B"H
In der haredischen (ultra - orthod.) Welt wird zwischen zweierlei großen Gruppen unterschieden:
1. Den litvishen Haredim mit ihren schwarzen Anzügen und weißen Hemden. Bei ihnen muß nicht jeder unbedingt antizionistisch eingestellt sein.
2. Die Chassidim, welche sich, außer den Gruppen Breslov und Chabad, weitgehend von der restlichen Außenwelt absondern. Ein Chassid zu sein, steht allerdings nicht immer gleichbedeutend für eine antizionistische Einstellung dem Staate Israel gegenüber.
Glossary zur orthodoxen Welt:
http://hamantaschen.blogspot.com/2007/05/kleines-glossary.html
Obwohl sich beide Gruppen nicht selten untereinander belächeln und jeder auf den anderen manchmal sarkastisch herabschaut, weisen sie dennoch eine Gemeinsamkeit auf:
Ihre Kinder heiraten überwiegend im frühen Alter von spätestens 19 Jahren. Das beste Hochzeitsalter ist mit 17 bzw. 18 Jahren.
In Israel ist eine Ehe vor dem 18. Lebensjahr gesetzlich verboten, doch ist es bei vielen Chassidim in Bnei Brak sowohl als auch in Jerusalem fast an der Regel, schon im Alter von 17 Jahren eine Ehe einzugehen. Wer im relativ "reifen" Alter von 19 oder 20 Jahren heiratet, gilt in der strikten ultra – orthod. Gesellschaft als sonderbar. Vielseits wird offen ausgesprochen, dass mit dem – bzw. derjenigen ja etwas nicht stimmen könne.
In der Regel gilt: Je eher jemand heiratet, desto besser.
Sehr häufig kommt es vor, dass ich ganz junge Frauen sehe, die allem Anschein nach schon verheiratet sind. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Frauen wirklich Frauen nennen soll, denn vielmals wirken sie noch wie kleine Mädchen oder zumindest wie Teenies. Jedesmal wieder frage ich mich, was in diesen jungen schon verheirateten Frauen vorgeht. Da heiratet ein Mädchen aus der chassidischen Welt im Alter von 17 oder 18 Jahren und schiebt ein knappes Jahr später einen Kinderwagen vor sich her. Was empfinden diese "Kinderfrauen" dabei und wie sehen sie sich selbst ?
Was ist der Unterschied zu ihnen und ihrem Gegenpart in der litvishen Gesellschaft ? Und die Frage, welche fast alle Außenstehenden am meisten zu beschäftigen scheint: Warum sind so junge Frauen bereit, sich den Regeln ihrer chassidischen Gruppe zu beugen und sich wenige Tage nach der Hochzeit die Haare abzuscheren ?
Einen ganz wichtigen Punkt jedoch stelle ich diesem Thema vorweg:
Nie sollten wir auch nur für eine Sekunde vergessen, dass hier zwei gänzlich verschiedene Welten aufeinandertreffen.
Wo sind diese chassidischen Frauen aufgewachsen und wo bin ich bzw. ist es der Leser ? Was ist für uns "normal" und was bedeutet "normal" für die Haredim (Ultra – Orthodoxen) ? Was ich für normal und ggf. menschenverachtend halte, muß ein Betroffener noch lange nicht so sehen.
Und genauso beginnt diese Beschreibung der so "fremd" wirkenden Welt.
Beginnen wir zuerst in der etwas moderat erscheinenden litvishen Welt.
Der erste Unterschied innerhalb dieser Gesellschaftsgruppe beginnt mit dem Herkunftsland. Amerikaner können oftmals wirklich moderater sein, was aber nicht immer der Fall ist. Selbst ich habe schon Zuschriften aus der berühmten litvishen Lakewood – Yeshiva aus den Staaten erhalten, nachdem eine Frau dies und das aus der jüd. Religion nicht zu wissen hat, geschweige darüber schreibt. Lakewood gilt als litvish konservativ.
Insgesamt aber ist die litvish – haredische Bevölkerung von fast allen "Fesseln" befreit. Wenn der Mann will, kann er in einem Kollel (Lerninstitut für verheiratete Männer) lernen und die Frau geht arbeiten und versorgt den Haushalt; wenn er jedoch nicht will, dann geht er arbeiten und die Frau bleibt daheim. Eine festgelegte Ordnung herrscht nicht, sondern es ist jeder Familie individuell freigestellt, wie sie ihr Leben handhaben will. Die Freiheit ermöglicht es auch, einen Wohnsitz nach Wahl zu suchen. Litvishe Haredim wohnen gewöhnlich nicht in Gruppen zusammen wie die Chassidim (hierbei ausgenommen Chabad und Breslov). Die Litvishen haben zwar ihren individuellen Rabbiner, auf den sie hören, aber im Gegensatz zu den Chassidim mit deren Rebben, bestimmt der litvishe Rabbi nicht das Leben überhaupt.
