Mittwoch, 28. Mai 2008

Einblicke in die Chassidut Satmar




B"H

In Deutschland kennt man sie fast gar nicht, in Antwerpen oder London dagegen mehr: die Chassidut Satmar.

Heutzutage stellen die Satmarer weltweit die größte chassidische Gruppe mit ca. 150.000 Mitgliedern. Und das, obwohl Chabad (die Lubawitscher) gerne von sich behaupten, die Größten zu sein; dennoch sind bei Satmar die Zahlenangaben wesentlich präziser, da sich nicht jeder einfach so Satmar nennen kann, sondern erst ein strenges Aufnahmeverfahren durchlaufen muß.

Die Chassidut Satmar (aus dem rumänischen Ort Satu Mare) ist ein sehr weit gefächertes Thema und läßt sich nie ganz in einem einzigen Artikel erklären. Aufgrunddessen möchte ich die Sache langsam angehen und mit dem Buch "Satmar - Two Generations of an Urban Island" von Israel Rubin beginnen. Der amerikanische Autor Israel Rubin ist kein Mitglied bei Satmar, doch befaßt sich seit vielen Jahren mit der Gruppe. Anfang der 70iger Jahre erschien die Buchausgabe zum ersten Mal und im Jahre 1997 gab er einen Chidush, eine überarbeitete Ausgabe, heraus. Allerdings hat sich seit 1997 wieder sehr viel geändert und in unserer Zeit ist die Chassidut Satmar in zwei Hälften gespalten. Aber dazu etwas später.

Wer den Namen "Satmar" schon hört, der denkt automatisch, dass es sich da um fanatische chassidische Spinner handelt. Geradezu militärisch antizionistisch und weltfremd. Durchgeknallt halt. Genau das ist das weitverbreitete Image der Satmarer Chassidim. Meistens jedoch spiegelt das Image nicht immer die Realität wieder, aber Satmar legt nach außen hin keinen Wert auf Imageverbesserung oder Erklärungen für ihr Handeln. Viele Vorurteile entstehen immer durch einen Mangel an Wissen. Man kennt keine Details, doch hört hier oder dort etwas oder liest halt einige Dinge in der Zeitung. Das Thema "Satmar" aber ist sehr komplex und wer sich eingehend damit beschäftigt, der trifft auf Tausende von Infos, die es ersteinmal gilt, auszuwerten.

Gründer der Gruppe war Rebbe Yoel (Yoelisch) Teitelbaum. Sein Name ist unsagbar mit Satmar verbunden und gerade er ist nicht mehr wegzudenken. Satmar, das ist Rebbe Yoelisch. Zu Lebzeiten stand er im Ruf, eine absolut unzugängliche Person zu sein. Der Autor Israel Rubin weiß Gegenteiliges zu berichten, denn man mußte nur wissen, wo genau man Rebbe Yoel Teitelbaum antreffen konnte und dann war er sehr wohl für jederman zugänglich.


Rebbe Yoel Teitelbaum

Einen grundsätzlichen Fehler, den die Mehrheit der Außenstehenden immer wieder macht, ist, die Chassidut Satmar gleichzusetzen mit der Neturei Karta. Ich kann nur immer wieder wiederholen, dass beide Gruppen vollkommen unanhängig voneinander fungieren. Obwohl Satmar die Neturei Karta sowie andere chassidische antizionistische Gruppen (z.B. Toldot Aharon) finanziell unterstützt.

Satmar hat eine verhältnismäßig junge Geschichte, denn Rebbe Yoel Teitelbaum gründete die Gruppe erst in den Jahren 1904 – 1905. Der bekannteste Vorfahre von Rebbe Yoel war der "Yismach Moshe – Rabbi Moshe Teitelbaum von Ujhel (1759 – 1841)". Und durch diesen Vorfahren besitzt Rebbe Yoelisch eine direkte Verbindung zum Baal Shem Tov (ca. 1700 – 1760), denn der "Yismach Moshe" war ein Schüler des "Chozeh von Lublin – des Sehers von Lublin (1745 – 1815)". Allerdings gründete der "Yismach Moshe" niemals seine eigene chassidische Gruppe, sondern war lediglich ein Ahne Rabbi Yoel Teitelbaums. Letzterer wurde am 18 Tevet 1887 in Sighet (heute Rumänien) geboren. Im Jahre 1904, im Alter von 17 Jahren, heiratete er Chava, die Tochter des Rebben von Plantscheh (Rabbi Avraham Chaim Horovitz) aus dem Hause Horovitz. Diese chassidische Dynastie war befreundet mit dem Hause Teitelbaum sowie Halberstam. Kurz nach der Hochzeit verstarb der Vater von Rebbe Yoelisch und sein älterer Bruder, Rabbi Chaim Hirsch (Zvi) Teitelbaum, übernahm das Rabbineramt in Sighet. Rebbe Yoel war nicht gerade sehr erbaut darüber, dass sein Bruder die Rabbinerposition seines Vaters übernahm und zog aufgrunddessen nach Satmar (damals Ungarn, heute Rumänien). Im Alter von 24 Jahren war Rebbe Yoelisch das Gegenteil von seinem reservierten, ruhigen, organisierten und taktvollem Bruder Rabbi Chaim Hirsch. Die Juden in Sighet sahen gerade deswegen in Rebbe Chaim Hirsch den besseren Nachfolger und dessen jüngerer Bruder Rebbe Yoel kämpfte viele Jahre lang für seine Anerkennung in Sighet.

