B"H
Dies ist eine wahre Geschichte über jemanden, der bei seinem Kiddusch (Segnung des Weines, u.a. am Schabbat) den Wein etwas zu sehr genoß.
Ich war in Jerusalem am vergangenen Schabbat und aß bei einer Freundin das Schabbatessen. Vor dem Essen machte ich Kiddusch, doch zuvor verkündete T., sie habe nur Weisswein im Haus.
Weisswein ist normalerweise kein passables Getränk für einen Kiddusch am Freitag abend (Erev Schabbat) und es sollte schon Rotwein oder Traubensaft sein. Nach einigem Suchen zerrte sie dann doch noch eine Flasche roten Inhalts hervor und dachte, es handele sich um Traubensaft. War aber nicht, denn es handelte sichm um süssen Rotwein der Marke "Ginossar". Kann ich nur wärmstens empfehlen ! Jedenfalls war ich es dann auch, die den Kiddusch zu sehr genoß und meine Gedanken waren nicht mehr so klar wie vielleicht zuvor.
Letztendlich entschieden wir uns aber doch zum chassidischen Tisch der Gruppe Belz zu gehen. Ich plante eine Abkürzung, doch hakte es bei den Gedanken etwas aufgrund des Weines.
Wir passierten die Synagoge der Boyaner Chassidim, gingen geradeaus und kamen so auf die Yirmeyahu. Ich sah das Gebäude der TNUVA - Milchfabrik (TNUVA zog schon vor einiger Zeit um und jetzt gehört das Anwesen der Chassidut Gur) und geriet ins Grübeln. Kann das jetzt schon die Bar Ilan Street sein oder ist die weiter unten ?
Ich stand auf der Straßenmitte und versuchte krampfhaft meine Gedanken zu ordnen. Zwischenzeitlich begann mich meine Freundin aufzuregen, die da wissen wollte, wo wir jetzt langgehen. "Lass mich in Ruhe, ich bin so ziemlich daneben und muss nachdenken", antwortete ich genervt. Genau in dem Moment ging ein Chassid an uns vorbei. Er sah aus wie ein Vishnitzer, in seiner schwarzen Bekische (schwarzer glänzender Kaftan am Schabbat), in weissen Socken und dem traditionellen Streimel. Der Chassid stoppte und fragte in einer Art amerikanischen Akzent in seinem Emglisch was wir denn suchen.
"Bar Ilan Street", sagte ich.
"Oh, das ist hier weiter runter", antwortete er.
Ich schaute ziemlich verwirrt drein und er fragte weiter, wo wir denn genau hin wollen.
"Belz".
"Einfach nur geradeaus und dann links.
Schabbes".
Jetzt ging meine Freundin erst recht auf mich los. Wenn wir das nächste Mal etwas suchen, solle ich mich nur auf der Straße platzieren und rufen, ich sei betrunken. Dann kommt garantiert alles herbeigelaufen und hilft uns.
Tatsächlich fanden wir wenige Minuten danach die Belzer Synagoge und müssen dem Chassid für die Abkürzung total dankbar sein. In der Tat erreichten wir Belz so zeitig, dass wir noch vor Beginn (um 23.00 Uhr) des Tisches eintrafen. Nur eine Frau war weit und breit auf der riesigen Frauenempore (Ezrat Naschim) zu sichten. Nach einigen Minuten bemerkte ich, dass dort fast neben uns ein kleines Podest mit zwei Stühlen darauf aufgebaut war. Auf einem Stuhl sollte die Belzer Rebbitzen (Gattin eines chassidischen Rebben) sitzen.
Wenige Minuten später kam sie auch schon. Mit Perücke und weissem Tichel (Tuch) darauf. Ganz nach Belzer Tradition.
Die Rebbitzen stammt aus einer sehr traditionsreichen und einflussreichen Familie: Ihr Vater ist der eigentliche Vishnitzer Rebbe von Bnei Brak, die zwei jüngeren Rebben sind ihre Brüder, eine Schwester ist die Frau des Rebben der Chassidut Skver in Monsey / New York und die zweite Schwester ist mit dem Rebben Aharon Teitelbaum der Satmarer Chassidim verheiratet.
Die Rebbitzen nahm Platz und kurz darauf trat ihr Gatte, der Rebbe Yissachar Dov Rokeach, zu den Chassidim ins Untergeschoß.
Es ist jedesmal erstaunlich wie schnell sämtliche Chassidim auf ihren Platz auf den Metallbänken rennen, sobald der Rebbe im Anmarsch ist. Wie eine Armee wenn der General naht. Dann ist es mucksmäuschenstill und alle warten darauf, was der Rebbe tut.
Der Belzer Rebbe beginnt seinen Tisch jedesmal mit einem langen Gebet, welches er im Stehen sagt. Danach setzt er sich, macht Kiddusch, ißt und verteilt ebenso Essen an die Chassidim. Dieses Essen mit dem Segen des Rebben soll einen Chassid den oberen spirituellen Welten näherbringen und man nennt es "Schirayim".
Es mag banal klingen, aber was ich bei den Belzer mag, sind die blitzblank geputzten glänzenden Schuhe am Schabbat. Niemand anderes in der haredischen Welt besitzt derlei blanke schwarze Schuhe.
Immer, wenn der Belzer Rebbe mit dem Essen beginnt, warte ich darauf, dass er unser Brot aus der Bäckerei hervorholt. Aber anscheinend ißt er dies daheim. Die Bäckerei besitzt ein Koscherzertifikat (Hechscher) der Belzer Chassidim (Badatz Belz) und nicht selten backen wir die Challot (Schabbatbrote) für den Rebben. Jedesmal ohne Hefe !
Ich mag die Belzer, doch sind sie mir so unbeschreiblich gut organisiert. Alles ist geplant und nichts wird ausgelassen. Die Challot werden in einer bestimmten Art und Weise geschnitten, die Scheiben auf den Tisch geschichtet (nebeneinander und aufeinander), das Obst ist wie mit einer Wasserwaage zurechtgelegt (alles gerade und nichts Schiefes dabei). Auch im Leben sind die Belzer organisiert.
Wir genossen den Tisch, doch gingen wir als der Rebbe seine Suppe zu löffeln begann. Der Weg zurück war wesentlich einfacher und am kommenden Schabbat wird der Rebbe nicht in Jerusalem, sondern in Telshe Stone, etwas außerhalb, sein.
Die Belzer Beit Midrasch in Jerusalem bietet insgesamt 7000 Menschen Platz. Den festen Sitzplatz kaufen die Chassidim für 5000 Dollar auf Lebenszeit. Wer gerade nicht soviel Cash hat, darf Ratenzahlung einrichten.
Sonntag, 3. Mai 2009
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen