Sonntag, 26. April 2009
"Botte" in Vishnitz
Vishnitzer Chassidim in Bnei Brak
B"H
Fast zum Thema Nr. 1 in den israelisch - haredischen Foren gehört einer der drei derzeitigen Bnei Braker Rebben der Chassidut Vishnitz: Rabbi Israel Hager. Rebbe Israels Vater ist schon vor längerer Zeit an Alzheimer erkrankt und seine beiden Söhne, Rabbi Menachem Mendel sowie Rabbi Israel, streiten um die Nachfolge. Aufgrund des Streites ist Vishnitz in Bnei Brak in zwei Gruppen gespalten und nun wird auch noch behauptet, dass ca. 30 Chassidim in das Lager des Rebbe Menachem Mendel übergelaufen seinen.
Wahr oder nicht, zumindest läuft es der "Botte" (chassidischer Vishnitz Tisch) vom Freitag abend den Rang ab.
Um 23.00 Uhr machte ich mich auf den Weg zum Tish des Vishnitzer Rebbe Israel Hager. Eigentlich dachte ich, dass ich spät dran sei und das wiederum bedeutet jedesmal kaum noch einen Platz zu finden, geschweige denn einen Stehplatz von dem man auch gut Ausschau auf das Geschehen halten kann. Kurz nach Tischbeginn ist auch die Ezrat Nashim (Frauenempore) immer gut besucht und Rebbe Israel kommt schließlich nicht alle Tage nach Jerusalem.
Schon die Nebenstrassen der Malchei Israel in Ge'ulah (Jerusalem) waren voll Vishnitzer Chassidim. Die Mehrheit von ihnen trug einen schwarzen glänzenden Kaftan (Bekishe), den traditionellen Streimel (Pelzmütze) und dazu weisse Socken. Die weissen Socken werden von den Vishnitzern nur am Schabbat oder an Feiertagen getragen.
Der Tisch (Botte) sollte in einem Synagoge gegenüber der großen Ruzhin - Boyan Synagoge stattfinden und durch das Eingangstor in den Innenhof stürmten unzählige Chassidim. Eine Frau deutete mit dem Finger auf ein Plakat an der Wand, welches den Weg zur Frauenempore auswies. Immer dem Pfeil nach und zur anderen Seite des Gebäudes.
In chassidischen Kreisen (außer einige Breslover - oder Chabadsynagogen) gibt es getrennte Synagogeneingänge für Männer und Frauen.
Die Chassidim befanden sich außerhalb des Gebäudes in einem zeltähnlichen Gebilde und wir weiblichen Wesen standen an den Fenstern des Innengebäudes und schauten nach draußen.
Die provisorische Ezrat Nashim (Frauenempore) bestand eigentlich nur aus einem langen Korridor, dessen Fenster nach draußen gerichtet waren und, wie könnte es auch anders sein, waren die Fensterplätze schon alle belegt.
Gleich zu Beginn des Korridores führten einige Stufen hinab, auf die ich mich stellte und einen überwältigen Überblick bekam. Hunderte Chassidim standen im Erdgeschoß auf den eigens aufgestellten Metalltribünen. Ein riesiger Tisch war in der Mitte der zwei Tribünengestelle aufgebaut und an ihm sassen die älteren Chassidim. Zwischen Tisch und Tribünen gab es weisse Plastikstühle.
Die Mehrheit der Chassidim jedoch versuchte auf die Metallgestelle zu klettern. Immer, wenn jemand Neues in die Reihe drängte, bewegte sich die gesamte Reihe der Chassidim auf und ab, so vollgepackt und eng war alles. Ein paar Teenager schleppten einen Tisch an, auf dem sie stehen und so das Geschehen mitverfolgen wollten. Aber viel war damit nicht, denn sobald sie den Tisch niederstellten, sprangen schon andere drauf. Ein Junge kam mit einem Stuhl, stellte diesen auf den Tisch und erklomm beides. Ein älterer Chassid stand auf dem Tisch in der Mitte und kommandierte lautstark auf Jiddisch herum, man solle doch bloß aufrücken.
Ein Rockkonzert ist nichts gegen den Besuch eines chassidischen Rebben ! Ich kenne die Familie Hager nicht, doch an dem Abend war Rebbe Israel der Superstar in Jerusalem. Doch er hingegen kam traf relativ spät ein. Gegen 23.20 Uhr und in der Zwischenzeit quetschte sich neben mich eine Frau mit ihren zwei Töchtern Gitty und Liby. Hinzu kam eine weitere Frau, die sich über mich lehnte, um einige Blicke zu erhaschen. Gitty stand auf meinem Fuß und die Perücke (Jiddisch: Scheitel) ihrer Mutter, war fast in meinem Gesicht. Dann trat der Rebbe ein und nahm auf seinem extra aufgestellten Stuhl, eine Art Thron, Platz. Rebbe Israel sass so ziemlich unter uns und wir konnten alles bestens sehen. Er schlug mit seiner linken Hand auf den Tisch und leitete so die Gesänge der Chassidim ein. Unzählige Leute hatten mir stets berichtet, dass Vishnitz so wunderbare Lieder habe. Naja, ich war jedenfalls davon nicht allzu begeistert, muss aber zugeben, dass ich nur ca. 35 Minuten anwesend war.
Immer mehr Besucher traten ein und Gitty stand nach wie vor auf meinem Fuß. Nach einigen Liedern ging ich, denn ich brauchte dringend Platz, um meine Glieder auszustrecken. Die Männer im Erdgeschoß waren allerdings noch schlimmer eingequetscht als oben die Frauen.
Jedenfalls war es großartig Hunderte Chassidim beim Tisch zu erblicken. Es war geradezu überwältigend und niemand kann behaupten, dass keine Spiritualität vorhanden war. Außer dem Gedrängel und einem plattgetretenen Fuß.
Beim nächsten Mal allerdings will ich den Tisch in der Synagoge von Bnei Brak miterleben, denn die soll riesig sein und es gebe zwei Stockwerke allein nur für die Frauen. Mehr Platz also und keine Perücke im Gesicht.
Sitzend: Rebbe Moshe Yehoshua Hager und sein Sohn Rabbi Israel (links stehend im Bild).
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