Mittwoch, 16. Januar 2008

Eshet Chayil - Die Rolle der Frau in der haredischen Gesellschaft

B"H

Wer als Aussenstehender der haredischen Frau (ultra - orthod. Frau) auf der Strasse begegnet, dem gehen nicht selten sämtliche stereotype Vorurteile durch den Kopf. Eines davon ist fast immer, dass haredische Frauen (Harediot) von der Männerwelt komplett unterdrückt werden. Doch wie schaut sie nun wirklich aus, die Rolle der haredischen Frau ?

Zuerst einmal muss man sehr zwischen den internen haredischen Gruppen differenzieren. Die Rolle der Haredit in Israel ist eine andere als der in New York oder London. Auch unterscheidet sich die Haredit in der chassidischen Gesellschaft von der in der litvishen oder der modern – orthodox Gesellschaft.

Für die Haredit, welche in die haredische Gesellschaft hineingeboren wird (und nicht später dazustösst), beginnt die Rolle schon in der frühesten Kindheit. Mit drei Jahren gehen sie in den haredischen Kindergarten und kurz darauf in die Mädchenschule Beit Yaakov. Fast jede chassidische Gruppe hat ihr eigenes Beit Yaakov und falls nicht, trägt die Schule einen anderen Namen, doch das Schulsystem bleibt gleich. Für die litvishen Harediot gibt es ein extra Beit Yaakov.
Das System des Beit Yaakov wird in Israel anders gehandhabt als im Ausland. In New York oder anderswo ist die Schule wesentlich offener und weltlicher als in Israel. Dazu kommt, dass im Ausland der Lernstoff viel intellektueller ist. Intern gilt die Sitte, dass israel. Haredim ungern Frauen heiraten, die auf ausländ. Batei Yaakov waren. Sie werden als zu modern eingestuft.

Was lernt man nun auf Beit Yaakov oder einer haredischen Schule ?

Auch hier gibt es wieder die berühmten Unterschiede zwischen Chassidim und Litvish. Allgemein lernen die Maedchen Thora, Kindererziehung, Haushaltsführung, Mathematik, Geographie, Geschichte und Psalmen (Tehillim). Das vermittelte Thorawissen ist auf keinem hohem Level, sondern wird vielmals auf ein Minimum beschraenkt. Talmud steht nicht auf dem Lernplan. Hierzu wird gerne ein Satz aus dem Talmud selbst zitiert, nachdem Frauen andere Aufgaben haben als Männer und zu diesen Aufgaben gehört nicht der Talmud. Man kann den zitierten Satz im Talmud auch anders auslegen, aber die meisten Frauen können sich diesbezüglich nicht mit Gegenzitaten wehren, denn die sind ihnen unbekannt.

Anders liegt der Fall bei Chabad. Dort legte der letzte Lubawitscher Rebbe Menachem Mendel Schneerson fest, dass eine Frau Talmud lernen muss. Bei der Mehrheit der chassidischen Gruppen stehen auch keine Fremdsprachen auf dem Lehrplan.

Von der Schulbank kommen die jungen Harediot im Alter von 17 oder 18 Jahren direkt auf den Heiratsmarkt, um ihren Shidduch (zukünftigen Ehepartner) finden. In die israel. Armee werden sie nicht eingezogen und sie leisten auch keinen Sozialdienst (Sherut Leumi) wie ihre "Kolleginnen" bei den Nationalreligiösen.

Von kleinauf wird die Haredit auf ein Familienleben vorbereitet. Sie soll einen guten Ehepartner finden, vorzugsweise jemanden, der Thora lernt. Zu erwähnen ist, dass sich heutzutage viele Ansichten schon geändert haben. Zumindest bei vielen ausländischen litvishen Haredim. Dort sollte der Ehemann schon arbeiten und Geld verdienen. In streng chassidischen Kreisen ist das unvorstellbar. Dort muss der Mann lernen und die Frau verdient das Geld und versorgt gleichzeitig den Haushalt. In der Chassidut Gur sind viele Ehemänner hilfsbereit und teilen sich mit ihren Frauen die Hausarbeit. Bei der Chassidut Belz dagegen wird die Ehefrau als schlampig betrachtet, wenn sie nicht all ihre Pflichten erfüllt. Heisst, neben dem Job nicht auch noch die Hausarbeit allein verrichtet.

Die Hauptaufgabe der haredischen Frau besteht in der Haushaltsführung einschliesslich Kindererziehung. Womit sich der Mann in den freien Stunden nach dem Thorastudium beschäftigt, weiss sie oft nicht. Sie sollte die perfekte Eshet Chayil und natuerlich anständig sein. Anstaendige religiöse Kleidung tragen und sich dementsprechend in der Öffentlichkeit verhalten.