Zu den damaligen Zeiten gehörte die Region noch zu Ungarn und als das ungarische zionistisch – relig. Mizrachi – Movement begann, wurde es heftig von Rebbe Yoel Teitelbaum attackiert. Laut Rebbe Yoel war der Zionismus noch gefährlicher, sobald er in der "Verkleidung" der jüdischen Religion auftrat. Wer religiös ist, der könne auf keinen Fall Zionist sein.

Trotz ihres militanten Charakters und Attacken gegen die "Zionistenclubs" war Rebbe Yoels Gruppe im Jahre 1926 relativ bedeutungslos, da sie der großen Konkurrenz aus Sighet und Munkatch nichts entgegenzusetzen hatten.

Völlig unerwartet verstarb Rabbi Chaim Hirsch im Jahre 1926 und dessen Sohn war erst 14 Jahre alt. Deswegen sah Rabbi Yoel Teitelbaum nun seine Chance gekommen, Rabbiner in Sighet zu werden. Daraus wurde jedoch wieder nichts, denn interne politische Prioritätensetzungen verhinderten dies. Vier Jahre später heiratete der Sohn des Rabbi Chaim Hirsch, Rabbi Zalman Leib Teitelbaum, und wurde gleichzeitig neuer Rebbe von Sighet. Eine Position, die er bis zum Jahre 1944 innehielt. Rabbi Zalman Leib erwies sich als etwas zu jung und unerfahren und so begannen viele Chassidim aus Sighet zu seinem Onkel Rebbe Yoel Teitelbaum zu reisen. Nach einigen Rabbipositionen hier und da kehrte Rebbe Yoel im Jahre 1934 nach Satmar zurück, wo er bis 1944 blieb.

Von Mai 1944 – Ende 1945 fand das jüdische Leben in Ungarn nur noch in Budapest statt. Im ländlichen Bereich hingegen hatten die Nazis jegliches jüdisches Leben ausgelöscht. Rebbe Yoel Teitelbaum entkam den Nazis; ironischerweise retteten ihn ausgerechnet die Zionisten. Und so entkam er mit dem legendären "Kastner – Transport" in die Schweiz; einem Zug, der für 1700 Juden die Freiheit bedeutete, da Rudolf Kastner ein Abkommen mit Adolf Eichmann ausgehandelt hatte. Die 450.000 verbliebenen ungarischen Juden endeten dagegen in den Gaskammern von Auschwitz. Am 7. Dezember 1944 (21 Kislev) erreichte Rebbe Yoel Teitelbaum die schweizer Grenze. Ein Tag, der bis heute in der Chassidut Satmar gefeiert wird.

Nach einem kurzen Aufenthalt in der Schweiz zog Rebbe Yoel Teitelbaum nach Jerusalem, wo er bis zum Jahre 1946 residierte. Danach zog es ihn nach Brooklyn / New York. Dort rief er im Jahre 1948 mit einer handvoll Leuten die Gemeinde "Yeter Lev D'Satmar" im New Yorker Stadtteil Williamsburgh ins Leben. Die Gemeinde wuchs stetig an und umfasste im Jahre 1961 schon 860 Haushalte. 90% davon entstammten nicht dem ursprünglichem Satmar oder Sighet, sondern kamen aus anderen Orten. Heutzutage gibt es ein spezielles Aufnahmekommittee bei Satmar, welches über die Aufnahme eines Bewerbers abstimmt.

