, liegt Satmar im Klinsch. Die zwei Söhne des Rebbe Moshe, Aharon und Zalman Leib, streiten sich um die Nachfolge und es herrscht Krieg zwischen Williamsburgh und Kiryat Yoel.

Obwohl einer der beiden Brüder, Rebbe Aharon, im letzten August Jerusalem besuchte (ich nahm an seinem chassidischen Tisch teil), bewegt sich nicht viel im neuen Kiryat Yoel an der Jerusalemer Raul Wallenberg Street. Rebbe Aharon legte den Grundstein für ein neues 10 – stöckiges Gebäude, in welches seine Anhänger irgendwann einziehen werden. Allerdings besteht die Baustelle nach wie vor aus einer riesigen tiefen Grube. Dafür hat jede der zwei Anhängerschaften ihre eigene Jerusalemer Synagoge.

Was aber ist mit den Angeboten der verschiedenen chassidischen Gruppen ? Und nebenbei bemerkt, diese Chassidim wissen genau, dass ich über die Gruppen im Internet schreibe. Viele von ihnen sehen gerne ihre eigene Gruppe im Internet vertreten, ohne Frage. Ich gebe offen zu, dass ich die Angebote annehmen werde. Warum auch nicht ? Der einzige Störfaktor ist, inwieweit ich wirkliche Infos erhalte. Ist das ganze nur ein PR – Trip ?
Und selbst wenn ich mit den Gruppenmitglieder, incl. der Frauen, rede, inwiefern sind die Angaben verläßlich ? Es kann mir ja jeder Friede, Freude, Eierkuchen berichten. Insbesondere dann, wenn sie wissen, dass da jemand etwas veröffentlicht.

Es kommt natürlich auf die Fragestellung drauf an. Selbstverständlich würde ich keine allzu gemeine Fragen stellen. Nach all der Zeit im Chassidut – Business wird eh alles zur Routine und man kriegt schnell mit, wie, wann, was, warum. Selbst wenn sich jemand bei den Antworten dreht und windet, man bekommt alles mit und weiß zu reagieren.

Das Witzige ist, wenn wir über andere chassidische Gruppen sprechen. Grundsätzlich wissen Chassidim alles von den anderen. Glaube nur ja keiner, dass etwas unbekannt ist. Und so kommt es, dass selbst eine extreme Gruppe wie die Toldot Aharon die Chabadnikkim ganz genau kennen. Manche von Toldot Aharon haben sogar Verwandte bei Chabad und am vergangene Schabbat hatte ich bei Toldot Aharon tolle Gespräche zum Thema "Chabad".

Viele Gruppen lieben es, sich ins allerbeste Licht zu setzen. Und alle wollen ihren Rebben im Internet sehen. "Unser Rebbe ist der Größte. Vergiss nicht, ihn zu erwähnen. Und wenn Du weitere Infos brauchst, wir sind die perfekte Adresse."

Eines aber sollte jedem klar sein: Wer kein akzeptiertes Gruppenmitglied ist, der kommt niemals an die "geheimsten internen" Infos heran. Selbst als ich noch bei Chabad lernte erfuhr ich so gut wie nichts aus den Interna. Die Chabadnikkim sassen zusammen und flüsterten untereinander. Als ich einmal eine Chabad – Bekannte in London nach einem Rabbi fragte, was denn mit dem nicht stimme, bekam ich zur Antwort, dass mich das als Außenseiter nichts angehe. Das war's.

Die einzige Antwort, die ich hier geben kann ist, dass es auf das Gefühl ankommt. Welche Infos sind richtig, wann will der Chassid einen nur loswerden oder billig abspeisen; was kann ich glauben und was nicht. Wann wird nur Show gemacht und wann wirklich Tacheles geredet. Es kommt darauf an, auf wen man trifft und wie man mit der Situation umgeht.

Eines ist ganz wichtig: Immer sollte man vorbereitet zu solch einem Treffen kommen. Und das kann ich versprechen. Ich werde gründlichst vorbereitet sein. Vom Seher von Lublin hin zu Peshis'cha hin zu dem Hause Kotzk. Nichts wird ausgelassen und ich werde den Leuten mit meinen Fragen so richtig schön auf den Geist gehen. Jedenfalls denen, welchen man soetwas antun kann.

Sonntag, 24. Februar 2008

Zum Wohle der Wissenschaft und ….. des Geldes

B"H

Neulich las ich eines der Bücher des amerikanischen Autors Israel Rubin. Anfang der Siebziger Jahre schrieb er ein bekanntes Buch, in dem er die chassidische Gruppe Satmar sehr genau beschrieb. Ein hervorragendes Buch für all jene, welche sich für Satmar interessieren und zu einem späteren Zeitpunkt werde auch ich näher auf dieses Buch sowie Satmar selbst eingehen.

Israel Rubin ist religiöser Jude und befasst sich schon über viele Jahre hinweg mit den Satmarer Chassidim. Um alle Details zu bekommen und Chassidim interviewen zu dürfen, traf er sich mit dem damaligen Rebben, Rabbi Yoel Teitelbaum, der ihm offiziell die Erlaubnis erteilte, über die Gruppe schreiben zu dürfen. Heraus kam ein einmaliges Werk, was der Autor im Jahre 1997 auf den damaligen neuen Stand brachte. Natürlich hat sich seither bei Satmar wieder viel verändert und vielleicht kommt ja demnächst eine Neuauflage heraus.

Wie Israel Rubin und andere, schreibe ich aus relig. Gründen heraus. Ich gebe unumwunden zu, dass ich durch meine Berichte über die Chassidut meinen eigenen Weg versuche zu finden. Dieses Anliegen ist mir sehr wichtig und meine Gedanken beschäftigen sich ausgiebig mit dem Thema. Aus diesem Grund geniesse ich die Gespräche mit verschiedenen Chassidim.

Andere wiederum haben einen ganz anderen Grund, über den ich an dieser Stelle berichten möchte. Nicht wie Israel Rubin, ich oder viele andere relig. Schreiber, sondern jene, die sogenannte wissenschaftliche soziologische Untersuchungen an der chassidischen Bevölkerung durchführen.

Zuerst muß ich einmal wieder mehr klarstellen, dass ich gegen akademische Studien gegenüber der chassidischen Bevölkerung bin. Dies schliesst nicht aus, dass es natürlich derlei Studien zum Thema "Chassidismus und dessen Geschichte" geben muß. Alles aber was unter die Rubrik "Privatleben" fällt, schliesse ich davon aus.

Aber vielleicht zuerst zu meinem Beispiel, damit die Angelegenheit verständlicher wird:

Vor ca. sechs Wochen las ich eine Doktorarbeit einer israelischen Doktorantin. Name und Fachwissenschaft will ich nicht nennen.

Die Doktorantin, die ich hier einfach einmal D. nenne, suchte sich das Thema "Die Frauen der chassidischen Gruppe Toldot Aharon" aus. Ich las ihre 450 – seitige Doktorarbeit zweimal, wobei ich mehr als die Hälfte überschlug, da ich mich mit dem Thema selber befasse und mir die meisten Inhalte längst bekannt waren.
Über weite Strecken hinweg beschrieb und artikulierte D. ihr "Werk" vorwiegend wissenschaftlich. Sie machte einige Fehler in bezug auf die Edah HaCharedit und deren Mitglieder. Okay, das kann man noch verstehen.

Sie machte keine erkennbaren Fehler in bezug auf die Toldot Aharon selber. Ihr Thema begrenzte sich allerdings nur auf die Bildung der Toldot Aharon – Frau sowie die Tatsache, dass sich jene Frauen ein oder zwei Tage nach der Hochzeit die Haare abrasieren. Dies ist ein alter ungarisch – rumänischer Brauch, der nicht nur von den Toldot Aharon – Frauen praktiziert wird, sondern genauso von einigen Frauen anderer chassidischer Gruppen.

Die gesamte Beschreibung der Bildung überschlug ich, denn es waren die gleichen Inhalte wie in der gesamten haredischen Gesellschaft, Nichts Neues, auch wenn die Autorin Anderweitiges behauptete.

