Dienstag, 29. April 2008

Die kontroverse Unantastbarkeit

B"H

Mir ist durchaus bewußt, dass ich mich mit diesem Artikel auf brüchiges Eis begebe und aufpassen muß, dass man mich nicht falsch versteht oder falsch verstehen will. Falsch verstehen will eben deswegen, weil diverse rechte Gruppierungen sowie Holocaust - Leugner meine Argumente für ihre kranke und absurde Propaganda ausschlachten könnten. Aber dieser Gefahr läuft man überall, denn heutzutage kann einem jeder das Wort im Munde umdrehen.

Am morgigen Mittwoch abend beginnt in Israel der Holocaust - Gedenktag "Yom HaSchoah" und wird bis Donnerstag abend mit vielen Trauer - und Gedenkveranstaltungen begangen. Holocaust - Überlebende kommen ohne Ende zu Wort und das 2. staatliche Fernsehen plant einen umstrittenen Dokumentarfilm auszustrahlen. Es geht um die Geldernutzung der Holocaust - Opfer, aber das soll an dieser Stelle nicht mein Thema sein.

Vielmehr will ich mich seit langem mit einem ganz besonderen Thema beschäftigen, finde aber so gut wie nie die Zeit dazu. Das Thema existiert und es gibt einige, wenn auch wenige, Veröffentlichungen dazu. Sich schnelllebig damit auseinanderzusetzen, bringt nichts, denn das Thema ist kompakt und erfordert viel Research.Und ich gebe zu, dass ich es dazu noch nicht geschafft habe. Was ich zumindest tat war, mich mit einigen Chassidim der Gruppen Belz und Gur über die Problematik zu unterhalten.

Egal wo, wenn es um Holocaust - Darstellungen und die Opfer geht, stehen die Chassidim in den meisten Fällen weit hinten an. Selbst bei Marcel Reich - Ranicki, der sich ihnen gegenüber ablehnend in der Autobiographie äußerte. Er, Ranicki, sei im Warschauer Ghetto immer darauf bedacht gewesen, sich westlich zu kleiden und somit einen gewissen "zivilisierten" Eindruck zu machen.

Die Chassidim selber haben wie kaum eine andere jüdische Gruppe immens unter dem Holocaust gelitten। Immerhin ging es bei ihnen auch um den Erhalt der eigenen chassidischen Gruppe. Viele von ihnen wie Belz, Vishnitz, Satmar, Zanz - Klausenburg oder Bobov (um nur einige wenige Beispiele zu nennen) schafften dies nur mit Mühe und Not. Aber gerade innerhalb der Chassidut tut sich noch eine zweite Problematik auf, die seitens der Chassidim zwar bekannt ist, doch nur in seltenen Fällen oder gar nicht diskutiert wird. Dagegen findet man auf mehr oder weniger jüd. - relig. Websites mehr Anschuldigungen. Ob diese Anschuldigungen tatsächlich so der Wahrheit entsprechen, entzieht sich meiner Kenntnis. In dem Wust von widersprüchlichen Aussagen konkrete Hinweise zu finden, ist für den oberflächlichen Betrachter kaum mehr möglich.

Bei der Problematik geht es um das Verhalten einiger chassidischer Rebben im Holocaust. Inwieweit haben sie ihre Chassidim wirklich gewarnt oder ihnen gar befohlen, Europa zu verlassen ? Im Internet wird der einstige Belzer Rebbe, Rabbi Aharon Rokeach, beschuldigt, seinen Chassidim gesagt zu haben, dass sie Europa nicht verlassen sollen. Aber da ich mich derzeit ausgiebig mit Rebbe Aharon Rokeach und seiner Flucht vor der Gestapo / SS befasse, weigere ich mich oft, diese Anschuldigung zu glauben. Hat nicht gerade der damalige Belzer Rebbe unendlich unter den Nazis gelitten ? Verlor er nicht seinen Sohn, Rabbi Moshe Rokeach, als die Nazis eine Synagoge anzündeten und alle (auch ihn) anwesenden Chassidim in die Flammen zwangen ?
Und verlor er nicht seinen jüngeren Bruder Rabbi Shalom von Opatov (Apta) als sich dieser im Wald versteckte und letztendlich verhungerte ? In wahrlich letzter Minute war es den Belzer gelungen, den Rebben aus Europa nach Palästina zu schmuggeln und somit die Chassidut Belz am Leben zu erhalten.
Zur Erläuterung: Bei Kriegsausbruch lag das Städtchen Belz in Polen, heute gehört es zur Ukraine.

Der damalige Rebbe der Chassidut Gur (Polen) hatte es einfacher, denn er konnte sich problemlos rechtzeitig nach Palästina absetzen. Die Chassidut Gur war damals schon ein Begriff und ihr Rebbe eine bekannte Persönlichkeit. Anders hingegen bei der Chassidut Satmar (Rumänien), die zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges über fiel weniger Einfluß verfügte. Und so fand sich der im Jahre 1979 verstorbene Rebbe Yoel Teitelbaum in einem Arbeitslager wieder. Zumindest bis zu seinem Freilassung und Abreise in die sichere Schweiz.

Inwieweit haben einige chassidische Rebben ihre Chassidim im Stich gelassen oder ihnen verkündet, Europa nicht zu verlassen ? Ein schwer verdauliches Thema. Einige Gerer Chassidim (Gur) erzählten mir, dass heutzutage die Chassidut Gur fast nur aus Newcomern nach dem Kriege bestehe. Die alten originalen Gerer seien fast alle im Holocaust umgekommen. Insgesamt verlor die Chassidut Gur mehr als 100.000 Anhänger.

Aber sehen die Chassidim selber das Entkommen des Rebbe als "im Stich lassen" oder nicht eher als lebenswichtigen Faktor zum Erhalt der eigenen Gruppe ? Letzteres spielt mit Sicherheit eine entscheidene Rolle und meines Wissens nach sind Zweifel, Beschuldigungen oder dergleichen innerhalb den einzelnen chassidischen Gruppe absolut nicht an der Tagesordnung. Heute nicht und zu Zeiten des Holocaustes genauso wenig.
Aber unterscheiden sich die Chassidim so sehr von anderen europäischen und insbesondere deutschen Juden der damaligen Zeit ? Glaubten nicht gerade die deutschen Juden an einen schnell vorübergehenden Nazi - Spuk, den man schon irgendwie überstehe ? Und als es dann wirklich ums Überleben ging, jegliche Ausreisemöglichkeit schon zu spät war.

Wenn einige chassidische Rebben ihren Chassidim tatsächlich von einer Flucht abrieten, dann basieren die Gründe vorwiegend auf kabbalistischen Konzepten.
Und war es für die Rebben so einfach, abzureisen und die Chassidim zurückzulassen. Ehrlich gesagt, bin ich nur allzu froh, nicht diese Entscheidungen gefällt haben zu müssen.

Es gibt immer mehrere Seiten im Leben und auf der einen Seite finden wir hier jene Rebben, welche die Existenz der Gruppe sicherstellen wollten und ins Ausland abreisten und es gibt andere, die zusammen mit ihren Chassidim in den Tod gingen. Man stelle sich einmal ernsthaft die Frage, welche Alternative besser ist.
Und dann kommt man zu der Antwort, dass es keine Antwort gibt.


In einem weiteren kontroversen Artikel werde ich mich mit der Ansicht der anti - zionistischen Dachorganisation "Edah HaCharedit" sowie deren Holocaust - Theorien etwas näher befassen !!!

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