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Sobald sich eine chassidische Gruppe spaltet, gleicht dies immer einer Tragödie. Plötzlich streiten sich die Hinterbliebenen eines verstorbenen Rebben (meistens zwei Söhne) um die Nachfolge. Der eine Sohn will nicht akzeptieren, dass sein Bruder der neue Rebbe der Gruppe wird. Besonders heute ist die Position eines Rebben ebenso mit Macht verbunden und leider meinen viele Menschen, dass gerade sie die Fähigkeiten für diese neue Position mitbringen und nicht ein anderer.
Aber ich hörte auch andere Ansichten. So manche chassidische Gruppe mag sogar von einer Spaltung profitieren. Es kann sein, dass ein vollkommen neuer Rebbe sowie eine gänzlich neue Einrichtung vielen Mitgliedern hilft, sich neu zu orientieren und neue Ziele zu entwickeln.
In diesem Artikel geht es um die berühmte Spaltung der chassidischen Gruppe Toldot Aharon. Für so manchen mag die Spaltung eine weitere Tragödie bedeuten, aber ich bin mir sicher, dass vielen Mitgliedern dadurch sehr viel Positives wiederfahren ist.
Rebbe Aharon Roth war der Gründer der Toldot Aharon und wurde im Jahre 1894 im tschechischen Ungvar geboren. Sein Vater war Rabbi Shmuel Yaakov, der nebenbei sein Geld als Gemüsehändler verdiente. Im Alter von 22 Jahren heiratete Rabbi Aharon Roth die Tocher des Rabbi Yitzchak Katz aus Budapest. Sima war ihr Name.
Rabbi Roth verdiente sein Geld als relig. Lehrer, der jegliche Schüler, die aus diversen Yeshivot (relig. Schulen) geflogen waren, akzeptierte. So baute er sich allmählich eine Gefolgschaft auf.
Im Jahre 1925 zog er nach Jerusalem, wo er weitere Anhänger fand. Aufgrund gesundheitlicher Probleme zog er 1929 wieder zurück ins rumänische Satmar. Allerdings war dort der selbsternannte Rebbe nicht gerade willkommen, denn in Satmar hatten sich anderweitige Rebben formiert und Rabbi Roth wurde nur als Konkurrenz gesehen. Aus diesem Grund verließ er Satmar und ging nach Deregszaz (Deregovo), wo er eine Yeshiva (relig. Schule) mit dem Namen "Schomrei Emunim (Hüter des Glaubens) aufbaute. Acht Schüler lernten in der Yeshiva, welche von Rabbi Chaim Elazar von Munkatch unterstützt wurde. Allerdings verlor Rabbi Roth niemals den Kontakt zu seinen Jerusalemer Anhängern. Im Jahre 1939 machte er sich erneut nach Jerusalem auf, wo er die extrem geschlossene chassidische Gruppe Toldot Aharon ins Leben rief. He war ein strikter Antizionist, legte Wert auf ekstasische Gebete und richtete eigene interne Gesetzte (Takanot) für seine Gruppe ein.
Rebbe Aharon Roth verstarb am 6. Nissan (ca. April) 1947 und ist auf dem Ölberg begraben. Rebbe Arele, wie ihn seine Chassidim nur nennen, war Autor der Bücher "Shomer Emunim" und "Shulchan HaTahor".
Gleich nach dem Tode Rebbe Areles spaltete sich die Gruppe zum ersten Mal. Sein Sohn, Rebbe Avraham Chaim Roth, wollte die Führung übernehmen, aber die Anhängerschaft seines Vaters lehnte ihn ab. Stattdessen wählten sie den Schwiegersohn Rebbe Areles, Rabbi Avraham Yitzchak Kahn, als neuen Rebben. Natürlich war Rabbi Avraham Chaim Roth nicht besonders darüber erbaut, verließ die Gruppe und gründete seine eigene, die "Schomrei Emunim (Hüter des Glaubens)". Später zog er nach Bnei Brak bei Tel Aviv, aber seine Gemeinde in Jerusalem behielt er bei. Der Rebbe ist nach wie vor am Leben, kommt aber nur manchmal nach Jerusalem auf Besuch. Die Synagoge der Schomrei Emunim befindet sich in der Mea Shearim Street. Rebbe Avraham Chaim Roth ist bei seiner Gefolgschaft extrem populär und auch sein Tisch erfreut sich großer Beliebtheit. Wenn er denn einmal einen gibt, ist die kleine Synagoge überfüllt. Ein Wahrzeichen der Synagoge ist der riesige Aron HaKodesh (Thoraschrein), der wunderschön anzuschauen ist.
