Sonntag, 8. November 2009

Nur die Ehe macht einen zum Menschen

B"H

Da sass sie ihm nun gegenüber und wußte gar nicht so recht, warum sie sich das antat. Ihre Mutter hatte ihr vorher gesagt, sie solle nicht so egoistisch sein. Das Leben drehe sich nicht nur um sie, sondern andere Mitmenschen seien ebenso vorhanden.
Hieße das etwa, sie solle auch an den anderen Part denken, der ihr gerade gegenübersaß ?

Diese Art von Treffen waren für Rivki nichts Ungewöhnliches, war doch schon ihre Schwester so verheiratet worden. Nun war sie an der Reihe und man hatte sich im Wohnzimmer ihrer Eltern versammelt. Sie, ihr Bewerber, ihre sowie seine Eltern. Alle waren dort und schauten auf die beiden jungen Leute, die umständlich miteinander sprachen. Dem Bewerber, der Jonathan hieß, schien alles nur furchtbar peinlich zu sein. Schon allein die Art wie er niedergebeugt im Sessel saß. So als wolle er gleich unter den Tisch rutschen und völlig von der Bildfläche verschwinden. Angeschaut hatte er sie auch noch nicht.

Was für ein Depp, dachte Rivki. In den ersten Minuten habe sie ihm ja noch helfen wollen und versucht spontan und offen zu sein. Jonathan kam nicht in Gang und blieb meistens stumm, während Rivkis Mutter mit bösen Blicken um sich warf. Ihre Tochter solle sich gefälligst anständig benehmen und nicht dem Mann ins Wort fallen. Rivki verstand den warnenden Augenhinweis und schwieg. Diesen Jonathan wolle sie eh nicht. Wozu also noch die ganze Show.

Seine und ihre Eltern machten auf Konversation. "Ihr Sohn sei ja so furchtbar begabt", meinten die Eltern von Jonathan. Den ganzen Tag über lerne er und alle Rabbiner seien vollkommen von ihm eingenommen. Er habe einmal eine große Zukunft vor sich.
Rivkis Mutter reagierte unbeherrscht und fragte nach, ob das denn wirklich der Fall sei. Ohne allerdings zu erwähnen, dass Nachbarin Rochi ihr das genaue Gegenteil gesteckt hatte. "Jonathan sei zwar gelehrt, doch anscheinend kommen seine Geistesblitze nicht allzu häufig zum Vorschein. Hat halt Komplexe, der Junge".

Rivki saß gelangweilt da und die Mutter rechnete insgeheim aus, was die Hochzeit kosten täte. Wenn ein haredisches (ultra – orthod.) Mädchen einen gelehrten Thoraschüler heiratet, dann wird es immer teuer für ihre Eltern. Die nämlich übernehmen die gesamten Hochzeitskosten und wer weiß was noch. Und Jonathans Eltern waren euphorisch dabei, ihren Sohn in den höchsten Tönen anzupreisen.

Eine Stunde dauerte die Kennenlernprozedur. Rivkis Gedanken waren überall, nur nicht bei dem zerknirschten Jonathan. Seine Eltern redeten ununterbrochen und ihre schwiegen. Es war der erste Schidduch (Blind Date zwecks Heirat) in Rivkis Leben und alles ging gleich so richtig peinlich daneben. Sollte die Mutter sie hinterher überreden wollen, den Zerknirschten zu heiraten, dann würde sie gewiß mit dem Fortlaufen drohen. Zum Glück schienen ihre Eltern auch nicht gerade angetan von der Idee, die schleimigen Jonathan – Eltern in die Familie aufzunehmen.

Jonathan war der erste Treff, doch wieviele erfolgreiche werden wirklich folgen ? Partnerschaften sind keine Massenware. Ex und Hopp gibt es in ihren chassidischen Kreisen nicht. Ein ungefähr gemeinsames Lebensziel leitete den Beginn einer wunderbaren Partnerschaft ein. So konnte man sich ganz auf die Ziele konzentrieren und Liebe kommt vielleicht später auch hinzu.

Beim nächsten Mal wollte sie ihre Eltern zu mehr Aufmerksamkeit auffordern nicht einfach jedem glauben, der da sage, dieser und jener sei ein toller Typ und ein Talmid Chacham (exzellenter Thoraschüler) noch dazu.

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