Sonntag, 27. April 2008

Haredim (Ultra - Orthod.) und die Jüdische Geschichte

B"H

Genau genommen betrifft dieser Artikel nicht nur Haredim aller Art (livisch oder chassidisch), sondern genauso viele Nationalreligiöse. Niemand sollte sich also ausgeschlossen fühlen, sondern alle sind angesprochen.

Was mir immer wieder auffällt ist, dass in den heutigen relig. Schulen vieles gelehrt wird, nur eines nicht: Jüdische Geschichte.

Da werden sämtliche Talmudtraktate und Thoraparagraphen auswendig gelernt, aber wenn die Geschichte zur Sprache kommt, müssen viele passen. Zwar geht es im Talmud selbst viel um Geschichte, doch die richtige Historie wer gegen wen und wann bleibt oftmals im Dunkeln oder ist nicht bis ins Detail erwähnt. Auch fehlen viele welthistorische Zusammenhänge und nicht alle politischen Intrigen finden Erwähnung.

Aber nicht nur die Jüdische Geschichte von vor über 2000 Jahren und weit davor wird ausgelassen. Nach der Zerstörung des Zweiten Tempels hakt es komplett. Die wichtigen talmudischen Schulen in Babylon und Israel werden zwar ausgiebig genannt, doch fehlen die späteren Ereignisse, die zu einer Fastauslöschung der "Reish Galuta - Die Nachfolger aus dem Hause Davids" führte. Ebenso wenig findet ein gewisser Bustenai Erwähnung, der sozusagen der letzte aus dem Hause Davids war und in Babylon eine Nichtjüdin heiratete. Die Kinder wurden jedoch von führenden Rabbinern als Juden anerkannt, denn man wollte das Hause David nicht sang und klanglos untergehen lassen.

Aber wir brauchen nicht zu weit nach Babylon ausweichen. Wer von den Yeshiva - Studenten lernt schon noch die Geschichte der Hellenistischen Juden sowie die Ereignisse, welche zur Zweiten Tempelzerstörung führten. Und später ? Wie weit reichte der moslemische Einfluß auf das Judentum ? Übernahmen nicht gerade die spanischen Juden viel von den moslemischen Landsleuten ?
Einen kleinen Einblick hierzu gibt das Buch "Der Kuzari - Al Khazari" von Rabbi Yehudah HaLevi (1075 - 1141). Nicht selten ließ der Autor viele arabische Konzepte mit einfliessen. Und das Arabische war zur damaligen Zeit die Landessprache Spaniens und somit auch der dort ansäßigen Juden.

Inwieweit beeinflussten Philosophen und selbst das Christentum das Judentum ?

Wird nicht gerade dem berühmten spanischen mittelalterlichen Kabbalisten Rabbi Avraham Abulafia ein allzu enger Kontakt mit christlichen Mönchen nachgesagt ? Ein breites Themengebiet, auf das ich irgendwann in der Zukunft noch ausführlich einzugehen plane.
Bis heute weigern sich nicht wenige Juden, die Schriften und die Kabbalah des Rabbi Abulafia zu lernen. Eben aufgrund des Verdachtes einiger christlicher Einflüsse. Ob zu recht oder zu unrecht, sei vorerst dahingestellt. Aber ist es nicht dennoch wichtig, sich vor allem mit der eigenen Jüdischen Geschichte eingehend zu befassen ? Nicht, dass wir daraus lernen sollten, uns nicht mit externen Konzepten zu befassen, aber vielmehr um zu in Erfahrung zu bringen, was wirklich jüdisch ist und falls nicht, welche Wurzeln es tatsächlich hat. Ein Bekannter von mir, ein Vishnitzer Chassid, schreibt sogar an einem Buch zum Thema der philosophischen Einflüsse auf das Judentum. Nicht, dass er der Erste dieser Art wäre, denn die großen mittelalterlichen Rabbiner wie Maimonides (Rambam) oder Nachmanides (Ramban) waren, unter anderem, bekannte ambitionierte Philosophen.

Leider ist heutzutage die Wissenschaft aus den Yeshivot fast ganz verschwunden. Anstatt die Groß - und Einzigartigkeit von G - ttes Kreationen anhand von Fallbeispielen zu studieren, werden Talmudtraktate auf und ab heruntergerasselt. Wenn der Rambam in eine heutige Yeshiva treten täte, dann würde ihn sicherlich der Schlag treffen. Aus den einstigen Rabbiner mit wissenschaftlichen Kenntnisse wurden Rabbiner, die es für relevanter halten, ihre privaten Kleinkriege auszuleben oder festzulegen, wo genau die Mechitzah (Trennwand zwischen Frauen und Männern) in einem Bus installiert werden soll.

Ich habe keine Ahnung, wie man Yeshivot davon überzeugen soll, ihren Lehrplan zu erweitern und jedem Studenten wenigstens eine gehörige Portion Jüdische Geschichte zu vermitteln. Andererseits kann ich mir manchmal nicht erklären, warum die Studenten nicht von sich aus nachfragen oder ein Buch zur Hand nehmen. Ist es einfach nur Desinteresse, das nicht zu Hinterfragen wissen oder das Nichtanzweifeln der Entscheidungen eines Rabbiners / Lehrers ?

Kann sein, dass gerade ich so denke, da das Fach Geschichte mich immer interessiert hat und ich zu jedem Thema unzählige Bücher las. Meiner Meinung kann kein Talmudstudium ohne Jüdische Geschichtskenntnisse über die Zeit, Land und Leute stattfinden. Und mit meiner Meinung stehe ich da nicht allein, denn viele männliche Haredim stimmten mit mir in dem Punkt mehr als nur überein.

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