Im Jahre 1968 erlitt Rebbe Yoelisch einen Schlaganfall, der ihn teilweise lähmte. Obwohl er sich wieder einigermassen erholte, war er gezwungen, seine Aktivitäten auf ein Minimum zu beschränken. Im August (Av) 1979 verstarb Rebbe Yoel Teitelbaum im Alter von 92 Jahren. Rebbe Yoel Teitelbaum war zweimal verheiratet gewesen (seine erste Frau, Chava, verstarb im Jahre 1936). Mit seiner ersten Frau hatte er drei Töchter, die jedoch allesamt jung verstarben. Ein Jahr nach ihrem Tod heiratete er Alte Feiga, die Tochter des Rabbi Avigdor Schapiro. Allein die Person Feiga Teitelbaum ist einen eigenen Artikel wert, aber dazu später einmal.

Nach dem Tode des Rebben gab es keinen männlichen Erben, da Rebbe Yoelisch niemals einen Sohn hatte. Sein Neffe, der Sigheter Rebbe, Rabbi Moshe Teitelbaum übernahm das Amt des Satmarer Rebben.


Rebbe Moshe Teitelbaum beim Tanz auf einer Hochzeit

Eine kleine Gruppe innerhalb Satmars erkannte ihn nicht als Rebben an und folgte stattdessen der zweiten Frau Rebbe Yoelischs, Alte Feiga Teitelbaum (geborene Schapiro). Sie wiederum war eine höchst charismatische Persönlichkeit und nicht wenige Chassidim sahen ausgerechnet sie als Frau als die wahre Nachfolgerin auf dem Thron des Rebben. Über den offiziellen Nachfolger, Rebbe Moshe Teitelbaum, gab es heftige Kontroversen. So hatte dieser seine eigene Sigheter Gemeinde, von der Satmar kein Teil war. Des Weiteren hatte ihn sein Onkel Rebbe Yoelisch niemals öffentlich zum Nachfolger ernannt und ein Testament wurde ebenso wenig gefunden.

Das große Konzept der Chassidut Satmar lautet "Chesed – Wohltätigkeit". Außerdem soll der relig. Glaube einfach und ohne jegliche Intellektualität gehalten werden. Wahre Anhänger verspüren keinen Bedarf nach analytischen Diskussionen. Die Satmarer Chassidim achten nicht zu sehr auf die Geschichte, sondern schauen in die Zukunft – auf die Ankunft des Meschiach. Und als Antizionisten glauben auch sie an die drei Eide verankert im Talmud Traktat Ketubot 111. Aufgrunddessen betrachten sie den Holocaust als eine einzige G – ttesstrafe für den Zionismus.

Um Rebbe Yoel Teitelbaum wird bis heute auf geradezu fanatischer Personenkult betrieben. So heißt es, dass es sich bei ihm um einen "Heiligen" gehandelt hat. Bei Satmar entscheidet einzig und allein der Rebbe und niemand anderes. Und das selbst in persönlichen Angelegenheiten, denn die Chassidim wissen keine Entscheidungen zu fallen. Genau auf diese Art und Weise verhinderte Rebbe Yoelisch einst die Assimilation in die amerikanische Gesellschaft.

Die Chassidut Satmar ist eine elitäre Gruppe, unterteilt in Gesellschaftsschichten. Da sind zu allererst einmal die "Scheyneh Yidden" – die angesehenste Geselschaftsschicht: Schochtim (Schächter), Rabbiner, Nachfahren von Rabbinern, Sofrim (Thoraschreiber), Geschäftsleute, überragende Gelehrte genauso wie militante Antizionisten.

Aber wie oben beschrieben, die absolute Authorität hält der Rebbe inne, welches offiziell in Artikel 8 der internen Gesetze Takanot in jiddischer Sprache festgelegt ist:

"Seine verehrte Heiligkeit, unser Lehrer und Meister, der Gelehrte und Heilige Rebbe Yoel Teitelbaum – möge er ein langes Leben leben, Amen ! – ist unser Rabbi and möge er dies für viele Jahre bleiben. Niemand darf ihn ohne seine Zustimmung ersetzen. Er ist die alleinige Authorität in allen spirituellen Angelegenheiten. Keine einzige relig. Position darf ohne seine Zustimmung vergeben werden. Seine Entscheidungen sind für alle Mitglieder verbindlich".

Rebbe Yoelisch wurde innerhalb seiner Gruppe sogar als unfehlbar eingestuft. Fanatische Militante innerhalb Satmars gibt es nur wenige und der Rebbe kritisierte oft scharf deren wilde Exzesse. Gelegentlich sogar mit kleinen Sanktionen. Trotzdem der Rebbe die unumstrittene Führungsperson war, verlor er dennoch manchmal die Kontrolle über die Militanten. Von sich selbst behauptet Satmar, das authentische Judentum zu repräsentieren. Allerdings bin ich mir nicht so sicher, ob das authentische Judentum etwas mit interner Kontrolle zu tun hat. So gibt es bei Satmar zum Beispiel die berühmten "Watchdogs" welche ihre Bespitzelungen nachgehen. Erwischen sie jemanden bei Vergehen, drohen sie demjenigen zuerst, alles dem Rebben zu sagen. Wenn sich der Ertappte nicht bessert, folgen weitere Bedrohungen was bis hin zur Rufmordkampagne gehen kann.