D. ist nicht unbedingt relig. und ging ein paar Mal zur Gruppe, chassidischer Tisch und Synagoge, um so mit den Frauen in Kontakt zu kommen. Hierzu sei nochmals erwähnt, dass die Toldot Aharon eine aus ca. 600 Familien bestehende extreme chassidische Gruppe sind. In Mea Shearim gelten sie als extrem, werden aber hoch respektiert. Ihr Verhalten ist nicht unbedingt nach außen orientiert und sie ziehen sich mehr in ihre eigene Gesellschaft zurück. Demnach war es für D. nicht leicht, Anschluß zu finden, aber sie schaffte es.

Was ich an ihrer Doktorarbeit kritisiere ist, die Art und Weise, wie sie an ihre Informationen kam.

Einigen Frauen der Gruppe gestand sie, dass sie eine Arbeit für die Uni verfasse. Kein Wort jedoch von einem Doktorat. Der Rebbitzen der Gruppe sagte sie nichts von schriftlichen Berichten, sondern behauptete, sie sei ganz einfach am Chassidismus interessiert und wolle sich der Religion nähern. So half ihr die Rebbitzen, ohne zu ahnen, dass sie in einem Doktorat landen wird.

Was ist daran so furchtbar ?
Ich stimmte mit der Art und Weise nicht überein und sah alles als zu wissenschaftlich formuliert. Wie weit darf jemand zum "Wohle der Wissenschaft" gehen ? Darf er lügen oder sich einschleichen ?

Letzte Woche rief ich D. daheim an, denn ich hatte einige Fragen und wollte mir ein Bild von ihr machen. Das, was folgte, hatte ich nie und nimmer erwartet.

Das Erste, was sie mir am Telefon entgegenhielt war, ich solle bloß keine Inhalte von ihr klauen.

Nun, meinte ich, dass braucht niemand zu tun, denn was D. schreibt, ist nichts Neues und eh bekannt. Und nach wenigen Gesprächen mit den Frauen, hatte ich mehr Wissen erlangt als D. in mehr als einem Jahr. Ich erklärte D., dass ich aus der Religion heraus schreibe und die Chassidim anders reagieren als wenn jemand von der Uni antrabt.

D. war mehr als sauer und schrie mir ins Ohr. Sie verdächtigte mich sogar, von der Gruppe selber zu sein, was ich verneinte. Ich versuchte ihr klar zumachen, dass ich zu keiner Gruppe gehöre, sondern ihr nur einige Fragen stellen wolle.

Dann war sie bereit zu antworten.

Mich interessierte brennend, ob sie noch Kontakte zu den Toldot Aharon habe, nachdem sie schon vor drei Jahren ihr Doktorat verfasste.

D. gab zu, dass dies nicht der Fall sei. Nachdem sie ihr Doktorat beendet hatte, war für sie Schluß mit dem Thema. Sie schreibe gerade ihr Post – Doktorat zu einem anderen Thema und sei damit busy.

Ich sagte ihr, dass ich anders reagiere. Ich täte die Leute nie so fallen lassen, a la….Info bekommen, nun könnt Ihr mich alle mal. Hauptsache ich habe alles im Kasten. Ferner sagte ich ihr, dass die Chassidim für mich kein Studienobjekt seien, sondern Menschen, die ich respektiere und viele davon rechne ich zu meinen privaten Freunden. Nie würde ich hinterrücks etwas Negatives schreiben und mich dann entfernen.

D. flippte völlig aus und begann mit einer wahren Rechtfertigungschose. Sie habe keine Zeit, kein dies, kein das. Kurz gesagt, sie fühlte sich ertappt.

Dann wurde ich erneut beschuldigt, ein Spion der Toldot Aharon zu sein.

Ich fragte sie, ob sie denn wisse, dass der Enkel des Rebben der Gruppe heiratet.

D. wusste es nicht.

Schließlich gestand sie, das Doktorat in ein Buch umzufunktionieren und veröffentlichen zu wollen. Sie wisse, dass sie damit die Toldot Aharon gegen sich habe und sie riesige Probleme bekommen wird.

Hätte sie sich nicht eingeschlichen, dann würde alles problemfrei ablaufen, aber sie hat die Rebbitzen belogen. Und nun befürchtet D., dass wenn sie alles veröffentlich, Drohungen der Gruppe bekommt. Anzunehmen.

Zu guter Letzt schlug D. vor, sich mit mir zu treffen und beraten zu wollen. Ich gab ihr meine e – mail, auf die sie bis heute nicht antwortete und auch nicht antworten wird.

D. macht bis heute den Fehler zu glauben, sie sei die Einzige auf der Welt, welche je mit den Toldot Aharon redete. Wer relig. bzw. Haredi ist, der kennt die Inhalte, die D. herausfand, eh schon längst. Und ich hatte diverse Themen schon vor Monaten angesprochen.

Wenn ich zu chassidischen Gruppen gehe, dann interessieren mich deren Inhalte, Bräuche, Religion, Rebbes und Synagogen. Natürlich spielt nebenbei das Soziologische eine Rolle, aber dies ist mir aus meiner eigenen haredischen Vergangenheit bekannt und ich schleiche mich nicht ein, um Leute zum Thema zu befragen. In dem Punkt kann ich mich selbst befragen.

Wie gesagt, mich stört die Art und Weise, wie D. an ihre Infos kam. Und sobald sie alles hatte, war sie verschwunden. Die Chassidim interessierten sie überhaupt nicht und jetzt will sie Kohle machen. Den Sekulären von chassidischen Frauen berichten, die ihre Haare abrasieren. Auf soetwas fliegt die hiesige sekuläre linke Presse und D. wird in diesen Kreisen Erfolg haben. Nicht dagegen bei den Religiösen.

Ein Freund von mir meinte, dass D. halt wissenschaftlich akademisch an die Sache herangegangen sei und nicht relig. wie ich. Das sei doch verständlich und ihre Sache. Stimmt, aber mir will einfach nicht in den Kopf wie jemand sich einladen lässt, Blabla erzählt und dann die Leute fallen läßt, wie eine heisse Kartoffel.

Andere, darunter auch Chassidim, liessen bei mir verlauten, dass sie man alles veröffentlichen solle. Kümmere doch eh keinen und die Chassidim lesen es sowieso nicht, eben weil ihnen die Themen bekannt sind. So what ?

Wie dem auch immer sei, ich erwartete D. am vergangenen Schabbat in der Synagoge. Freunde meinten, ich sei doof, aber ich gab die Hoffnung nicht auf. Tatsache aber war, dass D. nicht auftauchte und auch sich bei der Gruppe auch nicht mehr blicken lassen wird. Für sie ist das Thema abgeschlossen und es ist ihr wurscht. Jetzt gehts nur noch ums Bare.

Ich bin kein Wissenschaftler und froh, keiner zu sein, denn wenn es um solche Methoden und Ziele geht, verzichte ich auf jeden akademischen Grad. Ich werde weiter über die Toldot Aharon und viele andere chassidische Gruppen berichten. Soweit habe ich sehr viel von diesen Menschen gelernt und ich respektiere sie absolut. Dies heißt keinesfalls, dass ich immer mit ihnen übereinstimme, aber ich geniesse unsere gemeinsamen Diskussionen sehr und würde mir wünschen so sein zu können wie die Chassidim selber.

Samstag, 23. Februar 2008

Schabbat Chatan bei Toldot Aharon - שבת חתן עם תולדות אהרון

B"H

Den aktuellen Bericht zur Teilnahme am chassidischen Tisch der Gruppe Toldot Aharon gibt es hier:

http://hamantaschen.blogspot.com/2008/02/schabbat-chatan-bei-toldot-aharon.html

Donnerstag, 21. Februar 2008

Was macht der andere ?

B"H

Wenn ich etwas geniesse, dann die Gespräche mit Chassidim aller nur erdenklichen Gruppen. Egal, ob ich mich mit Belz, Gur, Vishnitz, Dushinsky, Satmar oder Avraham Yitzchak unterhalte, jeder kennt jeden und natürlich hat jeder Informationen beizusteuern.
Vishnitz liebt sich zu rühmen, dass die meisten chassidischen Gruppen, Rebben und sogar Rebbitzens ihre Wurzeln ursprünglich bei Vishnitz haben. Zuerst dachte ich, dass sei übertrieben, wurde dann aber im laufe der Zeit eines Besseren belehrt.

