Sonntag, 22. März 2009
"Abhängigkeiten chassidischer Gruppen", Teil 1 - Satmar
Der einstige Satmerer Rebbe Yoel Teitelbaum (verstorben 1979).
B"H
Der Satmarer Rebbe Yoel Teitelbaum überlebte den Holocaust nur, weil sein Name auf der Liste des Kasztner Transportes zu finden war. Zusammen mit ihm wurden 1368 Personen gerettet und in die Schweiz gefahren.
Die überwiegende Mehrheit der chassidischen Bevölkerung Ost - und Zentraleuropas kam im Holocaust ums Leben. Im März 1944 marschierte die Wehrmacht in Ungarn ein. Zu dem Zeitpunkt lebten 450,000 Juden im Land, von denen 70% deportiert und von den Deutschen umgebracht wurden. Drei Millionen Juden (90% der polnischen Juden) kamen im Holocaust ums Leben. Weniger als 300,000 polnische Juden überlebten den Krieg.
Rabbi Teitelbaum erreichte New York im Jahre 1947. Zu der Zeit war er immerhin schon 61 Jahre alt, was jedoch seinem Eifer, eine neue Gemeinde in den USA aufzubauen, nicht bremste. Jene Chassidim, die nach dem Krieg von Europa nach New York kamen, sahen ihr gemeinsames Ziel im Wiederaufbau der chassidischen Welt. Und zwar so, wie es vor dem Zweiten Weltkrieg einmal war. Gab es da eine Zeit der Trauer für die umgekommenen Freunde und Familienmitglieder?
Ganz allmählich wurde neue Gemeinde aufgebaut; einschließlich Mikwaot (Ritualbäder), Synagogen, Yeshivot (relig. Schulen) und sogar die Kleiderordnung wurde geändert. Die osteuropäischen Juden brachten ihre Kaftane sowie ihre eigene Mode mit in die Staaten. Lange Bärte und Schatnez - Institute. Alles wie in der alten Heimat.
Aber die "neue Welt" brachte auch viele neue Herausforderungen mit sich. In New York, zum Beispiel, kann sich niemand der Gesellschaft entziehen und absolut isoliert leben. Man ist gezwungen, mit der Gesellschaft zu gehen und mit anderen, auch Nichtjuden, zu verkehren. Mit säkuleren Juden auskommen wie sich mit staatlich - weltlichen Belangen zu befassen (Arbeitslosigkeit, Gesundheitswesen, Soziales oder Wohnungssuche). Dazu musste die Führungsebene auf einen neuen Level bewegt werden, denn Rebbe Yoel Teitelbaum war fromm und ihm waren weltliche moderne Angelegenheiten teilweise fremd. Hinzu kamen die englische Sprache und eine fremde Mentalität. Deswegen ernannte der Rebbe Rabbi Lipa Friedman, einen früheren Bankdirektor aus der Tschechei zum Gemeindeoberhaupt. Von 1948 - 1972 managte Rabbi Friedman das Satmarer Gericht.
Wie sollten Chassidim einen Job in New York finden ? In einer modernen Welt mit Radio und Fernsehen. Mit Kinos und in einer Welt, in der die englische Sprache dominiert. Die Chassidim waren der neuen Sprache kaum mächtig und besassen selten eine weltliche Bildung. Daher arbeitete die Mehrheit von ihnen als Lehrer in den eigenen Einrichtungen, als Kaschrut - Aufseher (koscheres Essen), als Schneider oder Elektriker. Im Jahre 1966 begann der Satmarer Chassid Irving Goldstein seine Karriere, indem er seinen ersten Photoladen eröffnete. Der Laden wuchs und wuchs und bald wurde Goldstein wohlhabend und gab anderen Chassidim Arbeit und Brot.
Rebbe Teitelbaum und andere Rabbiner um ihn herum widmeten sich dem Thorastudium und Gebet. Bis dahin waren sie nie mit Angelegenheiten wie Jobsuche, dem Organisieren von Krediten und Spenden, Verhandlungen mit der Regierung (Senatoren), etc. konfrontiert worden. Natürlich hatte der Satmarer Rebbe zu diesem Zweck Rabbi Lipman zum Mittelsmann erhoben, doch die finanzielle Unterstützung für eine chassidische Gruppe musste ja von irgendwoher kommen. Nach dem Kriege hatten die Gruppen sämtliche Mittel verloren und waren blank. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Eine neue Gemeinde aufzubauen verschlingt Unsummen von Geldern und da die Chassidim selber nicht viel hatten, griff man auf private Spender zurück. Bis heute jedoch meist auf Juden, die auch den Schabbat einhalten und nicht einfach irgendjemanden. Dieses Verfahren schafft natürlich Abhängigkeiten von den reichen Spendern und da fragt man sich automatisch, inwieweit ein wohlhabender Spender die Chassidut selber beeinflussen kann.
Nehmen wir einmal an, da sei ein reicher Geldgeber, der zwar nicht religiös ist, doch aufgrund seiner immensen Spenden eine wichtige Position in der jeweiligen chassidischen Gruppe beansprucht.
Ist dann der Rebbe nach wie vor in der Lage, allein zu bestimmen ? Wer führt in solch einem Falle die Gruppe ? Der Rebbe (und ich rede hier von allen Gruppen und nicht nur allein von Satmar) oder der Geldgeber, der eigentlich gar kein Teil der Gruppe ist ? Ein Rabbiner ist er auch nicht, sondern größtenteils Geschäftsmann.
Hält demnach ein chassidischer Rebbe immer noch seine Position inne oder machte er sich zur Marionette des Geldgebers ?
Ohne Spenden wären die meisten chassidischen Gruppen heutzutage aufgeschmissen.
Vor dem Holocaust war der Rebbe ALLES innnerhalb der Gruppe. Nach dem Krieg änderte sich so einiges und viele andere Leute wurden immer mächtiger. Wie abhängig bzw. unabhängig kann da ein Rebbe noch sein ?
Neulich hatte ich auf FACEBOOK eine Diskuussion darüber mit einem Familienmitglied einer wohlhabenden Spenderfamilie. Es war höchst aufregend muss ich sagen und je mehr ich über das Thema nachdachte, desto mehr Komplikationen stellten sich ein. Die Realität ist doch, dass niemand den wahren Einfluß anderer auf die Gruppe richtig definieren kann und da frage ich mich, ob die Gruppenmitglieder selbst wissen, was vor sich geht.
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Quelle:
"Hasidic People" von Jerome R. Mintz
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