Donnerstag, 13. August 2009

Immer noch Chassidut ?

B"H

Manchmal mag alles den Eindruck erwecken als bestehe der heutige Chassidismus ausschließlich aus irgendwelchem Gruppengeplänkel innerhalb der chassidischen Gruppen sowie deren Streiterein nach außen hin. Dem ist ganz gewiß nicht so. Aufgrund des Skandales mit der wegen Kindesmisshandlung angeklagten Toldot Aharon Frau und den nach wie vor stattfindenen Demos am Schabbatende gegen die Öffnung des Jerusalemer Karta - Parkhauses am Schabbat, wird nebenher tatsächlich Chassidismus gelernt und gelebt.

Chassidim nehmen im allgemeinen einen wesentlich anderen Bezug auf die jüdische Religion als nationalrelig. oder litvisch - haredische Juden. Bei beiden letzteren Gruppen spielt die Halacha die zentrale Rolle. "Es steht geschrieben … und wir müssen tun !"
Nicht, dass dies in der Chassidut viel anders ist, denn auch dort werden Halachot gelebt und eingehalten. Dass den ganzen Tag in spirituellen Spähren herumgeschwebt wird, ist ein Vorurteil, mit dem der Chassidimus bis heute zu kämpfen hat. Insgeheim jedoch stelle ich mir die Frage, ob die Chassidut innerhalb der Gruppen tatsächlich gelebt wird oder ob alles nicht in zuviel Gruppenzwang und Alltag ausartet. Zum Beispiel lernen die jungen Mädchen in den Schulen ihre weiblichen Pflichten neben Mathe oder Lesen und Schreiben. Doch wo sind die rein chassidischen Inhalte ? Wo die Geschichte des Chassidismus angefangen mit dem Baal Shem Tov und dessen Nachfolger, dem Maggid von Mezritch (Rabbi Dov Baer Friedman) ?
Was schon die kleinen Kinder wissen, sind all die heutigen Mitglieder verschiedener chassidischer Gruppen. Wer mit wem, welche Bräuche und was es Neues gibt. Nicht immer würde ich dies jedoch unter die Rubrik "Klatsch und Tratsch" ablegen !

Bei den Männern ist und war es um einiges positiver. Man sitzt nicht den ganzen Tag da und lernt Chassidismus, sondern Thora und Talmud; die Chassidut erfolgt nebenbei. Thora sowie Talmud auch anhand von chassidischen Inhalten.

Sehe ich mich dem immer noch verbunden ?
Die Antwort darauf lautet eindeutig JA, selbst wenn ich meine Pausen habe. Nicht immer bin ich nur bei der Chassidut ansässig, sondern ebenso in puren Halachot, der Mussar (Ethik), der jüdischen Geschichte ebenso wie der jüdischen Philosophie. Nicht ständig lerne ich puren Chassidismus, sondern weitere jüdische Themen. Je nach Interesse und oftmals bezogen auf Leseranfragen.

Ein englischer Bekannter macht fast täglich seine e - mail Andeutungen, wir beide sollen uns endlich aufraffen und Mitglied einer chassidischen Gruppe werden. Ob wir denn die extremen Toldot Aharon wählen sollten. Im Endeffekt kommen wir zu keinem Ergebnis und verschieben die Entscheidung auf den nächsten Tagen. So geht das schon seit mehreren Monaten und wir wissen nicht, ob wir nach wie vor am Anfang stehen oder letztendlich nicht viel glücklicher mit unserem momentanen Leben sind. Vielleicht lernen wir mehr Chassidut und die Geschichte der Gruppen als so mancher Chassid, doch zeigen wir keine so hohe Frömmigkeit.
Was Chassidim von klein auf in der Schule lernen, ist eine immense Frömmigkeit. Hiermit meine ich jene, die wirklich mit ganzem Herzen dabei sind.