Hinzu kommt, dass unzählige Gruppen heutzutage auf die ein oder andere Weise miteinander verwandt sind. Hochzeiten zwischen diversen Gruppen sind nicht mehr wegzudenken. Ganz berühmtes Beispiel ist der Vishnitzer Rebbe, Rabbi Moshe Yehoshua Hager, mit seinen Töchtern, die er an bekannte andere Rebben verheiratet hat. Zum Beispiel ist eine Tocher mit einem der zwei derzeitigen Satmarer Rebben, Rabbi Aharon Teitelbaum, verheiratet und eine weiter ehelichte den jetzigen Belzer Rebben, Rabbi Yissachar Dov Rokeach.

Wie kann das sein ? Zwei Töchter der gleichen Familie heiraten Rebben, die offiziell miteinander verfeindet sind ?
Aber nichts wird heute mehr so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Meinungsverschiedenheiten hin oder her, als Rebbe Aharon Teitelbaum im letzten August Jerusalem besuchte und einen chassidischen Tisch gab (bei dem ich ebenso anwesend war), sandte die Chassidut Belz eine Abordnung zum Satmarer Rebben. Im Hintergrund gärt zwar immer noch der Streit, der sich schon seit mehr als 20 Jahren hinzieht. Anfang der 80iger Jahre entschied der Belzer Rebbe, die anti – zionistische Dachorganisation Edah HaCharedit zu verlassen und sich stattdessen der liberaleren Agudat Israel zuzuwenden. Einer der Gründe war das Geld, welches dann direkt vom Staat Israel einfliesst. Belz war nach dem Zweiten Weltkrieg schwer angeschlagen und entwickelte sich erst im laufe der letzten Jahre zu einer wohlhabenden Chassidut. In den 80iger jedoch benötigte Belz das Geld vom Staat und ist seitdem Mitglied der Agudah. Die Agudat Israel umfasst Gruppen wie Vishnitz, Belz, Gur und litvische Haredim (Ultra – Orthod.) und ist mit der Partei Yahadut HaTorah in der Knesset vertreten.

Die Mitglieder der Edah HaCharedit sahen den damaligen Schritt des Belzer Rebben Rokeach als Verrat und es gab Zoff mit Satmar und den Toldot Aharon. Hinzu kam, dass Belz sein eigenes Koscherzertifikat "Badatz - Beit Din Zedek – Belz" gründete und somit eine Konkurrenz zur Edah HaCharedit (Badatz Edah Charedit) bildet.

Soweit fragte ich einige Belzer Chassidim über ihr heutiges Verhältnis zur Edah, zu Satmar und den Toldot Aharon. Die Meinungen gingen oft weit auseinander. Von "ich will von der Konkurrenz nichts hören", bis hin zu "die alten Rebben sind nicht mehr am Leben und es sind viele Jahre vergangen".

Als der Satmarer Rebbe, Rabbi Aharon Teitelbaum, Israel besuchte, beendete er eine jahrelange Fehde mit der Chassidut Zanz – Klausenburg. Wieso gelingt ihm dies nicht mit der Chassidut Belz ?
Ganz einfach. Politik.

Einer der Gründe ist sicher auch die interne Spaltung der Chassidut Satmar. Nachdem ihr letzter großer Rebbe, Rabbi Moshe Teitelbaum, im Jahre 2006 verstarb, bekriegen sich dessen zwei Söhne, Rabbi Aharon und Rabbi Zalman Leib Teitelbaum. Beide sehen sich als rechtmässigen Erben, was zur Spaltung Satmars führte.
Aus einigen Ecken heißt es, dass Rebbe Aharon keinen direkten Frieden mit den Belzer schliessen kann, weil sonst die Anhänger seines Bruders Zalman Leib, mit dem Finger auf ihn zeigen. Lästern doch die Zalman Leib – Anhänger eh schon über Rebbe Aharons Frau. Aus dem Hause Vishnitz in Bnei Brak kommmend lernte sie auf der Mädchenschule Beit Yaakov.

Und was ist daran so furchtbar ?
Im Beit Yaakov wird Hebräisch gesprochen und die anti – zionistischen Satmarer, insbesondere die Zalman Leib – Anhänger, fragen sich, wie denn nur ein Satmarer Rebbe eine Frau haben kann, die Hebräisch in der Alltagssprache verwendet.

Sobald ich mit Chassidim rede, werden mir sämtliche politischen Konstellationen berichtet. Jeder schaut auf den anderen, kennt alle ganz genau und hält sich nicht selten für den Besten. Man schaut gerne auf die anderen und deren Probleme. Nach dem Schabbat fragen mich viele, was es Neues gibt ? Hochzeiten, wer mit wem ? Jeder ist interessiert. Der tägliche Zeitvertreib neben dem Ernst des chassidischen Daseins.

Das historische chassidische Wissen vieler Chassidim ist genial. Wenn man so aufwächst, ist es unvermeidbar, nicht alles mitzubekommen. Wann immer ich eine Frage zur Geschichte des Chassidismus habe, bekomme ich hypergenaue Antworten. Dazu kommen chassidische Stories und weitere Infos, von denen ich nie zu träumen gewagt hätte.

Bei meinem letzten Schabbatessen in Mea Shearim wurde über die neuesten Hochzeiten gesprochen. Sogar die Kinder waren voll auf dem laufenden und kannten sich aus. Was mich manchmal mühsame Umwege kostet, konnten mir die Kinder aus dem Stegreif berichten.

Dienstag, 19. Februar 2008

Tote Hose

B"H

Es gibt nichts Schlimmeres für mich als eine chassidische Gruppe ohne Rebben wie Chabad oder Breslov. Das ist irgendwie wie toter Fisch. Vieles mag sich bewegen, aber immer bleibt ein bitterer Nachgeschmack, dass da ja eigentlich etwas fehlt.

Der letzte Lubawitscher Rebbe, Rabbi Menachem Mendel Schneerson, verstarb am 12. Juni 1994 in Crown Heights / New York. Der Rebbe war nach seinem Schlaganfall im Frühsommer 1992 kaum noch present gewesen und die Chassidim hatten sich an seinen Zustand gewöhnt.

Der Breslover Rabbi, Rabbi Nachman von Breslov, war der erste und einzige Rebbe der chassidischen Gruppe. Er verstarb im Jahre 1810 und seither ist die Gruppe führungslos. Niemand traute sich, die Position zu übernehmen.

Seither behielt Breslov zwar weitgehend seine Inhalte, Dank des Buches von Rabbi Nachman "Likutei Moharan", doch immer mehr Chassidim entfernten sich und bildeten Richtungen mit eigenen Inhalten. Breslov heute heißt viele Spaltungen.
Viele Male fragte ich eine Kollegin, die der Chassidut Breslov angehört, was ein Breslover am Schabbat macht ? Was macht ihr, wenn alle anderen Chassidim in der Nachbarschaft zu ihrem Rebben und dessen Tisch gehen ? "Wir bleiben daheim und machen unseren privaten Familientisch", so lautet immer die Antwort.
Aber auch das ist vielen Breslover manchmal zu langweilig und man sichtet sie oft bei anderen chassidischen Gruppen und deren Tisch.

Bei Chabad ist dies genauso. Die heutigen Lubawitscher unterteilen sich seit dem Tod des letzten Rebben in zwei Gruppen auf:
1. Die Meschichisten ( glauben, dass der Rebbe der Meschiach ist)
und
2. alle anderen.

Die einen können die anderen nicht ausstehen und jeder meint, er sei wichtiger.

Wer hält bei Chabad die Führungsposition inne ?
Anscheinend niemand so recht und jeder kocht sein eigenes Süppchen im Namen des Rebben.

Im Gegensatz zu Breslov unterhält Chabad einen Brauch, der intern "Farbrengen - verbringen" heißt. Ein Farbrengen ist ein Tisch, nur ohne einen Rebben. Man sitzt zusammen mit einem Chabad - Rabbi, trinkt, ißt, singt und erzählt Stories vom Rebben. Alles ganz nett, doch gegen einen richtigen chassidischen Tisch ist ein Farbrengen gar nichts.