Ein Satmarer Chassid besucht seinen Rebben regelmäßig. Derzeit haben die Satmarer 150.000 Mitglieder und da ist es nicht so einfach, sich in eine Warteschlange zu stellen. Also kommt man auf die Warteliste. Die Chassidim jedoch gehen bei allen Privatangelegenheiten den Rebben aufsuchen, um ihn um Rat zu fragen: "Soll ich die neue Wohnung nehmen oder nicht ?" – zum Beispiel.

Die Chassidut Satmar legt hohen Wert auf das Familienleben. Sexuelle Befriedigung wird als Ausgleich zu sündhaften Gedanken angesehen. Außerdem spielen mystische Gründe eine Rolle für ausgewogenen Sex. In eine gute Familie hineinzuheiraten ist das höchste Ziel der jungen Leute. Alles dreht sich um den Status und der soll erhalten oder besser, ausgebaut werden. Wer hätte das gedacht ? Der Ehegatte ist verpflichtet, im Haushalt mitzuhelfen und beide Ehepartner sind für den Lebensunterhalt verantwortlich. Kinder haben ihren Eltern Respekt zu verleihen. Und die Verwandten sind ebenso zur tatkräftigen Hilfe bei Familienproblemen aufgerufen. Das ideale Hochzeitsalter liegt bei 18 Jahren. Wenn es zu einem Schidduch (eventuelle zukünftige Ehepartner werden miteinander bekannt gemacht) kommt, dann treffen sich beide Kandidaten im Hause des der jungen Frau. Beiden Kandidaten ist es erlaubt, in Anwesenheit der Elternteile miteinander zu reden. Im Falle einer Zusage, organisieren die Eltern der Braut die Verlobungsparty, zu welcher nur Verwandte, enge Freunde sowie mehrere prominente Satmarer eingeladen werden. Der zukünftige Bräutigam halt eine Thorarede, die traditionell mit dem Singen von Lieder unterbrochen wird.

In chassidischen Kreisen ist es üblich, schon bei der Verlobung ein offizielles Dokument zu unterschreiben, welches beide Seiten verpflichtet. Auch in der Chassidut Satmar ist dies der Fall. Nach der Unterschrift unter das Dokument wird ein Teller zerbrochen und es werden Erfrischungen gereicht. Hierbei befinden sich Männer und Frauen in separaten Räumen. Bei Satmar und anderen strengen chassidischen Gruppen ist es keine Seltenheit, dass Männer und Frauen in getrennten Zimmern sitzen. Dies gilt immer dann, sobald Gäste anwesend sind. Innerhalb der Familienmitglieder besteht diese Regelung normalerweise nicht. Laut Israel Rubin wird die Verlobungsparty immer weniger praktiziert und stattdessen schütteln sich die Väter des Paares zum Zeichen des Abkommens die Hände. Nach einigen Monaten findet dann die Hochzeit statt. Da im Judentum die Familienreinheitsgesetze (Taharat HaMischpacha) eine wichtige Rolle einnehmen, darf die Braut zum Zeitpunkt der Hochzeit nicht ihre Menstruation haben. Normalerweise wird bei jeder Hochzeit ausgerechnet, wann die Braut nicht im Niddah – Zustand (Menstruation) ist. Bei Satmar finden die Hochzeiten frühestens 12 Tage nach Beginn der Menstruation der Frau statt. Dann nämlich befindet sie sich wieder in einem Zustand der Reinheit (nach der Mikweh – dem Ritualbad).

Wie bei anderen chassidischen Gruppen auch, findet die Satmarer Hochzeit in zwei getrennten Sälen statt; Männer und Frauen getrennt. Der Bräutigam trägt einen langen Kaftan und zum ersten Mal seinen Streimel (die traditionelle Pelzmütze). In anderen chassidischen Gruppen trägt der Bräutigam manchmal die gesamte Woche vor der Hochzeit seinen neuen Streimel. Wenn es unter die Chuppah, den Hochzeitsbaldachin geht, zieht sich der Bräutigam einen weissen Kittel über. Weiß ist immer die Farbe der "Reinheit".