Bis heute haben die Schomrei Emunim fast keinen Kontakt zu den Toldot Aharon. Insgesamt haben sie sich mehr der Außenwelt geöffnet und sind auch nicht Mitglied der anti - zionistischen Dachorganisation Edah HaCharedit.
Rabbi Avraham Yitzchak Kahn wurde der neue Rebbe der Toldot Aharon, welche er bis zu seinem Tode im Dezember 1996 anführte. Deren Mitglieder sehen fast immer denselben Problemen entgegen: Ein Rebbe stirbt und der Newcomer plant Veränderungen aller Art innerhalb der Gruppe. Viele der Toldot Aharon Mitglieder jedoch sind glücklich mit dem Status Quo der Gruppe und sogar mit den Takanot. Für sie ist ihre Mitgliedschaft nicht nur eine Identifikation, sondern es ist ihr Leben wie sie es leben wollen. Somit lehnen sie Veränderungen ab.
Rebbe Avraham Yitzchak Kahn
Rebbe Avraham Yitzchak Kahn setzte den extremen Weg seines Schwiegervaters, Rebbe Arele, fort. Was genau das ist, was die Mitglieder von ihm verlangten. Der nächste Konflikt ließ nach dem Tode des Rebben nicht lange auf sich warten. Natürlich erwartete der älteste Sohn, Rabbi Shmuel Yaakov Kahn, das neue Oberhaupt der Gruppe zu werden. Allerdings gab es schon vor dem Tode seines Vaters, Rebbe Avraham Yitzchak Kahn, erhebliche Konflikte, denn Rabbi Shmuel Yaakov war weniger extrem und wollte Veränderungen mit einbringen. Er hatte unter dem Vishnitzer Rebben gelernt und war weniger anti - zionistisch veranlagt. Heutzutage trifft er sich sogar mit Mitglieder der haredischen (ultra - orthod.) Knessetpartei, der Yahadut HaTorah (Agudat Israel). Vor zwei Jahren nahm er dann an einer Familienfeier des Knessetabgeordneten Rabbi Israel Eichler (Chassidut Belz) teil, worauf sich Rebbe Shmuel Yaakov harsche Kritik einfing. Insbesondere von den Satmarer Chassidim.
Die anti - zionistische Dachorganisation Edah HaCharedit betrachtet die chassidische Gruppe Belz nach wie vor als eine Art Feind. In den frühen 80 - iger Jahren verließ Belz die Edah HaCharedit und wurde Mitglied der Agudat Israel. Dies kam einem Verrat an der Edah gleich und es kam zu wilden Auseinandersetzungen zwischen den Belzer und Satmarer sowie Toldot Aharon Chassidim. In New York fackelten die Satmarer des nachts sogar Belzer Schulbusse ab (ohne Passagiere).
Heute ist die Lage wesentlich ruhiger, aber dennoch gibt es zwei unterschiedliche Hechscherim (Koscherzertifikate):
Das Badatz (Beit Din Zedek) der Belzer Chassidim sowie das Badatz der Edah HaCharedit. Beide Parteien essen keine Produkte versehen mit einem Hechscher der Konkurrenz.
Rabbi Shmuel Yaakov Kahn wollte der neue Rebbe werden, aber die Mitglieder fürchteten wieder einmal einschneidende Veränderungen. Daher wollten sie den jüngeren Bruder, Rabbi David Kahn, zum neuen Rebben ernennen. Der nämlich wurde als extremer eingestuft, denn er hatte unter dem berühmten Satmarer Rebben, Rabbi Yoel Teitelbaum, gelernt. Genau das wollte die Mitgliedermehrheit. Wie zu erwarten, war Rabbi Shmuel Yaakov als Älterer darüber nicht erbaut und schaltete das rabbinische Gericht (Beit Din Zedek) der Edah HaCharedit ein. Er entschied sich für diesen Weg auch aus dem Grund, weil er Rabbi Me'ir Brandsdorfer (ein angesehener Rabbi innerhalb des Beit Din Zedek) hinter sich wußte. Die Edah wiederum wollte sich nicht festlegen und empfahl Rabbi Shmuel Yaakov eine Wahl innerhalb der Gruppe durchzuführen. Jedes Mitglied sollte selbst bestimmen und wählen. Wie wir alle wissen, verlor Rabbi Shmuel Yaakov Kahn und sein Bruder, Rabbi David Kahn, wurde der neue Toldot Aharon Rebbe. Eine Funktion, die er bis heute ausübt.
Rabbi Shmuel Yaakov Kahn konnte die demokratische Entscheidung nicht akzeptieren und verließ die Gruppe mit ca. 200 Familien um seine eigene, die Toldot Avraham Yitzchak, zu gründen. Offziell sind beide Brüder befreundet und gehen freundlich miteinander um. Egal, wen man in den Gruppen befragt, immer lautet die Antwort: "Wir haben nichts gegeneinander."