Persönlich ziehe ich eine klare Linie in einer Gruppe vor. Ein Rebbe, der bestimmt, wo es langgeht und der die Gruppe am Leben erhält. Was soll ich mit einem toten Glauben und wo niemand mehr durchsteigt ?

Der Rebbe ist etwas Lebendiges in der Chassidut und gehört zu seinen Chassidim. Chabad hat eine wichtige Chance verpasst, einen neuen Rebben zu ernennen. Nachdem Rabbi Menachem Mendel Schneerson im Jahre 1951 das Ruder übernahm, verstand er es glänzend, die Kinder seiner Vorgängers und Schwiegervaters, Rabbi Yosef Yitzchak Schneersohn, aus dem Wege zu räumen und durch beispiellose Taktiken und Maneuver einen eigenen Personenkult ohnesgleichen aufzufahren. Nur hatte er dabei nicht bedacht, dass mit ihm auch das Ende bevorsteht. Es sei denn, er war von sich überzeugt, der Meschiach zu sein. Aber das mag unmöglich gewesen zu sein. Außerdem hatte er selber viele Jahre seinen Vorgänger als Meschiach propagandiert. Wie kann er da Meschiach sein ?

Eine chassidische Gruppe mit einem lebenden, gelehrten und charismatischem Rebben ist mir allemal lieber als Illusionen und Kulte. Breslov hingegen hat seinen wahren inneren Kern beibehalten und mit ihren Mitglieder aus Mea Shearim, sowie dem neuen Movement der Neureligiösen unter Rabbi Shalom Arush und Rabbi Eliezer Berland, einen guten Fang gemacht.

Sonntag, 17. Februar 2008

Kein Geld - Keine Hochzeit

B"H

Es ist nicht Außergewöhnliches:
Wer in relig. Kreisen heiraten will, der braucht Geld.

Ein Schidduch (Match) kostet Geld. Hat sich ein Paar gefunden, dann diskutieren die Eltern, wer welchen Anteil bezahlt. Die Eltern der Braut zahlen fast immer drauf. Vor allem dann, wenn der Zukünftige ein guter Yeshiva - Student ist. Für so jemanden müssen die Brauteltern tief in die Tasche greifen.

In nationalrelig. Kreisen werden meistens die Kosten geteilt. Schon allein die Hochzeitskosten sind enorm, denn ist es doch allzu üblich, mehrere Hundert Gäste in ein Hotel oder dergleichen zum Essen einzuladen. Von daher verschulden sich schon viele im Vorfeld bei der Hochzeit. Folgen tun der Haushalt, die Wohnung, etc. Wer zahlt was und wieviel ? Und außer Glück und Freude gibt es nicht selten Frustrationen.

Wer in haredischen Kreisen nicht mithalten kann, der bekommt auch keinen guten Ehepartner angeboten. Wer kein Geld hat, der muß halt schauen, was auf dem Heiratsmarkt übrig bleibt. Kein Elternteil würde jemals zustimmen, alle Kosten allein zu übernehmen und nicht wenige Partnerschaften scheitern am Geld. Dann sucht man halt jemanden anderen für sein Kind, denn am Hungertuch will keiner nagen.

Am brutalsten ist mir dieses Vorgehen bei der extremen chassidischen Gruppe Toldot Aharon aufgefallen. Wer hier nicht mithalten kann, geht leer aus. Viele Eltern sind hoffnungslos überschuldet, aber ein guter Schidduch für ihre Kinder ist ihnen wichtiger. Normalerweise wird immer vermutet, dass die Braut fast alles zahlt, doch bei den Toldot Aharon ist es umgekehrt. Allein für die Braut muß der Bräutigam ca. 30.000 Shekel (6000 Euro) an die Eltern hinblättern. Einfach so und nichts ist eingeschlossen. Noch keine Hochzeit, noch kein Haushalt, nichts. Ganz zu schweigen, von den Ringen, die der Zukünftige der Braut kaufen sollte. Die jungvermählten Toldot Aharon - Mädels lieben es, mit ihren neuen Ringen oder Armbanduhren von ihren Freundinnen anzugeben, und selbstverständlich will keine ohne zwei neue glänzende Ringe dastehen.

Aber nicht nur Geld spielt eine Rolle. Auch das Elternhaus und die Bildung sind enorm wichtig. Kinder von Rabbinern heiraten ausschließlich andere Rabbinerkinder. Besonders innerhalb der chassidischen Gruppen ist dies Brauch. Der Ruf spielt eine immense Rolle. Wie lernt ein junger Mann in der Yeshiva und ist er begabt ? Ist das Mädchen eine gute Hausfrau und zieht sie sich anständig an ? Sind die Eltern anständig ? Und was bei vielen chassidischen Gruppen ganz wichtig ist: Der DNA - Test. Erbkrankheiten will niemand in seiner neu gegründeten Familie haben und Familien mit genetischen Schäden finden nur gleichwertige Ehepartner.

Fast jeden Schabbat bewundere ich aufs Neue die Frischvermählten und male mir unbewußt aus, wieviel das wieder alles gekostet hat und ob es die Sache wert ist. Ich hoffe aufs Positive, doch für mich käme solch ein Investmentdenken nicht in Frage. Natürlich habe ich meine Grenzen, wen ich heiraten würde und wen nicht. Keinen Dummy, Nichtjuden, Ausländer und keinen, der von der Religion keine Ahnung hat bzw. sekulär ist. Aber der Finanzaspekt würde mich stören. Anscheinend jedoch kommt dennoch niemand um gewisse Ermessensweisen herum. Hoffen wir nur, dass am Ende alle glücklich sind.

Dienstag, 12. Februar 2008

Derech Eretz - דרך ארץ

B"H

"Derech Eretz" bedeutet soviel wie "die eigene religiöse Welt mit der Außenwelt zu verbinden".

Im Klartext heißt dies, dass kein relig. Jude nur in seiner eigenen kleinen Welt leben sollte; vielmehr muß er sich auch mit seinen Mitmenschen befassen, die da vielleicht nicht unbedingt auf dem gleichen Level sind.

Aber nicht nur das Verhalten spielt eine Rolle; weiterhin sollte ein Relig. nicht abgeneigt sein, Musik, Kunst oder Naturwissenschaften zu erlernen. Der Rambam (Maimonides) war, zum Beispiel, ein großer berühmter Physiker und Arzt seiner Zeit.

Schade, dass sich in vielen Teilen der haredischen (ultra - orthod.) Gesellschaft und auch jener der Nationalreligiösen viel zu sehr nach innen abgeschottet wird. Vielmals gilt alles Äußere als störend.

"Wozu brauche ich schon historische oder wissenschaftliche Kenntnisse, wenn ich in der Yeshiva (relig. Schule) Talmud lerne". Umfaßt nicht gerade der Talmud ebenso diese Themen ? Insbesondere Musik oder Kunst gelten als wesentlich verpönter und wenn, dann solle gefälligst nur ein Mann musizieren. Und sollte es denn schon einmal eine Frau sein, dann trete sie lieber vor weiblichem Publikum auf.

Zuviele chassidische Gruppen kapseln sich immer mehr von der Außenwelt ab. Dies geschieht aus vielerlei Gründen:

1. Um sich und seine chassidische Gruppe vor fremden Einflüssen bzw. modernen Veränderungen zu bewahren.

2. Die Jugend könnte negativ beeinflusst werden.

3. Man selber könnte die Gruppe verlassen und sich dem Sekulärismus zuwenden.

Die Kabbalah sowohl als auch der Chassidismus heben immer wieder die Wichtigkeit des "Tikkun Olam" hervor. Hierbei handelt es sich um eine Art "Seelenreparatur". Jeder einzelne von uns, egal welcher Religion oder Herkunft, hat die Aufgabe, die Welt und sich selbst zu perfektionieren. Um diesen Prozeß in Gang zu bringen, muß ich mich automatisch mit all meinen Mitmenschen befassen, denn vielleicht liegt mein Tikkun ja gerade dort. Wenn ich jemandem anderen helfe oder einfach nur mit ihm rede.

Und wie schrieb der Maharal von Prag in seinem Kommentar zu den "Pirkei Avot - Sayings of the Fathers" ?
Niemand von uns ist allein auf der Welt und wir sind verpflichtet, uns mit der Außenwelt zu befassen.