Der traditionelle Streimel

Des Weiteren gibt es auf jeder chassidischen Hochzeit einen Mitzwe – Tanz des Rebben mit der Braut. Der Braut werden dabei die Augen verbunden bzw. ihr Gesicht wird aus Anstandgründen verdeckt, da sie sich auf der Männerseite des Hochzeitssaales befindet. Nicht die Frau ist der Grund, sondern den Männern soll aus Anstandsgründen der Blick versperrt werden, damit sie auf keine dummen Gedanken kommen. Nach dem Mitzwe – Tanz des jeweiligen Rebben, der um die Braut herumtanzt, ist die Hochzeit vorbei. In der Vergangenheit war der frischgebackene Ehemann gezwungen, sich gleich nach der Hochzeit um einen Job zu bemühen. Doch dann änderte Rebbe Yoel die internen Gesetze und demnach muß der neue Gatte erst einmal 1 – 2 zwei Jahre im Kollel Thora lernen.

Auch in der Kindererziehung geht es bei den Satmarer Chassidim etwas anders zu. Kinder, selbst die verheirateten, sind zum Respekt den Eltern gegenüber verpflichtet. Jungen und Mädchen werden schon früh auf ihre spätere Rollen vorbereitet. Hierbei sollen die Mädels selbstverständlich im Haushalt helfen und das Stricken oder Nähen erlernen. Jungen hingegen sollen Thora lernen. So ist zumindest der Idealzustand.

Die Satmarer Chassidim verweigern jegliche Autopsien, da sie in ihnen einen Verstoß sehen. Wenn der Meschiach kommt, gibt es eine Wiederauferstehung der Toten und wie schaut das aus, wenn da alles aufgeschnittene Leute herumlaufen. Zu dem Thema gibt es unterschiedliche Ansichten und selbst im Talmud heißt es, dass ehemalige kranke Menschen zu der Zeit geheilt werden. Aber das Verfahren ist Satmarer Politik und als Außenstehender kann man da gar nichts ändern. Was bei Satmar noch anders ist, ist, das eine Leiche nicht nur rituell gewaschen, sondern ebenso in die Mikweh (Ritualbad) eingetaucht wird.

Die Satmarer sind bekannt für ihren unermüdlichen Kampf gegen die Mädchenschule Beit Yaakov, auf welche meistens die Mädchen der Agudat Israel (z.B. litvische Haredim) gehen. Außerdem erscheint ihnen das Beit Yaakov viel zu modern und der Chatam Sofer, dem die Satmarer folgen, verbot alle neuen Innovationen. Stattdessen gehen die Satmarer Mädels auf die eigene "Beit Rachel – Schule". Heutzutage werden die Mädchen jedoch auch in säkuleren Fächern wie das Bankwesen, die Börse sowie in Informatik unterrichtet. Bei Satmar ist man ausgesprochen stolz auf das eigens gegründete Schulwesen, wodurch unzählige neue Jobs entstanden sind.

Das Hauptzentrum der Chassidut Satmar befindet sich in New York. Ungefähr 50km außerhalb New Yorks erbaute Rebbe Yoel Teitelbaum sein "Kiryat Yoel". Kiryat Yoel wurde im Jahre 1976 nahe Monroe in Orange County erbaut. Es handelt sich um ein eigenes Satmar - Dorf auf 340 Hektar Land. Im Jahre 1990 gab es dort 8000 Bewohner.


Kiryat Yoel

Nach dem Tode von Rebbe Yoelisch (Aug. 1979) übernahm sein Neffe, Rebbe Moshe Teitelbaum den Job als Satmarer Rebbe, welchen er bis zu seinem Tode, im April 2006 innehielt. Rebbe Moshe Teitelbaum war ein Auschwitz – Überlebender, dessen erste Frau Leah in Auschwitz umkam. In späteren Jahre heiratete er ein zweites Mal und nach seinem Tode (im April 2006) hinterließ er drei Söhne und vier Töchter. Sein ältester Sohn, Rebbe Aharon Teitelbaum (geboren im Jahre 1948), ist mit der Tochter des Vishnitzer Rebben aus Bnei Brak (nahe Tel Aviv), Rebbe Moshe Yehoshua Hager, verheiratet.


Einer der derzeitigen Satmarer Rebben, Rabbi Aharon Teitelbaum

Seit dem Tode von Rebbe Moshe streiten zwei seiner Söhne um die Rebbe – Nachfolge. Militant und es wurde sogar vor ein nichtjüdisches Gericht gezogen. Derzeit ist es so, dass Rebbe Aharon Teitelbaum seinen Sitz in Kiryat Yoel aufschlug und sein Bruder, Rebbe Zalman Leib Teitelbaum, den Williamsburgher Teil von Satmar übernahm.


