Sonntag, 17. August 2008

G - ttesdienst bei Karlin – Stolin

B"H

Yeshivot (relig. Schulen) sind wegen der Sommerpause noch bis zum jüdischen Monat Elul (Anfang September) geschlossen. Dies ist die übliche relig. Routine; nach dem Fastentag Tisha Be' Av bleibt alles bis Elul geschlossen. In manchen Yeshivot nicht ganz, denn hier und da laufen spezielle Kurse weiter. Die haredische (ultra – orthod.) – litvische Jerusalemer Frauenyeshiva "Neve Yerushalaim" schließt in diesem Sommer gar nicht, sondern der Unterricht läuft regulär weiter.

Viele chassidische Rebben dagegen haben sich schon im Juli verabschiedet. Sie reisen im Ausland (USA, Belgien, Schweiz, Österreich oder in England) herum. Entweder um Ferien zu machen, Spendengelder zu sammeln oder gleich beides. Insbesondere kleinere chassidische Gruppen wie die Toldot Aharon, die Toldot Avraham Yitzchak oder Dushinksy sind auf Spendengelder angewiesen. Bei den Toldot Aharon heißt der große Spender Rebbe Aharon Teitelbaum von der Chassidut Satmar; bei den Avraham Yitzchak ist es ebenso Satmar, doch lautet der Rebbe hier Rabbi Zalman Leib Teitelbaum.

Aufgrunddessen geht es in diesen Wochen im chassidischen Bereich leider etwas ruhiger zu. Sieht man einmal von einer Hochzeit bei den Boyaner Chassidim in der kommenden Woche ab. Obwohl es aber kaum chassidische Tische gibt, geht der Synagogeng – ttesdienst wie gewohnt seinen geregelten Gang. Länger habe ich nicht berichtet, doch seit Monaten gehört bei mir die Jerusalemer Synagoge der Gruppe Karlin – Stolin zum freitagabendlichen Pflichtprogramm. Immer wenn ich in Jerusalem weile und nichts anderes vorhabe, gehe ich vor dem Schabbatessen zu Karlin – Stolin in die Yoel Street in Mea Shearim (gleich gegenüber den Satmarern des Rebben Zalman Leib Teitelbaum).

Unbedingt imposant schaut die große Synagoge der Karliner nicht gerade aus. Eher recht neu und betonklötzig. Wie üblich ist der Männereingang leicht zu finden, doch der für die Frauen ist unbeschreibbar, wenn man es nicht selber sieht. Von der Yoel führt eine winzige Seitengasse um das Gebäude herum und genau dort befindet sich der Fraueneingang. Zuerst jedoch muß man noch eine ewig lange Treppe bewältigen.

Helles Holz bestimmt die Inneneinrichtung im unteren Männerbereich. Der Aron HaKodesh (Thoraschrein) ist riesig und zieht sich über die gesamte Wand hin. Alles in dem gleichen hellen Holz gehalten und dazu mit Schnitzereien verziert. Ein Chassid ein anderen chassidischen Gruppe meinte einmal lakonisch zu mir, ob ich mir denn bei Karlin – Stolin einen Hörschutz für die Ohren mitnehmen.
Und genau das ist es, was die Karliner so einzigartig macht: ihr lautes euphorisch – ekstasisches Gebet. Man muß schon einige Male dabeisein, um den G – ttesdienstinhalt richtig mitzubekommen. Woanders werden der "Yedid Nefesh" oder "Lecha Dodi" mit verschiedenen Melodien gesungen, bei Karlin – Stolin wird alles ekstasisch herausgeschrien. Betende Männer biegen ihre Körper nach hinten und schreien in die Luft zu G – tt hinauf. Wer einmal ein richtiges chassidisches Gebet sehen will, der darf die Karliner nicht auslassen. Sie sind berühmt für ihre Art des Betens und nebenbei will ich erwähnen, dass die Karliner nicht nur aus Karlin – Stolin bestehen, sondern ebenso aus ihrer kleinen Abspaltung Karlin – Pinsk.

Schon allein wegen der einzigartigen Atmosphäre liebe ich Karlin. Am letzten Freitag war ich wieder dort und die Chassidim waren mitten im Gebet, was man schon von Weitem hören kann. Normalerweise kommt die Mehrheit der Karliner Frauen erst zum Schabbatmorgen in die Synagoge und von daher treffe ich an den Abenden am Freitag (Erev Schabbat) meist nur auf die gleichen zwei oder drei Frauen. Eine junge Amerikanerin von in Karlin New York, mit der ich schon einige Male sprach und die manchmal meine engl. Site liest. Eine weitere Karlinerin und eine etwas ältere Dame (ebenso von der Gruppe). Freitag traf ich nur auf die Dame, die ihre zwei Enkelinnen dabei hatte. Besagte Dame liebt es, wenn jemand mit ihr redet und sie beantwortet alle Fragen. Mehr als bereitwillig und noch darüber hinaus.

Nach dem G – ttesdienst kam sie zu mir und fragte, ob es nicht ein toller Karliner Bracu sei, wenn die kleinen Jungs sich am Freitag abend in der Synagoge versammeln und nach dem G – ttesdienst kleine Geschenke bekommen.

"Das ist alles kleines Spielzeug, was sie da bekommen, denn vor dem Kiddusch (Segnung des Weines vor dem Schabbatmahl) darf man ja nichts essen und somit bekommen die Kinder nichts Süßes, sondern kleines Plastikspielzeug".

Ich merkte an, dass ich den Brauch sehr originell finde und jedesmal schaue ich mir das Verteilen der kleinen Geschenke immer wieder gerne an. Kurz vor G – ttesdienstende versammeln sich die kleinen chassidischen Jungen vor dem Aron HaKodesh und warten mehr oder weniger geduldig auf das Austeilen. Einer ihrer Lehrer teilt dann das Plastikspielzeug a la Überraschungsei (oder auch etwas mehr) aus. Die Karliner Mädels bekommen ihre Geschenke beim Morgeng – ttesdienst am nächsten Tag.

Eifrig erklärte mir die ältere Dame den Brauch und ich überlegte schon, ob ich nicht anmerken solle, dass auch bei anderen chassidischen Gruppen dieser Brauch durchaus üblich ist. Ich ließ es dann aber lieber. Zum Schluß meinte die Dame, dass das ja überhaupt alles durch Spendengelder finanziert sei. "Es gibt Leute, die geben extra Geld dafür", meinte sie stolz.

Äh, war das jetzt nur eine Bemerkung oder eine Anspielung ?

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