Neben dem Haushalt geht sie zu Shiurim (relig. Vorträgen) oder zu Treffen mit anderen Harediot aus der gleichen Gruppe. Nähkurse, Kochkurse oder Musikgruppen werden als Freizeitprogramm angeboten. Diese Frauengruppen unternehmen auch gemeinschaftliche Ausfluege. Fast immer zu Gräbern berühmter Rabbis oder Synagogen. Auch hat jede chassidische Gruppe ihre eigene Frauengruppe fuer soziale Zwecke. Krankenhausbesuche, Spendensammlungen etc.
In der haredischen Presse hat sie keinen Platz. Selten wird über Frauen berichtet geschweige denn werden Artikel von weiblichen Autoren veröffentlicht. Photos von Frauen gibt es in der haredischen Presse überhaupt nicht.

Bis hierher scheint alles nach der stereotypen Meinung abzulaufen, doch geht es in vielen Familien oft ganz anders zu. Nicht selten lehrt der Ehemann der Frau daheim Talmud und fragt sie um Rat in allen Lebenslagen. Sogar innerhalb chassidischer Gruppen gibt es berühmte Rabbaniot, Ehefrauen der Rabbiner bzw. der Rebbes. So erreichte die Ehefrau des ehemaligen Rebbe der Satmarer Chassidim fast Popstarkult. Feiga Teitelbaum war äusserst populär, auch bei den Männern. Von jedem wurde sie um Rat gebeten. Eine frühere Rabbanit und Ehefrau eines ehemaligen Rebben von den Vishnitzer Chassidim steht im Ruf die Chassidut gemanagt zu haben. Was immer sie sagte, führte ihr Mann aus. Genauso die Frau des Rebben der Belzer Chassidim. Sie dient als Vorbild fuer die Frauen in der Gruppe. Bei der Chassidut Gur dagegen spielen die Frauen die geringste Rolle. Gur ist immer auf Anstand bedacht und sehr vorsichtig in Frauen – u. Männerangelegenheiten.

Vielleicht in chassidischen Kreisen weniger, doch bei den litvishen oder den modern –orthodox kann sich die Frau sehr wohl verwirklichen. Am ehesten, wenn diese Frauen aus dem Ausland kommen. Unter amerikanischen Harediot gibt es Universitätsprofessorinnen, Anwältinnen, Wissenschaftlehrinnen, Aerztinnen etc. Andererseits kenne ich Chassidiot mit Doktortiteln.
Fuer israelische Harediot ist eine Universitätsausbildung so gut wie unmöglich. Nicht nur, dass die Uni als unanständiger Platz ansehen wird (Männer und Frauen lernen zusammen), sondern vielmehr weil eine Beit Yaakov Schulbildung fuer die Aufnahme an eine Uni nicht ausreicht.

Jetzt fragen sicher viele, wie die Frauen solch ein Leben mitmachen koennen. Sie müssten doch so schnell wie moeglich entkommen.
Nun, das ist genau das, was der Aussenstehende denkt. Aber nicht meine persönliche Meinung ist ausschlagebend. Was ich für richtig und modern ansehe, muss ein anderer noch lange nicht so sehen.

Wer mit Harediot spricht, der wird in den seltensten Fällen das Wort Feminismus hoeren. Wer so aufwächst wie sie, der kennt die andere (unsere) Welt nicht und vermisst auch nichts. Im Gegenteil, mir ist aufgefallen, dass Harediot manchmal etwas arrogant auf nichtreligiöse jüdische Frauen herabsehen. Schliesslich führen sie in ihren eigenen Augen das perfekte religioese Leben.
Natürlich ist keine Welt perfekt, auch nicht die haredische. Eheprobleme oder Probleme innerhalb der Gruppe werden so gut wie nie nach aussen getragen. Es gibt interne Beratungsstellen.

Jede Frau muss wissen, in welcher Gesellschaft sie sich wohlfühlt. Kommt es in der haredischen Familie nicht unbedingt zu Komplikationen, so wird sich die Frau sicher wohlfühlen. Probleme kommen dann auf, sobald sich die Frau nicht anpasst oder gar scheiden lässt. Sollte sie rebellieren oder vor den Beit Din Scheidungsrabbis stehen, dann kommt sie garantiert mit der herrschenden Männerwelt in Kontakt.
Jede Rebellion gegen das System hat noch nie etwas gebracht. Die alles beherrschenden Rabbis können nur mit relig. Argumenten ueberzeugt werden, was manchmal Generationen dauern kann.

Eines ist aber sicher: Was ich daheim in meinen vier Wänden mit meinem Ehepartner mache, geht keinen etwas an. Auch nicht die wachsamen Nachbarn.

Zum Schluss sollte ich erwähnen, dass ich in meiner Beschreibung die sephardischen Harediot ausgelassen habe. In der sephardischen Gesellschaft schaut die Rolle der Frau wesentlich anders aus. Dort sind eventuelle akademische Ausbildungen von der Männerwelt total unerwünscht, einschliesslich höhere akademische Studien über das Judentum.

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