Der zweite Satmarer Rebbe, Rabbi Zalman Leib Teitelbaum

In Israel befindet sich das Zentrum von Rebbe Zalman Leib in Mea Shearim, in der Yoel Street. Die Zentren des Rebben Aharon Teitelbaum liegen in Bnei Brak sowie im Jerusalemer Stadtteil Ge'ulah, in der Yonah Street. Somit gibt es in Satmar zwei Rebben mit ihren jeweiligen Anhängern. Leider ist die Gruppe in zwei Teile gespalten, die sich selbständig verwalten.

Tausend weitere Dinge gibt es noch über Satmar zu berichten, aber ich habe mich vorerst auf diesen Artikel beschränkt, um einmal einen kleinen Einblick zu geben. Nicht alle Fakten sind vom Autor Israel Rubin, sondern ich habe nach eigenem Wissen einiges hinzugefügt.

12 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

das bild von dem streimel zeigt keinen streimel sondern einen KOLPIK.

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Ich hatte leider kein besseres Bild zur Hand.

Anonym hat gesagt…

Ich komme ursprünglich aus einem "jeckischen" Haus und bin nunmehr seit fast 3 Jahren fest im Satmarer Chassidus verankert. Deshalb muss ich darauf hinweisen, dass einiges von dem, was hier geschrieben wurde, einfach nicht stimmt. Ich nehme mir jetzt erst einmal die unangenehmsten Punkte heraus: Ich habe einen festen Sitzplatz im Beis Medresh, meine Söhne sind im Satmar Cheider und ich nenne mich Satmar, ohne dass irgendwer von mir oder meiner Familie ein strenges Aufnahmeverfahren abverlangt hätte. Es gibt keine "watchdogs", von denen ich bespitzelt werde und es existiert innerhalb von Satmar niemanden, der einen anderen bei "Vergehen" (welche sollten das bitteschön sein?) drohen würde. Das hier so etwas behauptet wird, ist schlicht und ergreifend unwahr! Es sind da noch andere Punkte, die nicht der Wahrheit entsprechen, so z.B. das mit den Verlobungsfeiern oder den Verbindungen mit Menschen von Neturei Karta.

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Es kann sein, dass dies bei Dir in der Gemeinde der Fall ist.
Der Autor Israel Rubin hatte jedoch die ausdrueckliche Erlaubnis des einstigen Satmarer Rebben, Rabbi Yoel Teitelbaum, Material fuer sein Buch innerhalb der Chassidut Satmar zu sammeln. Und Israel Rubin ist recht anerkannt und ich habe noch nichts Gegenteiliges ueber seine zwei oder drei Buecher gehoert. Was aber nicht heisst, das dem nicht so ist.

Allgemein betrachtet hatte fast jede chassidische Gruppe Mitglieder, die auf andere schauen. Die kann entweder freiwillig oder unfreiwillig geschehen. Und zu Zurechtweisungen kann es kommen.

Uebrigens gibt es in Mea Shearim Satmarer Schababnikim, von denen mir ein Bekannter, der mit einigen davon befreundet ist, einiges berichtet. Was aber wiederum nicht heisst, dass es bei Satmar ueberall so zugeht.

Anonym hat gesagt…

BS"D

Werte Miryam,

ich kenne aus eigener Anschauung vor allem die Satmarer Gemeinden in Antwerpen, London und Manchester und ich habe auch einen gewissen Einblick in Richtung Williamsburg und Kiryas Joel. Darüber hinaus lebt mein "Satmar-Ziehvater", ein überall geschätzter Talmud-Gelehrter, in Kiryas Mattersdorf. Ich kann Dir deshalb aus meiner Erfahrung nur versichern, dass es weder strenge Aufnahmeverfahren noch organisierte "watchdogs" gibt. Natürlich "schaut man auf andere" in bezug auf Tnius zum Beispiel oder indem man jemanden korrigiert, wenn er beim Ausüben einer Mitzve einen halachischen Fehler begeht. Das "Auf-Andere-Schauen" geschieht wenn, dann aus dem Gefühl der Verantwortung für Klal Jisroel und der Nächstenliebe heraus. Absurditäten mag es hie und da auch geben, doch diese sind letztlich eher Ausnahmen und nicht die Regel.

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Die Behauptung mit den "Watchdogs" stammt nicht von mir, sondern von dem Autor Israel Rubin, welcher in New York ueber die Satmarer Chassidim schrieb. Mit offizieller Erlaubnis des damaligen Satmarer Rebben Yoel Teitelbaum !