Hochzeiten finden innerhalb der litvishen Gesellschaft statt, bei der übrigens jeder Jude einsteigen kann. Auch für den Neueinstieg gibt es keinerlei feste Aufnahmeregeln. Man kaufe sich einen schwarzen Hut, einen schwarzen Anzug und trage ein weisses Hemd. Frauen laufen gewöhnlich mit einem Rock herum, dessen Länge über die Knie hinausgeht, tragen langärmlige Blusen und bedecken mit einer Perücke ihr verheiratetes Haupt.
In der litvishen Gesellschaft spielt der Schadchan eine immense Rolle. Der Schadchan ist der Heiratsvermittler. Sein weiblicher Gegenpart wird Schadchanit genannt. Jene Vermittler üben ihre Tätigkeit entweder auf freiwilliger Basis bzw. nebenbei aus oder sie sind hauptberuflich tätig und der männliche Kunde wird zur Kasse gebeten.
Wer einen Partner sucht, der gehe zum Schadchan und lasse sich vermitteln. Der Mann spielt die Hauptrolle und ruft die Frau an, welche ihm der Schadchan nannte. Niemals ist es umgekehrt, denn dies gilt als unanständig. Bei diesem ersten Anruf geht es nur um eine kurze Kontaktaufnahme. A la "was machst Du, was mache ich" und ob man sich treffen will. An einem öffentlichen Ort wie Hotellobby, belebter Park oder in einem Café. Ist man sich nach mehreren Treffen mehr oder weniger sympathisch und kann sich eine gemeinsame Zukunft miteinander vorstellen, wird sich verlobt.
Eines ist immer anzumerken: Während dieser gesamten Zeit fassen sich beide Parteien nicht an. Noch nicht einmal die Hände werden geschüttelt. Es kann vorkommen, dass man sich noch nicht einmal gegenseitig in die Augen schaut. Wobei dies jedoch eher der Fall in streng chassidischen Zirkeln ist. Sich angefasst und Sex zu haben, gibt es erst nach der Hochzeit. Fand die Verlobung erst einmal statt, wird die Hochzeit geplant. Normalerweise wird zwei oder drei Monate nach der Verlobung geheiratet.
Nun zu den chassidischen Kreise, wobei ich die etwas offeneren Gruppen Chabad und Breslov auslasse, denn diese sind nicht vergleichbar mit dem Rest der chassidischen Welt.
Bei chassidischen Gruppen geht es wesentlich strenger zu als bei den Litvishen. Zwar können sich Partner auch in der litvishen Welt durch Freunde kennen lernen und nicht unbedingt immer über den Schadchan, in der chassidischen Welt dagegen gehen die Uhren anders. Wenn nicht gerade ein Schadchan eingeschaltet wird, dann haben Eltern oder Verwandte schon jemanden ausgespäht. Treffen tun sich beide Parteien nicht in Hotellobbies, sondern daheim im elterlichen Wohnzimmer. Entweder bei der Frau und falls ja, dann kommt der männliche Bewerber mit seinen Eltern vorbei. Umgekehrt kann dies auch stattfinden. Je nach Vereinbarung.
Da sitzen sich also eine junge Dame und ein junger Herr gegenüber und müssen mit anhören, wie deren Eltern über das Finanzielle reden. Wer zahlt die Hochzeit, wer die Möbel, lernt der junge Mann im Kollel oder nicht, geht er arbeiten, und und und. Stimmt das Finanzielle, dann dürfen sich die beiden Kandidaten auch kurz unterhalten.
Das Finanzielle ist äußerst wichtig, denn in der chassidischen Gesellschaft kaufen üblicherweise die Eltern der Braut dem Brautpaar eine Wohnung. Wer dazu finanziell nicht in der Lage ist, bekommt halt auch nur einen dementsprechenden Partner vermittelt.
Warum die Frau ?
Weil die Regel gilt, dass wenn sie einen "Ben Thora – einen Thoragelehrten" will, sie schon investieren muß.
Kurz darauf wird sich verlobt und der Rebbe oder ggf. die Eltern legen den Hochzeitstermin fest.
Das frischgebackene Paar selbst hegt nur wenig Kontakte, denn diese sind erst nach der Hochzeit erlaubt.
Natürlich hat eine Frau immer das Recht, einen vorgeschlagenen Partner abzulehnen und sich einen neuen vermitteln zu lassen. In litvishen Kreisen suchen manche sogar jahrelang nach einem passenden Partner. Bei strengen Chassidim gilt das Gleiche, doch ist hier zu bedenken, dass die Eltern einen gewissen Druck ausüben. Steht da ein toller Thoragelehrter mit großartigen Eltern an, dann wird das junge Mädchen schon mal hie und da zurechtgewiesen, dass das doch eine gute Partie sei.
In der litvishen Gesellschaft wird schon auf einiges geachtet. Seit einigen Jahren sind insbesondere viele der litvishen Männer von Arroganz und Mode geprägt und meinen, sie müssen jetzt irgendeine hochmoderne litvishe Barbie aufreissen. Innerhalb der Gesellschaft werden teilweise bösartige Witze gemacht. Die Mode sei für die litvishen Männer alles: Armani und was weiß ich alles.