Und lehren uns wissenschaftliche Studien oder sogar die Kunst nicht von der Schönheit dieser Welt und G - ttes einzigartiger Erschaffung ?

Nicht immer sind alle hier genannten Gruppen strikt "Anti - Derech - Eretz". Im Gegenteil, oft wird man überrascht sein, wieviel es dort gibt. Häufig jedoch zu sehr auf die eigene Gruppe beschränkt.

Eine Ideallösung habe ich bestimmt nicht parat. Von Vorteil ist es auf alle Fälle, wenn alle Seiten sich etwas besser kennen lernen. Wobei dies in einer unaufdringlichen Art und Weise geschehen sollte. Die beste Propaganda ist sicher das Zwischenmenschliche zwischen nur zwei Personen. Nicht immer benötigt es gleich Hunderte von Menschen.

Sonntag, 10. Februar 2008

Die Tempelmenorah

B"H

Nach Schabbatausklang bin ich heute einmal wieder an die Kotel (Klagemauer) gegangen. Dort herrscht gerade am Samstag abend immer eine einzigartige Atmosphäre. Die ersten Busse rollen nach Schabbatende an und karren sämtliche Haredim (Ultra - Orthod.) in ihre relig. Stadtteile. Auf der anderen Seite kommen die Buslinien 1 und 2 schon vollbeladen an der Kotel an. Sobald sich die Bustüren öffnen, vermischen sich die aussteigenden Fahrgäste mit den einsteigenden. Menschen strömen von der Kotel zu den Bushaltestellen und andere strömen an die Kotel um zu beten.

Im Hintergrund leuchten oberhalb der Kotel der Felsendom mit seiner goldenen Kuppel und rechts davon die Al - Aksa - Moschee. Es versteht sich von selbst, dass ich kein großer Freund dieser Bauwerke bin und lieber den Dritten Tempel auf dem Tempelberg sehen würde. Hierauf allerdings müssen wir noch bis zur Ankunft des Meschiach warten.

Rechts vom Tempelberg sieht man hinter dem arab. Dorf Silwan die Berge Judäas, hinter denen man tagsüber bei guter Sicht bis ans Tote Meer hinabschauen kann.

Als ich heute die Treppen zur Klagemauer hinabstieg, stand auf einem kleinen Vorplatz zur linken Seite ein riesiger Glaskasten mit der riesigen goldenen Tempelmenorah (Siebenarmiger Leuchter) darin. Das Hinweisschildchen besagte, dass es sich hier um ein nachgebautes Modell der Tempelmenorah handelt, welche unter Titus von den Römern nach Rom verschleppt worden war und heutzutage versteckt im Vatikan vermutet wird.

Der Rambam (Maimonides) schreibt jedoch in der Einführung zu seiner "Mishna Thora", dass es sich bei der Menorah keinesfalls um einen Leuchter mit runden Armen handelte, sondern vielmehr mit sieben spitzen eckigen Armen. Das ist auch der Grund, warum viele religiöse Juden das ausgestellte Menorah - Modell als architektonisch falsch dargestellt sehen.

Zuvor war das Modell jahrelang im Cardo in der Jüdischen Altstadt (Rova) ausgestellt.


Menorah - Design laut dem Rambam (Maimonides)




Bisheriges Menorah - Design im Cardo und derzeit vor der Kotel

Englisch hoch im Kurs

B"H

Wer sagt, dass Chassidim heutzutage kein Englisch lernen ?

Während meiner Zeit im ultra - orthod. Stadtteil Mea Shearim und anderswo wurde ich eines Besseren belehrt. Obwohl es offiziell heißt, dass chassidische Gruppen wie Dushinsky, Satmar oder Belz keinen Englischunterricht auf dem Stundenplan zu verbuchen haben, sind es ausgerechnet die hauseigenen Mädchenschulen jener Gruppen, welche dennoch Englischunterricht anbieten.

Von verheirateten Frauen wird trotz Familie oft verlangt, arbeiten zu gehen, um die Familie zu ernähren. Bei Satmar allerdings bleibt die Frau nach spätestens zwei Kindern als Hausfrau daheim. Andere Gruppen sprechen sich aber dennoch für eine Frau im aktiven Berufsleben aus. Und nicht immer sitzen die Ehegatten nur im Kollel beim Thorastudium, sondern arbeiten genauso wie die Frau.

Allerdings muß dabei immer bedacht werden, dass beide Ehepartner innerhalb der chassidischen Welt bzw. innerhalb ihrer eigenen Gruppe einen Job als Lehrer, Geschäftsinhaber, Maschgiach (Koscherexperte), Rabbiner, Sofer (Schreiber von Thorarollen) etc. suchen. Aber auch im professionellen Arbeitsleben der Frau spielt die englische Sprache eine immer grössere Rolle und von daher wird teilweise doch Englisch in den chassidischen Schulen unterrichtet.

Donnerstag, 7. Februar 2008

Wie soll es weitergehen ?

B"H

Vorgeschichte:

Jeder wird in seinem Leben immer wieder mit etwas konfrontiert; bei mir sind es die Aussteiger aus der Haredi - Society (Aussteiger aus dem Ultra - Orthodoxen Judentum).

Immer wieder treffe ich unbewußt auf andere Aussteiger. Jemand meinte einmal lakonisch zu mir, dass dies vielleicht G-ttes Weg sei, mich auf die Haredi - Pfade zurückzuführen.
Seien es nun Satmar, Chabad, Belz oder Gur (Ger)....Ich habe die Gabe alles anzuziehen.

Mein Ausstieg aus der Haredi - Society war wesentlich einfacher als derer aus den genannten chassidischen Gruppen. Nicht als Haredi geboren, kam ich viel später dazu. Heißt, ich hatte vorher ein "normales" Leben mit Uni und Beruf, was den Ausstieg im Endeffekt erleichterte.


Ich kam irgendwie zufällig dazu. Durch meinen Job mit Haredim und die automatischen Haredi - Freunde. Dadurch kam ich in die Gesellschaft und nahm an vielen Shabbat - Essen bei Satmar in Mea Shearim teil. Zusätzlich ging ich noch auf eine litvishe (Midnagdim) Yeshiva. Die Umwelt ausserhalb dieses Zirkels, die sogenannte "normale" Welt, spielte keine Rolle mehr. Nicht, dass man sich als Haredi total abschottet, doch will man andererseits auch nicht mit gewissen Dingen in Berührung kommen, die einen dann stören. Unglücklich war ich nicht, eher das Gegenteil.

Doch wo kam der Bruch ?
Der Bruch kam nicht durch die Haredim, sondern durch mich selbst. Um perfekter zu sein, hatte ich mir selbst Zwänge auferlegt, was mich gewiß nicht zu einem Einzelfall macht. Andererseits vermisste ich sehr viele Dinge in meinem "neuen" Leben, wie Kino, Kreativität etc.

Ich war in zwei Personen gespalten, was mich zu einem Doppelleben zwang. Unter der Woche war ich toll religiös und dreimal pro Monat auch am Schabbat. Doch einmal pro Monat mußte ich entkommen. Entweder nach Tel Aviv in ein Hostel und Halligalli machen oder ich fuhr zu einer belgischen Freundin, welche damals in Kiryat Ekron (nahe Rehovot) wohnte. Francoise wußte schon immer, was auf sie zukam, wenn mein Besuch anstand. Erst einmal dauerte es mindestens zwei Stunden, bis ich meine religiöse Welt vergaß und mich auf etwas anderes konzentrieren konnte.

"So, what's up this time?" lautete immer ihre erste Frage.
Wenn ich am Schabbat wegfuhr, so zog ich mich meistens vorher um. Jeans und so. Dieses war immer eine kleine Prozedur, denn tat ich das doch heimlich. In unserer Nachbarschaft hätte ich nicht in Hose herumlaufen können.

Das ist das Schlimmste überhaupt, das eigene Gewissen. Schließlich rannte ich nicht vor der Religion davon, sondern einem Lebensstil, den ich wollte und doch nicht wollte.
Klar, ich hätte einfach meine Sachen packen und abhauen können, aber damals dachte ich, dass dies alles nur eine zeitweilige Krise sei, die jeder einmal durchmacht.

