Dienstag, 19. Februar 2008

Tote Hose

B"H

Es gibt nichts Schlimmeres für mich als eine chassidische Gruppe ohne Rebben wie Chabad oder Breslov. Das ist irgendwie wie toter Fisch. Vieles mag sich bewegen, aber immer bleibt ein bitterer Nachgeschmack, dass da ja eigentlich etwas fehlt.

Der letzte Lubawitscher Rebbe, Rabbi Menachem Mendel Schneerson, verstarb am 12. Juni 1994 in Crown Heights / New York. Der Rebbe war nach seinem Schlaganfall im Frühsommer 1992 kaum noch present gewesen und die Chassidim hatten sich an seinen Zustand gewöhnt.

Der Breslover Rabbi, Rabbi Nachman von Breslov, war der erste und einzige Rebbe der chassidischen Gruppe. Er verstarb im Jahre 1810 und seither ist die Gruppe führungslos. Niemand traute sich, die Position zu übernehmen.

Seither behielt Breslov zwar weitgehend seine Inhalte, Dank des Buches von Rabbi Nachman "Likutei Moharan", doch immer mehr Chassidim entfernten sich und bildeten Richtungen mit eigenen Inhalten. Breslov heute heißt viele Spaltungen.
Viele Male fragte ich eine Kollegin, die der Chassidut Breslov angehört, was ein Breslover am Schabbat macht ? Was macht ihr, wenn alle anderen Chassidim in der Nachbarschaft zu ihrem Rebben und dessen Tisch gehen ? "Wir bleiben daheim und machen unseren privaten Familientisch", so lautet immer die Antwort.
Aber auch das ist vielen Breslover manchmal zu langweilig und man sichtet sie oft bei anderen chassidischen Gruppen und deren Tisch.

Bei Chabad ist dies genauso. Die heutigen Lubawitscher unterteilen sich seit dem Tod des letzten Rebben in zwei Gruppen auf:
1. Die Meschichisten ( glauben, dass der Rebbe der Meschiach ist)
und
2. alle anderen.

Die einen können die anderen nicht ausstehen und jeder meint, er sei wichtiger.

Wer hält bei Chabad die Führungsposition inne ?
Anscheinend niemand so recht und jeder kocht sein eigenes Süppchen im Namen des Rebben.

Im Gegensatz zu Breslov unterhält Chabad einen Brauch, der intern "Farbrengen - verbringen" heißt. Ein Farbrengen ist ein Tisch, nur ohne einen Rebben. Man sitzt zusammen mit einem Chabad - Rabbi, trinkt, ißt, singt und erzählt Stories vom Rebben. Alles ganz nett, doch gegen einen richtigen chassidischen Tisch ist ein Farbrengen gar nichts.

Persönlich ziehe ich eine klare Linie in einer Gruppe vor. Ein Rebbe, der bestimmt, wo es langgeht und der die Gruppe am Leben erhält. Was soll ich mit einem toten Glauben und wo niemand mehr durchsteigt ?

Der Rebbe ist etwas Lebendiges in der Chassidut und gehört zu seinen Chassidim. Chabad hat eine wichtige Chance verpasst, einen neuen Rebben zu ernennen. Nachdem Rabbi Menachem Mendel Schneerson im Jahre 1951 das Ruder übernahm, verstand er es glänzend, die Kinder seiner Vorgängers und Schwiegervaters, Rabbi Yosef Yitzchak Schneersohn, aus dem Wege zu räumen und durch beispiellose Taktiken und Maneuver einen eigenen Personenkult ohnesgleichen aufzufahren. Nur hatte er dabei nicht bedacht, dass mit ihm auch das Ende bevorsteht. Es sei denn, er war von sich überzeugt, der Meschiach zu sein. Aber das mag unmöglich gewesen zu sein. Außerdem hatte er selber viele Jahre seinen Vorgänger als Meschiach propagandiert. Wie kann er da Meschiach sein ?

Eine chassidische Gruppe mit einem lebenden, gelehrten und charismatischem Rebben ist mir allemal lieber als Illusionen und Kulte. Breslov hingegen hat seinen wahren inneren Kern beibehalten und mit ihren Mitglieder aus Mea Shearim, sowie dem neuen Movement der Neureligiösen unter Rabbi Shalom Arush und Rabbi Eliezer Berland, einen guten Fang gemacht.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Miriam - Du schreibst, der Lubawitscher Rebbe habe die "Kinder seines Vorgängers aus dem Weg geräumt".

Nun ja, wie ich schon bemerkt habe, hast Du nicht wirklich Ahnung bei Deiner Schreibe über Chabad. Also kurz gefasst: Rabbi Josef Jizchak (Rebbe #6) hatte keine Kinder, die als Rebbe in Frage gekommen wären – er hatte nämlich 3 Töchter. Die jüngste Tochter wurde mit ihrem Mann im KZ umgebracht. Die älteste Tochter heiratete R. Schmaryahu Gourary, der die Schoa überlebte und in Brooklyn Rosch Jeschiwa wurde. Er wollte nach dem Tod seines Schwiegervaters Rebbe werden und hatte auch die Unterstützung der frierdikken Rebbezin, aber keinen Zulauf seitens der Chassidim.

Die zweitälteste Tochter, Chaya Moussia, heiratete ihren Verwandten Menachem Mendel Schneerson, der zur ersten Jahrzeit des Schwiegervaters von den Chassidim zum neuen Lubawitscher Rebben ernannt wurde.