Die Fakten lauten jedoch etwas anders, was jedem offensichtlich wird, der ins Detail geht.
Beispiel: Rebbe David Kahn unterstützt den Satmarer Rebben, Rabbi Aharon Teitelbaum, wohingegen sein Bruder den zweiten Satmarer Rebben, Rabbi Zalman Leib Teitelbaum, unterstützt. Bei Satmar in den Staaten herrscht ein offener Krieg zwischen den beiden Rebben und sich auf eine Seite zu stellen, bedeutet gleichzeitig, sich gegen den anderen zu stellen. Insider berichteten mir, dass Rebbe Aharon Teitelbaum über mehr finanzielle Mittel verfüge als sein Bruder, Rebbe Zalman Leib. Mittel, welche die kleine Gruppe Toldot Aharon dringend benötigt. Aber auch die Toldot Aharon Yitzchak hängen am Tropf von Satmar.
Mitte: Rebbe David Kahn von den Toldot Aharon.
Ganz rechts: Rebbe Shmuel Yaakov Kahn von den Toldot Avraham Yitzchak
Persönlich mag ich die Tische von Toldot Aharon sowohl als auch den der Avraham Yitzchak. Falls es einen bei den Schomrei Emunim gibt, bin ich selbstverständlich auch mit von der Partie.
Mein Lieblingstisch sind aber auf alle Fälle die Avraham Yitzchak unter Rebbe Shmuel Yaakov Kahn. Der Rebbe ist energievoll und äußerst warmherzig. Er liebt es, wenn seine Chassidim beim Tanzen und Singen mit einstimmen. Obwohl seine Gruppe Mitglied der Edah ist, gibt er sich weniger anti - zionistisch. Die Mitglieder übernahmen Rebbe Areles Takanot (Gesetze), aber insgesamt betrachten sie sie weniger extrem und sind auch nicht zur Unterschrift gezwungen wie es bei den Toldot Aharon der Fall ist. Da Rebbe Shmuel Yaakov unter dem Vishnitzer Rebbe lernte, führte er viele Vishnitzer Bräuche in seine neu gegründeten Avraham Yitzchak ein. Generell gleicht die Kleidung der Frau jener von Toldot Aharon, aber die Kopfbedeckungen der Avraham Yitzchak weisen hier und da schon einmal unterschiedliche Farben auf. Die Toldot Aharon Frau trägt an Wochentage eine schwarze eng anliegende Kopfbedeckung, die Yasameh, und am Schabbat eine weiße. Das Gleiche bei den Avraham Yitzchak, doch sind andere Farben durchaus nichts Ungewöhnliches.
Die Toldot Avraham Yitzchak erwecken den Anschein, wesentlich offener zu sein. Vielleicht ist es nur ein Gefühl, aber bei den Toldot Aharon Frauen herrscht meistens eine gewisse Portion Reserviertheit. Bei ihnen befrage ich die Frauen vorsichtiger und überlege mir meine Vorgehensweise genau. Die Frauen sind freundlich, aber zurückhaltend. Zweimal traf ich auf eine recht offene Frau, aber leider ergab sich bisher kein tieferes Gespräch. Aber dies kommt sicher noch.
Ein Fall dagegen wird mir besonders in Erinnerung bleiben:
Einmal kam eine junge frisch verheiratete Frau auf mich zu und wollte mit mir sprechen. Über die Gründe kann ich nur spekulieren und durch einige äußere Begebenheiten ergab sich in dem Moment leider kein Gespräch. Wie ich beim nächsten Mal reagieren würde, kann ich nicht sagen. Es ist nie leicht, wenn man plötzlich mit Gruppenmitgliedern konfrontiert wird, die sich allem Anschein nach nicht besonders wohl in der Gruppe oder in einer Situation fühlen. Jedenfalls war es soweit die schlimmste Situation, die ich jemals bei einem chassidischen Tisch erlebt habe.
Aus all diesen aufgeführten Beispielen ergibt sich, dass es immer Gruppenmitglieder gibt, die Veränderungen offen gegenüber stehen. Und jene bevorzugen natürlich einen Rebbekandidaten, der sich offen für Änderungen einsetzt. Eine Abspaltung bedeutet auch gleichzeitig immer eine neue Chance verbunden mit dem Bewußtsein, etwas Neues aufbauen zu können.
Aber andererseits sind dort auch die Fundamentalisten, die sich gegen jede noch so kleine Veränderung wehren, weil sie diese als Eingriff in ihr Leben betrachten und die Gruppeninhalte in Gefahr sehen. Es kommt wirklich auf jedes einzelne Mitglied selbst an.
Avraham Yitzchak Homepage:
http://toldosay.com/index.htm
Sonntag, 3. Februar 2008
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