Das ganz große Problem ist, keinen Ansprechpartner zu haben. Mit wem kann man schon ueber soetwas reden ? Ein Chabad - Rabbi wollte mir helfen und wäre er damals nicht gerade nach New York geflogen, well, vielleicht wäre alles anders gekommen.
Ich konnte an nichts anderes mehr denken als an mein Problem. Wieso konnten andere in dieser Gesellschaft leben und ich nicht ? Wieso schaffte ich es nicht ? Der Körper wollte, die Seele nicht.
Heute gibt es sehr viele Help - Groups diesbezüglich und viele Foren im Internet, doch damals vor genau zehn Jahren stand ich ziemlich alleine da. Zu den Nationalreligiösen wollte ich nicht entkommen, denn das wäre unter meiner Würde gewesen. Stattdessen stand ich eines morgens auf, zog eine schwarze Jeans an und schmiß meine Röcke, bis auf einen denn man weiß ja nie, in die Mülltonne. Die Nachbarn waren zuerst geschockt von meinem Anblick, doch gewöhnten sich dran. Und sie sprachen sogar noch mit mir.

In der Innenstadt hatte ich immer das Gefühl von allen angestarrt zu werden. Jeder müsse doch sehen, dass ich Haredi bin. Wieso sagt keiner was ?
Mein Freundeskreis reagierte überraschend positiv und ich habe nur ganz ganz wenige Freunde verloren. Ansonsten verurteilte niemand, sondern sah es als eine Krise.

Die Situation wurde täglich schlimmer, was fast zu einem kompletten Nervenzusammenbruch führte. Ich beschloß, einen schnellen Tapetenwechsel und fuhr innerhalb weniger Wochen nach Deutschland. Dort wollte ich einen klaren Kopf bekommen und Gedanken ordnen. Einfacher gesagt als getan, denn in Deutschland incl. bei jüdischen Gemeinden ist dieses Problem völlig unbekannt. So half ich mir irgendwie selbst, hielt Kontakt mit einem Rabbi in Jerusalem und anderen Freunden. Meine zweieinhalb Jahre Deutschland wurden religiös zu einer Farce, war ich doch mehr Haredi als ich eigentlich wahr haben wollte. Dennoch war es eine hilfreiche Zeit, in der ich sehr viel lernte.

Zurück in Israel hatte ich sofort wieder Kontakt zu meinen alten Freunden. Ich sah alles etwas distanzierter, was mir half.
Bei den Nationalreligiösen bin ich nach wie vor nicht und für das Kino habe ich leider kaum Zeit. Meinem Aussehen nach bin ich nichtreligiös, doch redet jemand einige Minuten mit mir, werde ich schon als Dossit (Haredi) gesehen. Mit den Haredim verbindet mich eine gemeinsame Sprache und wir verstehen uns sofort. Mit den Nationalreligiösen hatte ich soetwas nie. Komischerweise sind heute fast alle meine Freunde Haredim und wir kommen sehr gut miteinander aus, denn ich mache keine Show mehr.

Ein nichtreligiöser Kollege fragte mich vor einigen Monaten, ob ich mich nicht schuldig vor G-tt fühle, religiös zu sein, doch in Hose herumzulaufen. "Nein", antwortete ich.
Es gibt einen tollen Satz im Film "YENTL", der wahrscheinlich auf mich zutrifft: G-tt wird es verstehen, die Nachbarn nicht."

Eines aber trifft auf fast alle Aussteiger gleichermassen zu:
Fast alle bleiben religiös, wenn auch etwas mehr "light".

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Das Wichtigste für einen Aussteiger aus der haredischen (ultra - orthod.) Gesellschaft ist, dass er mit sich ins Reine kommt. Ich kann nicht hier und zugleich dort sein. Ich kann mich nicht in ein relig. Leben zwingen, nur um die Erwartungen meiner relig. Mitmenschen zu erfüllen. Stattdessen ist es ganz wichtig, sich zu akzeptieren, wie man ist.

Okay, man ist, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage, ein bestimmtes haredisches Leben zu führen.
Bin ich deswegen weniger Wert oder aussätzig ?
Soll ich trotzdem eine Show veranstalten und mich so anziehen, um auch mir selber etwas vorzumachen ?

Als ich nach der Krise nach Jerusalem zurückkam, entschied ich mich gegen die Show. Ich sage offen, dass ich zwar relig. bin, schließe bzw. identifiziere mich jedoch nicht eindeutig mit einer Gruppe. Außer natürlich mit der haredischen Gesellschaft als solches.

Nur wer lernt, sich so zu akzeptieren, kann zur Relgion wieder zurückfinden und sich einen neuen Weg, vielleicht etwas mehr "light" aufbauen. Nicht immer ist die Umwelt schuld, denn auch ich muß mich mögen und mit meine Gedanken ordnen und mich von den Schuldgefühlen befreien.

Das derzeitige Resultat mag sein, dass ich persönlich in einer Gesellschaftsmitte oder Identitätsmitte hänge. Schließlich bin ich weder bei den Haredim noch irgendwo anders angekommen. Manchmal jedoch ist dieser Zustand gar nicht so schlecht und Hilfe findet man gerade bei denjenigen, welche denselben Problemen ins Auge sehen. Und das sind nicht so wenige wie man anfangs vielleicht meint.

Andererseits ist der Grund, warum ich überwiegend über die jüdische Religion schreibe ganz klar auch eine Suche auf dem Weg zurück. Nur kenne ich diesesmal die Limits und renne nicht direkt darauf zu. Zumindest hoffe ich das. Ein Weg zurück ist es aber ganz sicher.

Dienstag, 5. Februar 2008

Runaways - Aussteiger

B"H

Nach dem gestrigen Bombenattentat in der Negevstadt Dimona suchte ich durch Youtube, um ein passendes Video zu finden, welches die Atmosphäre eines solchen Attentates zeigt. Dies sollen sich dann alle Pali - Fans ausreichend anschauen und über ihre anti - israelischen Meinungen einmal genauestens nachdenken. Falls solch ein Video überhaupt etwas nützt.

An schockenden Videos fehlte es nicht und ich schaute mir ein paar von ihnen an. Nach kurzer Zeit jedoch beschloß ich, keines der Horrorvideos in eines meine Blogs einzubauen. Momentan nicht, aber vielleicht später einmal.

Genau erinnere ich mich nicht mehr, wie ich plötzlich auf ein Video mit dem Titel "NAF" stieß. NAF in Jerusalem. Es sollte von einem Typen namens Naf (Naftali) handeln, der sich überwiegend am Jerusalemer Zion (Crack) Square herumtreibt. Ah, dachte ich, es geht also mal wieder um einen jugendlichen Junkie. Dennoch war ich neugierig, denn immerhin spielt das Video in meiner Heimatstadt.

Das Video zeigte einen jugendlichen Rapper, der vor noch nicht allzu langer Zeit ein haredischer (ultra - orthod.) Yeshiva (relig. Schule) Student war. Naftali (Naf) erzählte, dass seine Eltern ihn von daheim rausgeschmissen haben, da er sich entschieden habe, sekulär zu werden. Die Eltern sahen in Naf eine Bedrohung für die kleineren Geschwister, denn er könne sie mit seinem Verhalten negativ beeinflussen. Seither wohnt er in die Gegend des Zion Square in der Jerusalemer Innenstadt und weiß nicht genau, was er mit sich anfangen soll.

Er gab zu, seit Jahren nicht mehr geweint zu haben. Weinen bedeute für ihn ein Eingeständnis seiner alltäglichen Probleme. Anfangs ist man der Überzeugung, alles im Leben packen zu können. Selbst als 15 - jähriger. Allmählich aber merkt man, den Probleme doch nicht allein gewachsen zu sein. Natürlich gesteht man sich diese Erkenntnis nicht selber ein. Daher wird erst gar nicht mit dem Weinen begonnen.

Religiöse Runaways sind ein alltägliches gegenwärtiges Problem in Jerusalem. Wohin sollen haredische (ultra - orthod.) Teenager gehen, wenn sie von daheim hinausgeschmissen werden ?