Anonym hat gesagt…

Du schreibst, ein Farbrengen in Chabad finde ohne Rebben statt. Das ist nur bedingt richtig – der Rebbe hat (ebenso wie die vorhergehenden Lubawitscher Rebbes) jahrzehntelang zumindest jeden Schabbat ein Farbrengen mit seinen Chassidim veranstaltet. Da wurde gesungen, L'Chaim gesagt und der Rebbe hat Tora gesagt. Aber - da hast Du recht – im Unterschied zu einem Tisch kann ein Farbrengen auch ohne Rebben stattfinden, indem einfach Chassidim zusammen sitzen.

Und – bevor Du wieder eines Deiner geistreichen Witzchen anbringst: Heute gibt es keine Farbrengens mit dem Rebben mehr. Der Rebbe ist tot.

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Hallo Bruno,

bevor Du fragst, woher ich die Infos habe:

Vom Buch "Der Messiah aus Brooklyn", dessen Autor relig. ist und der sehr gute Recherche geleistet hat.

Vorab soviel, nicht immer ist bei Lubavitch alles perfekt abgelaufen und es ist allgemein bekannt, dass es Gerangel um die Rebbe - Nachfolge gab. Das gibt es bei vielen Gruppen, aber dort wird es heutzutage anders geloest, denn man spaltet sich. Das scheint derzeit voellig IN zu sein.

Meiner Meinung nach haette Chabad einen Nachfolger ernennen muessen und wenn es eine charismatische Person waere, dann koennten sie wieder eine Linie finden und sich nicht des oefteren laecherlich machen. Zu Zeiten des Yosef Yitzchak Schneersohn waren sie noch etwas, aber nachher ging es recht bergab.

Zu Deinen Angaben:
Die Witwe des Yosef Yitzchak wollte davka Shemaryahu Gourary als Nachfolger und nicht R. Menachem Mendel.

Wer weiss, vielleicht waere es ja eine bessere Loesung gewesen.
Keinen Zulauf der Chassidim ?
Das ist richtig, denn R. Menachem Mendel hatte noch waehrend der Zeiten des Yosef Yitzchak die Chassidim hinter sich gebracht. Unter anderem, weil er fuer die Erziehung verantwortlich war.

Natuerlich gab es zu Zeiten des letzten Rebben den Fargbrengen noch mit ihm. Das ist gar keine Frage.

Uebrigens habe ich an vielen Farbrengen teilgenommen und jene in der Tzemach Tzedek Synagoge im Jerusalemer Cardo sind sehr bekannt.

Seitdem ich jedoch die Tische anderer Rebben besuche, bin ich voll davon eingenommen. Niemals habe ich solche eine Atmosphaere gesehen.:-)

Zu guten und nicht nur negativen Infos empfehle ich Dir einmal in die Jerusalemer Nationalbibliothek in Givat Ram zu gehen. Dort gibt es unzaehlige Doktorate zum Thema Chabad. Unter anderem viele glaubwuerdige und vortreffliche Doktorate der Bar Ilan University.

Dazu "The Messiah of Brooklyn" von Avrum Ehrlich.

Weitere Infos auch zum Krach mit Rabbi Schach gibt es in "The Haredim" von Amnon Levy. Dort findet Du auch, was der Lubavitscher Rebbe Rav Schach nannte.

Schabbat Schalom

Anonym hat gesagt…

"Die Haredim" von Amnon Levy ist ein völlig säkulares Buch; und was er dort über die charedische Welt (inkl. Chabad) erzählt, ist mit einer doppelten Prise Vorsicht zu genießen.

Zu den Farbrengen: Du warst bei vielen Farbrengens vom Rebben? In welchen Jahren?

Die Farbrengens vom Lubawitscher Rebben mit denen in der Zemach-Zedek-Synagoge zu vergleichen ist wie ein Vergleich zwischen einem Live-Konzert von Pink Floyd und dem Nachspielen eines Songs im eigenen Schlafzimmer mit Luftgitarre.

Und bezüglich Nachfolge von Rabbi Schneerson: Ja, auch Chabad hätte gerne Kandidaten für die Nachfolge gehabt. In ein paar Parallel-Dynastien gespalten war ja Chabad schon einmal – damals, als die Söhne des Zemach Zedek ihre eigenen Strömungen gründeten. Aber wenn es keinen geeigneten Nachfolger gibt (siehe Rabbi Schneerson, siehe Rabbi Nachman von Breslov), ist es besser, man gibt das ehrlich zu – als man stellt einen Kartoffelsack nach vorne und bezeichnet den dann als "Rebben".

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

"The Haredim" ist ein sekulaeres Buch von einem israel. sekulaeren Journalisten fuer sekulaere Leser.

Trotzdem gibt Amnon Levy die Inhalte richtig wieder. Jedenfalls habe ich noch keine grossen Fehler entdeckt. Immerhin hat es ihn vier Jahre gekostet, um ueberhaupt in die Gesellschaft zu kommen.
Die Jahresangabe ist mir immer unverstaendlich, denn ich komme irgendwo hin und rede mit den Leuten. Aber zu dem Thema habe ich eine Menge zu sagen und schreibe naechste Woche mehr.

Den letzten Lubavitscher Rebben habe ich nie getroffen, nur Leute, die ihn trafen. Stolz zeigten sie mir immer ihren "Dollar".:-)

Die Farbrengen sind nicht mehr das und es kommt immer drauf an, wer sie gerade leitet. Oft ist Rabbi Adin Steinsaltz im Zemach Zedek.
In Safed habe ich schon einige Frabrengen und Pessach - Sedern bei Chabad mitgemacht. Aber immer bei Shlichim aus den USA und da war das auch nicht viel.

Es muss doch bei Chabad irgendjemanden gegeben haben, der die Position haette ausfuellen koennen. Sie haetten ja abstimmen koennen wie Toldot Aharon.

Aber anscheinend gab es derzeit schon zuviele Fraktionen. Der Rebbe haette rechtzeitig jemanden bestimmen und einfuehren sollen.