Verheiratet wird genauso nach Herkunft oder der Yeshivalaufbahn (relig. Schule). Ist jemand Konvertit zum Judentum oder sind die Eltern konvertiert ? Falls ja, gibt es andere Konvertitenkandidaten.
Ein Yeshiva Bachur (Schüler) aus der bekannten Ponibezh – Yeshiva in Bnei Brak heiratet kaum eine Konvertitin. Insgesamt sind die Litvishen auf Prestige aus und man schaut genau auf die Eltern und die Yeshiva. So bleibt alles in der Familie. Bei den Chassidim geht es nicht anders zu.
Es ist ganz klar, dass der Mann in der Ehe mehr Freiheiten hat oder sie sich zumindest nimmt. Die Frau ist aufgrund der Kinder eher ans Haus gebunden. Aber nicht nur die Kinder sind der Grund. Meiner Erfahrung nach ist sie schon allein durch ihre Erziehung auf das Haus eingestellt. Die große Frage ist immer, wie da zwei Leute, die sich eigentlich gar nicht kennen, miteinander heiraten können ? Oder kurz und deutlich nachgefragt: Wie kann ich mit einem fast Unbekannten ins Bett gehen ?
Viele haredische Männer sagten mir, dass ihnen die Hochzeitsnacht endlich gelegen kommt, denn schließlich mussten sie bis dahin ohne Sex leben. Und das Einzige, woran der Mann denke, wäre halt das. Besonders litvishe Männer gaben mir diese Ansich zum Besten.
Ich denke mir, dass auf der weiblichen Seite die Gründung einer Familie die ausschlaggebende Rolle spielt. Und leider scheint es manchmal so als sei da der Mann Nebensache. Hauptsache, es kommen Kinder und sind die erst einmal da, dann lassen die Begierden eventuell eh nach. Schon im Kindesalter wird die Frau auf ihre Rolle vorbereitet und Tausendfach sehe ich, dass es noch immer das wahre Ideal der chassidischen Frau ist, eine Familie zu haben. Der Hauptpunkt sind die Kinder. Ein zweiter Grund für diese gesamte perfekte Planung ist selbstverständlich auch die eigene chassidische Gruppe, bei der die Familie einfach dazugehört.
Hochzeiten im frühen Alter sind von Vorteil, da jemand in diesem Alter halt noch keinen Vorlieben unterliegt und ständing mäkelt. Wohingegen ein Dreissigjähriger schon weniger Abstriche zu machen bereit ist. Jung bedeutet gleichzeitig oft naiv und die weitverbreitete Meinung ist, dass die Liebe eh später kommt. Und falls nicht, dann hat man wenigstens ein gemeinsam ausgerichtetes Ziel für das man lebt. Und überhaupt, was sei schon Liebe ? Da heirate man und nach wenigen Wochen sei das alles verflogen.
Kein gemeinsames Ziel = kein gemeinsames Zusammenleben.
So manches junge Mädchen ist durchaus bereit, eine entsprechende Ehe einzugehen. Wie man einen Haushalt führt, hat sie von Kleinauf gelernt, weil sie selbst schon ihre zahlreichen Geschwister mitversorgen mußte. Und nun ist halt sie dran, die Mitzwa (Gebot) zu erfüllen.
Andere wiederum lassen sich manchmal recht naiv auf eine Ehe ein. Was sollen sie auch groß antworten, wenn ihre Eltern bestimmen, dass das halt nun einmal so sei und noch dazu das Richtige. Was soll ein chassidisches Mädchen im Alter von 17 oder 18 entgegensetzen, wenn sie keinerlei Lebenserfahrung hat ?
Alle ihre Freundinnen heiraten um sie herum. Entweder will sie auch dabei sein oder sie tut es, weil es halt alle tun.
Und Leben ?
Was ist Leben, wenn es teilweise im chassidischen Hinterhof stattfindet. Was spielt es da für eine Rolle ?
Was ich immer wieder neu erlebe ist, dass seien die chassidischen Gruppen auch noch so extrem und die Gruppenmitglieder noch so offen, fast jede Frau ihr Leben in der Ehe und in den Regeln der Gruppe sieht. Für viele ist es eine absolute Selbstverständlichkeit.
Ist das nun fanatisch oder naiv ?
Die chassidischen Frauen stellen sich derlei Fragen selten, aber was sie interessiert ist, wie jemand Sekuläres so ein "leeres Leben" ohne Thora und Inhalte führen kann. Wie nur können da Frauen im knappen T – Shirt bekleidet herumlaufen und sich dermassen primitiv zur Schau stellen ?
So sehen diese Frauen das Leben im sekulären Bereich und viele fragen mich nach dem Leben jener nichtrelig. Frauen. Anscheinend ist dies das Interesse der relig. Frauen an der nichtrelig. weiblichen Welt, wogegen die andere Seite immer nur stöhnt, wie da die haredische Frau sich nur dem Mann unterwerfen kann.
Dies sind einige aufgeführte Punkte, die zum Nachdenken anregen sollen. Einige Punkte, nicht alle, denn die Liste ist lang.
Sonntag, 6. Januar 2008
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