Die Stadtverwaltung hat längst reagiert und ein Team von relig. qualifizierten Sozialarbeitern aufgebaut. Diese Sozialarbeiter versuchen die Eltern zu kontaktieren und mit ihnen und den Kids einen Kompromiß auszuarbeiten. Soll der Teenager nicht doch wieder nach Hause ziehen ? Wie soll er sich anziehen ?
Ein relig. Rebell ist zugleich eine Bedrohung und eine Katastrophe für die Familie. Eine tickende Zeitbombe. Was werden bloß die Nachbarn denken und wie wird sich das auf die Schidduchim (künftige Ehepartnersuche) der Geschwister auswirken ? Dieses sind ernsthafte Gedanken, welche den Eltern durch den Kopf gehen und die sie ohne professionelle Hilfe kaum meistern können. Es gibt nichts Wichtigeres in der haredischen Welt als den guten Ruf zu wahren. Spätere Generationen hängen davon ab. Wie wollen diese später einmal in einer angesehenen Yeshiva aufgenommen werden oder einen guten Schidduch finden, wenn da ein Rebell in der Family ist ?

Bei all dem Wirrwarr werden meistens die eigentlichen Belange der Rebellen vergessen. Gesellschaftliche Probleme haben Priorität und das Individuum steckt zurück.

"Hillel" - die Sozialorganisation derjenigen, die aus der haredischen Gesellschaft aussteigen, ist nicht immer die beste Lösung. "Hillel" organisiert Unterkunft in einem Kibbutz, denn bei den Eltern kann man ja nicht mehr bleiben. Die Organisation gibt weitere soziale Hilfe.

Aber was wird getan, um das ewige Schuldgefühl der Aussteiger abzubauen ?

Ein Schlafplatz und soziale Hilfe sind bei Weitem nicht genug. Absoluten Vorrang sollte die Kontaktherstellung zu den Eltern haben, wozu Hillel kaum bereit ist. "Alles oder nichts" - lautet deren Devise. Einmal weg, soll das Kind so sekulär leben wie es nur geht. Die Jerusalemer Stadtverwaltung scheint eine bessere Alternative zu bieten, denn dort kann man sich bei relig. Sozialarbeitern das Herz ausschütten und bekommt professionelle Hilfe geboten. Und nicht wenige finden ihren Weg wieder zurück zu den Eltern.

Sonntag, 3. Februar 2008

Tragödie oder Glück - Die Spaltung der chassidischen Gruppe Toldot Aharon

B"H

Sobald sich eine chassidische Gruppe spaltet, gleicht dies immer einer Tragödie. Plötzlich streiten sich die Hinterbliebenen eines verstorbenen Rebben (meistens zwei Söhne) um die Nachfolge. Der eine Sohn will nicht akzeptieren, dass sein Bruder der neue Rebbe der Gruppe wird. Besonders heute ist die Position eines Rebben ebenso mit Macht verbunden und leider meinen viele Menschen, dass gerade sie die Fähigkeiten für diese neue Position mitbringen und nicht ein anderer.

Aber ich hörte auch andere Ansichten. So manche chassidische Gruppe mag sogar von einer Spaltung profitieren. Es kann sein, dass ein vollkommen neuer Rebbe sowie eine gänzlich neue Einrichtung vielen Mitgliedern hilft, sich neu zu orientieren und neue Ziele zu entwickeln.

In diesem Artikel geht es um die berühmte Spaltung der chassidischen Gruppe Toldot Aharon. Für so manchen mag die Spaltung eine weitere Tragödie bedeuten, aber ich bin mir sicher, dass vielen Mitgliedern dadurch sehr viel Positives wiederfahren ist.

Rebbe Aharon Roth war der Gründer der Toldot Aharon und wurde im Jahre 1894 im tschechischen Ungvar geboren. Sein Vater war Rabbi Shmuel Yaakov, der nebenbei sein Geld als Gemüsehändler verdiente. Im Alter von 22 Jahren heiratete Rabbi Aharon Roth die Tocher des Rabbi Yitzchak Katz aus Budapest. Sima war ihr Name.

Rabbi Roth verdiente sein Geld als relig. Lehrer, der jegliche Schüler, die aus diversen Yeshivot (relig. Schulen) geflogen waren, akzeptierte. So baute er sich allmählich eine Gefolgschaft auf.
Im Jahre 1925 zog er nach Jerusalem, wo er weitere Anhänger fand. Aufgrund gesundheitlicher Probleme zog er 1929 wieder zurück ins rumänische Satmar. Allerdings war dort der selbsternannte Rebbe nicht gerade willkommen, denn in Satmar hatten sich anderweitige Rebben formiert und Rabbi Roth wurde nur als Konkurrenz gesehen. Aus diesem Grund verließ er Satmar und ging nach Deregszaz (Deregovo), wo er eine Yeshiva (relig. Schule) mit dem Namen "Schomrei Emunim (Hüter des Glaubens) aufbaute. Acht Schüler lernten in der Yeshiva, welche von Rabbi Chaim Elazar von Munkatch unterstützt wurde. Allerdings verlor Rabbi Roth niemals den Kontakt zu seinen Jerusalemer Anhängern. Im Jahre 1939 machte er sich erneut nach Jerusalem auf, wo er die extrem geschlossene chassidische Gruppe Toldot Aharon ins Leben rief. He war ein strikter Antizionist, legte Wert auf ekstasische Gebete und richtete eigene interne Gesetzte (Takanot) für seine Gruppe ein.

Rebbe Aharon Roth verstarb am 6. Nissan (ca. April) 1947 und ist auf dem Ölberg begraben. Rebbe Arele, wie ihn seine Chassidim nur nennen, war Autor der Bücher "Shomer Emunim" und "Shulchan HaTahor".

Gleich nach dem Tode Rebbe Areles spaltete sich die Gruppe zum ersten Mal. Sein Sohn, Rebbe Avraham Chaim Roth, wollte die Führung übernehmen, aber die Anhängerschaft seines Vaters lehnte ihn ab. Stattdessen wählten sie den Schwiegersohn Rebbe Areles, Rabbi Avraham Yitzchak Kahn, als neuen Rebben. Natürlich war Rabbi Avraham Chaim Roth nicht besonders darüber erbaut, verließ die Gruppe und gründete seine eigene, die "Schomrei Emunim (Hüter des Glaubens)". Später zog er nach Bnei Brak bei Tel Aviv, aber seine Gemeinde in Jerusalem behielt er bei. Der Rebbe ist nach wie vor am Leben, kommt aber nur manchmal nach Jerusalem auf Besuch. Die Synagoge der Schomrei Emunim befindet sich in der Mea Shearim Street. Rebbe Avraham Chaim Roth ist bei seiner Gefolgschaft extrem populär und auch sein Tisch erfreut sich großer Beliebtheit. Wenn er denn einmal einen gibt, ist die kleine Synagoge überfüllt. Ein Wahrzeichen der Synagoge ist der riesige Aron HaKodesh (Thoraschrein), der wunderschön anzuschauen ist.

Bis heute haben die Schomrei Emunim fast keinen Kontakt zu den Toldot Aharon. Insgesamt haben sie sich mehr der Außenwelt geöffnet und sind auch nicht Mitglied der anti - zionistischen Dachorganisation Edah HaCharedit.

Rabbi Avraham Yitzchak Kahn wurde der neue Rebbe der Toldot Aharon, welche er bis zu seinem Tode im Dezember 1996 anführte. Deren Mitglieder sehen fast immer denselben Problemen entgegen: Ein Rebbe stirbt und der Newcomer plant Veränderungen aller Art innerhalb der Gruppe. Viele der Toldot Aharon Mitglieder jedoch sind glücklich mit dem Status Quo der Gruppe und sogar mit den Takanot. Für sie ist ihre Mitgliedschaft nicht nur eine Identifikation, sondern es ist ihr Leben wie sie es leben wollen. Somit lehnen sie Veränderungen ab.