Und Israel Rubin veroeffentlichte sein Buch noch zu Lebzeiten Rebbe Yoelushs. Ausserdem verfasste er einige Jahre spaeter eine aktualisierte Neuauflage.

Warum hat in Satmar niemand gegen seine Behauptung im Buch protestiert ?

Anonym hat gesagt…

Es macht doch nun wirklich keinen Sinn, darüber zu diskutieren ob es "Watchdogs" oder irgendwelche Aufnahmebedingungen gibt.
Was bei der Betrachtung von chassidischen Gruppen wirklich und vor allem kritisch im Mittelpunkt stehen sollte, ist die Verehrung der Rabbiner, die zwar selbst innerhalb der jeweiligen Gruppierung unterschiedlich stark ausgeprägt ist, aber dennoch zutiefst unjüdisch(!!!!) ist, denn die Verehrung der Rebben gleicht dem Götzendienst, gleicht dem Tanz unserer Vorfahren um das goldene Kalb.
Selbst verkaufen sie sich als "torahtreues Judentum"(und ähnliche Banner), doch dabei ignorieren sie vollkommen, dass sie durch ihre Isolation nichts zur Tikkun Olam beitragen, oftmals einem nahezu heidnischen Kult anhängen und dass der Chassidismus für die Mehrheit von uns Juden nichts weiter als jiddische Folklore ist. Und mehr sollte es auch nicht sein.
Ich glaube an die Torah und an den Fels Israels. Da ist kein Platz für einen "heiligen" Rebben.

PS: Eine Ausnahme gibt es allerdings doch: Chabad! Gäbe es nicht diesen Personenkult, würde ich gleich morgen eine Chabad-Synagoge aufsuchen. Die tun wenigstens was für das Judentum.

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Warum sollte Chabad die grosse Ausnahme darstellen ? Jeder, der sich mit dem letzten Rebben Schneerson befasst, wird schnell zu der Erkenntnis kommen, dass gerade er einen riesen Personenkult um sich selbst startete. Nicht, dass dies erst nach seinem Tod begann.
Auch andere chassidische Gruppen, abgesehen von Chabad, tun viel fuer Juden. Man schaue sich nur die Satmarer an, die unglaublich viel Geld in die Chesed stecken. Chesed fuer alle Juden und nicht nur fuer die eigenen Gruppenmitglieder.

Bis auf eine Gruppe bin ich soweit nur auf chassidische Gruppen gestossen, die neue Mitglieder aufnehmen und ich persoenlich machte viele positive Erfahrungen auf dem Gebiet des "etwas fuer das Judentum tun". Und zwar mit saemtlichen Gruppen.

Chesed ist in der geaamten chassidischen Welt verbreitet und nur weil Chabad bekannt ist, bedeutet dies noch lange nicht, dass sie die einzigen sind.

Ich stimme dem Rebben - Kult zu. Besser gesagt: Ja und Nein, denn es gibt unterschiedliche Gruende fuer was ein rebbe steht. Auch ist es in vielen Gruppen individuell und nicht immer ist der Rebbe der grosse King. Immer noch gilt das Zaddik - Konzept und jeder interpretiert dabei vieles unterschiedlich. Heisst, wie weit es gehen sollte.

Anonym hat gesagt…

Shalom Miriam!
Ich schrieb extra "Gäbe es nicht diesen Personenkult...". Chabad begibt meiner Meinung nach also die gleichen Fehler wie auch andere chassidischen Gruppen.