Obwohl mein englischer Bekannter und ich ein großes Wissen an den Tage legen, an der "angeborenen" chassidischen Frömmigkeit hapert es. Und da stelle ich mir schon die Frage, was wichtiger ist: All das Wissen oder am Ende lieber mit dem Herzen handeln ?

Die Antwort darauf kann jeder für sich individuell entscheiden.

4 Kommentare:

shoshi hat gesagt…

Chassidismus kann, mit einer gesunden Distanz betrachtet, sehr faszinierend sein.

Allerdings muss man sich eine Frage stellen: die ganze Chassidische Philosophie, Geschichten, mystischen Aspekt etc. sind ja gut und nett, aber wie sieht eine Gesellschaft aus, die so was für bare Münze nimmt.

Ich habe mir das überlegt: wenn du anfangst, an die ganzen Nissim und "mystischen Details" zu glauben (z.B Ain hara, oder: wenn du über eine Krankheit sprichst, zeig nicht auf dich selber, du könntest dich dazu verurteilen, dass du sie auch bekommst; und dergleichen mehr) dann ist das ja an sich im einzelnen nicht weiter schlimm, es kann aus dir ev. auch einen rücksichtsvolleren, sensibleren, etc. Menschen machen.

Aber wenn du sowas auf die Ebene einer ganzen Gesellschaft/grossen Gruppe von Menschen transponierst, die homogen an so was glaubt, dann bist du nicht mehr weit weg von den Hexenprozessen im Mittelalter (bzw. wie sie heute noch in Ländern wie Nigeria stattfinden).

Wenn man ein neues "Glaubenssystem" entdeckt, dann ist man erst einmal fasziniert von den Vorteilen, die es gegenüber dem bekannten System hat (von dem man die Vor- und Nachteile kennt, bzw. vor allem die Nachteile sieht).

Es braucht ziemlich lange, manchmal ist es sogar unmöglich, bis man über das neue System überhaupt genügend "Informationen" zusammen hat, um es mit dem "alten" zu vergleichen.

Da ist einmal das Problem der Sprachregelungen: wenn du aus einer Kultur, die eher gerade heraus spricht, in eine "höfliche Kultur" kommst, bist du erst einmal fasziniert, wie nett alle sind. Bis du merkst, dass sich hinter den Nettigkeiten auch einige Gemeinheiten verbergen, die nur anders formuliert sind.

Dann ist das Problem: "Touristenklasse": so lange man mehr oder weniger die Rolle des "Gastes" hat, wird man ev. nett und höflich behandelt, aber daraus lässt sich keine Aussage ableiten, wie das Leben für die "richtigen Gruppenangehörigen" ist.

Dann ist die Frage der "Narrenfreiheit": Nachdem man ja anders ist und von woanders kommt, hat man ev. eine Narrenfreiheit, von der die authentischen Gruppenmitglieder nur Träumen können.

Dann ist die Frage von "Schein und sein": vieles ist hinter der Fassade ganz anders, als es nach aussen scheint, etc...

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Na, so furchtbar neu bin ich bei der Materie nun auch nicht. Immerhin bin ich seit 13 Jahren dabei und an die Wunder und so glaube ich nicht unbedingt. Die frueheren Zaddikim waren sicher tolle Menschen und erlebten einiges an Aussergewoehnlichem, doch selbst die Stories vom Baal Shem Tov fuer bare Muenze zu nehmen, ist nicht gerade realistisch.

Die meisten Baalei Teshuva scheitern am Alltag einer chassidischen Gruppe. Wenn sie Mitglied werden und dann sehen, wie alles wirklich ablaeuft.
Klar, nutze ich meine Narrenfreiheit, denn ich unterschreibe ja keine Takanot.:-)

Schabbat Schalom

shoshi hat gesagt…

Na ja, auch nach 13 Jahren scheinst du manchmal eigentartig fasziniert von allerlei mystischem Hokus Pokus...

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Was verstehst denn Du unter Hokuspokus ?:-)