Rebbe Avraham Yitzchak Kahn



Rebbe Avraham Yitzchak Kahn setzte den extremen Weg seines Schwiegervaters, Rebbe Arele, fort. Was genau das ist, was die Mitglieder von ihm verlangten. Der nächste Konflikt ließ nach dem Tode des Rebben nicht lange auf sich warten. Natürlich erwartete der älteste Sohn, Rabbi Shmuel Yaakov Kahn, das neue Oberhaupt der Gruppe zu werden. Allerdings gab es schon vor dem Tode seines Vaters, Rebbe Avraham Yitzchak Kahn, erhebliche Konflikte, denn Rabbi Shmuel Yaakov war weniger extrem und wollte Veränderungen mit einbringen. Er hatte unter dem Vishnitzer Rebben gelernt und war weniger anti - zionistisch veranlagt. Heutzutage trifft er sich sogar mit Mitglieder der haredischen (ultra - orthod.) Knessetpartei, der Yahadut HaTorah (Agudat Israel). Vor zwei Jahren nahm er dann an einer Familienfeier des Knessetabgeordneten Rabbi Israel Eichler (Chassidut Belz) teil, worauf sich Rebbe Shmuel Yaakov harsche Kritik einfing. Insbesondere von den Satmarer Chassidim.

Die anti - zionistische Dachorganisation Edah HaCharedit betrachtet die chassidische Gruppe Belz nach wie vor als eine Art Feind. In den frühen 80 - iger Jahren verließ Belz die Edah HaCharedit und wurde Mitglied der Agudat Israel. Dies kam einem Verrat an der Edah gleich und es kam zu wilden Auseinandersetzungen zwischen den Belzer und Satmarer sowie Toldot Aharon Chassidim. In New York fackelten die Satmarer des nachts sogar Belzer Schulbusse ab (ohne Passagiere).

Heute ist die Lage wesentlich ruhiger, aber dennoch gibt es zwei unterschiedliche Hechscherim (Koscherzertifikate):
Das Badatz (Beit Din Zedek) der Belzer Chassidim sowie das Badatz der Edah HaCharedit. Beide Parteien essen keine Produkte versehen mit einem Hechscher der Konkurrenz.

Rabbi Shmuel Yaakov Kahn wollte der neue Rebbe werden, aber die Mitglieder fürchteten wieder einmal einschneidende Veränderungen. Daher wollten sie den jüngeren Bruder, Rabbi David Kahn, zum neuen Rebben ernennen. Der nämlich wurde als extremer eingestuft, denn er hatte unter dem berühmten Satmarer Rebben, Rabbi Yoel Teitelbaum, gelernt. Genau das wollte die Mitgliedermehrheit. Wie zu erwarten, war Rabbi Shmuel Yaakov als Älterer darüber nicht erbaut und schaltete das rabbinische Gericht (Beit Din Zedek) der Edah HaCharedit ein. Er entschied sich für diesen Weg auch aus dem Grund, weil er Rabbi Me'ir Brandsdorfer (ein angesehener Rabbi innerhalb des Beit Din Zedek) hinter sich wußte. Die Edah wiederum wollte sich nicht festlegen und empfahl Rabbi Shmuel Yaakov eine Wahl innerhalb der Gruppe durchzuführen. Jedes Mitglied sollte selbst bestimmen und wählen. Wie wir alle wissen, verlor Rabbi Shmuel Yaakov Kahn und sein Bruder, Rabbi David Kahn, wurde der neue Toldot Aharon Rebbe. Eine Funktion, die er bis heute ausübt.

Rabbi Shmuel Yaakov Kahn konnte die demokratische Entscheidung nicht akzeptieren und verließ die Gruppe mit ca. 200 Familien um seine eigene, die Toldot Avraham Yitzchak, zu gründen. Offziell sind beide Brüder befreundet und gehen freundlich miteinander um. Egal, wen man in den Gruppen befragt, immer lautet die Antwort: "Wir haben nichts gegeneinander."

Die Fakten lauten jedoch etwas anders, was jedem offensichtlich wird, der ins Detail geht.
Beispiel: Rebbe David Kahn unterstützt den Satmarer Rebben, Rabbi Aharon Teitelbaum, wohingegen sein Bruder den zweiten Satmarer Rebben, Rabbi Zalman Leib Teitelbaum, unterstützt. Bei Satmar in den Staaten herrscht ein offener Krieg zwischen den beiden Rebben und sich auf eine Seite zu stellen, bedeutet gleichzeitig, sich gegen den anderen zu stellen. Insider berichteten mir, dass Rebbe Aharon Teitelbaum über mehr finanzielle Mittel verfüge als sein Bruder, Rebbe Zalman Leib. Mittel, welche die kleine Gruppe Toldot Aharon dringend benötigt. Aber auch die Toldot Aharon Yitzchak hängen am Tropf von Satmar.


Mitte: Rebbe David Kahn von den Toldot Aharon.
Ganz rechts: Rebbe Shmuel Yaakov Kahn von den Toldot Avraham Yitzchak




Persönlich mag ich die Tische von Toldot Aharon sowohl als auch den der Avraham Yitzchak. Falls es einen bei den Schomrei Emunim gibt, bin ich selbstverständlich auch mit von der Partie.
Mein Lieblingstisch sind aber auf alle Fälle die Avraham Yitzchak unter Rebbe Shmuel Yaakov Kahn. Der Rebbe ist energievoll und äußerst warmherzig. Er liebt es, wenn seine Chassidim beim Tanzen und Singen mit einstimmen. Obwohl seine Gruppe Mitglied der Edah ist, gibt er sich weniger anti - zionistisch. Die Mitglieder übernahmen Rebbe Areles Takanot (Gesetze), aber insgesamt betrachten sie sie weniger extrem und sind auch nicht zur Unterschrift gezwungen wie es bei den Toldot Aharon der Fall ist. Da Rebbe Shmuel Yaakov unter dem Vishnitzer Rebbe lernte, führte er viele Vishnitzer Bräuche in seine neu gegründeten Avraham Yitzchak ein. Generell gleicht die Kleidung der Frau jener von Toldot Aharon, aber die Kopfbedeckungen der Avraham Yitzchak weisen hier und da schon einmal unterschiedliche Farben auf. Die Toldot Aharon Frau trägt an Wochentage eine schwarze eng anliegende Kopfbedeckung, die Yasameh, und am Schabbat eine weiße. Das Gleiche bei den Avraham Yitzchak, doch sind andere Farben durchaus nichts Ungewöhnliches.

Die Toldot Avraham Yitzchak erwecken den Anschein, wesentlich offener zu sein. Vielleicht ist es nur ein Gefühl, aber bei den Toldot Aharon Frauen herrscht meistens eine gewisse Portion Reserviertheit. Bei ihnen befrage ich die Frauen vorsichtiger und überlege mir meine Vorgehensweise genau. Die Frauen sind freundlich, aber zurückhaltend. Zweimal traf ich auf eine recht offene Frau, aber leider ergab sich bisher kein tieferes Gespräch. Aber dies kommt sicher noch.

Ein Fall dagegen wird mir besonders in Erinnerung bleiben:
Einmal kam eine junge frisch verheiratete Frau auf mich zu und wollte mit mir sprechen. Über die Gründe kann ich nur spekulieren und durch einige äußere Begebenheiten ergab sich in dem Moment leider kein Gespräch. Wie ich beim nächsten Mal reagieren würde, kann ich nicht sagen. Es ist nie leicht, wenn man plötzlich mit Gruppenmitgliedern konfrontiert wird, die sich allem Anschein nach nicht besonders wohl in der Gruppe oder in einer Situation fühlen. Jedenfalls war es soweit die schlimmste Situation, die ich jemals bei einem chassidischen Tisch erlebt habe.

Aus all diesen aufgeführten Beispielen ergibt sich, dass es immer Gruppenmitglieder gibt, die Veränderungen offen gegenüber stehen. Und jene bevorzugen natürlich einen Rebbekandidaten, der sich offen für Änderungen einsetzt. Eine Abspaltung bedeutet auch gleichzeitig immer eine neue Chance verbunden mit dem Bewußtsein, etwas Neues aufbauen zu können.

Aber andererseits sind dort auch die Fundamentalisten, die sich gegen jede noch so kleine Veränderung wehren, weil sie diese als Eingriff in ihr Leben betrachten und die Gruppeninhalte in Gefahr sehen. Es kommt wirklich auf jedes einzelne Mitglied selbst an.

Avraham Yitzchak Homepage:
http://toldosay.com/index.htm