Chesed ist gut, Chesed allein reicht jedoch nicht.
Positive Erfahrungen mit Chassidim habe ich bislang wirklich nur bei Chabad gemacht. Offen, nett, teilweise lustig und wirklich motiviert. Gerade hier in Deutschland erreichen sie das, was all die Einheitsgemeinden des Zentralrats verpasst haben - sie führen die Menschen aus den GUS-Staaten zurück zum Judentum(und das dem Ewigen sei Dank ohne den Rebben-Kult).
Sehr fragwürdige Erfahrungen machte ich dagegen mit Chassidut Satmar. Ich wäre ein Ungläubiger, ein g'ttloser Zionist, schlimmer als ein Goj und als Bruder wolle man mich auf gar keinen Fall bezeichnen...Dies zum Thema Am Echad. Das erscheint mir einfach nur verschlossen, hochnäsig und weltfremd.
Zaddik-Konzept hin oder her, Personenkult ist gefährlich und kann wirklich nicht gut sein. In diesem Zusammenhang sollten wir uns vielleicht auch fragen, was einen Menschen denn nun zum Zaddik macht. Den ganzen Tag Torah und (bei Chabad) Tanja studieren erfüllt meiner Ansicht nach nicht die Ansprüche, die man an einen Zaddik stellen sollte.
Wozu haben wir denn eigentlich Torah und Mizwot? Zur Tikkun Olam. Dazu muss jeder von uns einen Teil beitragen, aber das gelingt nicht, wenn man sich vor der Welt verschließt.
Das soll kein Chassidut-Bashing werden, aber ich denke, dass das Bild, welches chassidische Gruppen von sich selbst haben vollkommen verzehrt und verblendet ist.
Ich bin selbst religiös, traditionell bis orthodox, modern-orthodox würde man das wohl nennen. Ich mag solche Einteilungen allerdings nicht, denn sie sagen absolut nichts aus. Ich bin jüdisch,religiös und ja, ich bin auch zionistisch. Warum ich das erwähne?
Weil mir grad eine Absurdität vieler vorgeblich "Frommer" in den Sinn kommt. Zum Einen propagieren sie einen militanten Antizionismus und zum Anderen leben diese Gegner des Zionismus selbst im Heiligen Land und kassieren Sozialleistungen des zionistischen Staates Israel und üben massiven Druck auf das öffentliche Leben aus. Für mich ist das eine absurde Diskrepantz zwischen Propaganda und dem vorgelebten Beispiel.

Wie gesagt, chassidische Geschichten usw. sind für mich nette Folklore, mehr nicht.
In diesem Zusammenhang könnte man sich auch mit dem Gaon von Vilna auseinandersetzen.

Gid Shabbes.

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Shavua Tov, Yitzchak,

die chassidischen Gruppen als Folklore ?:-) Koennte man so sehen, doch ich betrachte den Chassidismus als Lebenseinstellung. Einen Lebensinhalt, den ein Aussenstehender kaum so richtig mitbekommt.

Zum Geld und in Israel leben:
Gerade die Mitgliedergruppen der anti - zionistischen Edah HaCharedit akzeptieren kein Geld vom Staat Israel, sondern finanzieren sich fast ausschliesslich von privaten Spendern aus den USA. Die Edah selber wird meist von Satmar gesponsort genauso wie die Toldot Aharon und die Avraham Yitzchak. Der Dushinsky Rebbe reist genauso durch die engl. und amerik. Weltgeschichte und kappert seine Privatspender ab.

Auf FACEBOOK ist schon vor einiger Zeit ein Familienmitglied der zweitgroessten Spender der Avraham Yitzchak mit mir in Verbindung getreten und brachte einen hoechst interessanten Punkt auf, an den niemand so richtig denkt. Andererseits lese ich gerade ein Buch ueber die Chassidim in den USA (von Jerome Mintz) und da spricht der Autor die gleiche Problematik an: Inwieweit hatten die Rebbes amerikanischer Chassidim nach dem Zweiten Weltkrieg tatsaechlich noch das Sagen in ihrer Gruppe und inwieweit bestimmen die Privatspender die Politik ?

Zum "in Israel leben":
Man bezieht sich hierbei auf einen relig. Zionismus,der da besagt, dass man in Israel leben koenne, jedoch nach den Regeln der Thora. Dies stehe nicht im Widerspruch zum Leben in einem zionistischen Staat.

Zum Vilna Gaon verfasste ich vor einiger Zeit auf Hamantaschen einen riesen Artikel genauso wie in diesem Blog zum Chozeh von Lublin.

http://chassidicstories.blogspot.com/2008/03/der-merkwrdige-fall-des-sehers-chozeh.html

http://hamantaschen.blogspot.com/2007/10/der-vilna-gaon-und-sein-disput-mit-den.html

Persoenlich hat zu mir noch niemand gesagt, dass ich ein dummer Zionist sei oder so. Nur nebenbei bemerkt, Gerade Chabad ist genauso anti - zionistisch wie viele andere Gruppen auch !
Man trifft immer auf nette und weniger nette Chassidim. Genau wie in jeder anderen Gesellschaft auch, gibt es ueberall dumme Schwachkoepfe, die mit bloeden Spruechen daherkommen, aber das muss man wegstecken.:-)

Anonym hat gesagt…

"Der Ehegatte ist verpflichtet, im Haushalt mitzuhelfen"

Ist es generell nicht so, dass orthodoxe/ultra-orthodoxe Männer im Haushalt mithelfen?

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

"Generell" wuerde ich es nicht nennen. Manche Maenner helfen, andere weniger und wieder andere gar nicht.