Samstag, 15. November 2008
"Siehst Du den Rebben ?"
Der Satmarer Rebbe Aharon Teitelbaum
B"H
"Siehst Du den Rebben ?"
Dies war am letzten Freitag abend (Erev Schabbat) der meist gehörte Satz beim chassidischen Tisch des Satmarer Rebben Aharon Teitelbaum.
Zuvor ein paar Details zur History von Chassidut Satmar, der weltweit größten chassidischen Gruppe:
Die Chassidut Satmar ist in zwei Hälften gespalten. Die eine Gruppe folgt dem Rebben Zalman Leib Teitelbaum, die andere Gruppe folgt seinem Bruder Rebbe Aharon Teitelbaum. Beide Gruppen haben ihren Hauptsitz in New York. Rebbe Zalman Leib sitzt in Williamsburgh und Rebbe Aharon in der eigens errichteten Satmar Siedlung außerhalb New Yorks, in Kiryat Yoel. Weiterhin sind sich beide Gruppen, zumindest in New York, nicht gerade freundlichst gesonnen. In Mea Shearim in Jerusalem hingegen leben beide Parteien, mehr oder weniger, friedlich zusammen, haben jedoch ihre eigenen voneinander getrennten Synagogen.
Noch mehr zu Satmar gibt es hier:
Einblicke in die Chassidut Satmar
Der Satmarer Rebbe Aharon Teitelbaum kam in der vergangenen Woche aufgrund einer Hochzeitsfeier nach Israel. Da Satmar extrem antizionistisch veranlagt ist, hat Rebbe Aharon noch niemals an der Jerusalemer Klagemauer gebetet und täte sich auch sonst nie mit einem israel. Politiker bzw. der "zionistischen" Presse treffen. Überhaupt war seine Ankunft nicht unbedingt jedem bekannt und ich selber erfuhr die Nachricht von anderen Chassidim (von Karlin - Stolin sowie von Vishnitz).
Um kurz auf die Klagemauer zurückzukommen:
Es gibt Satmarer die dort beten, Rebbe Aharon hat es jedenfalls auch bei seinem letzten Besuch im August 2007 nicht getan, da sie im Sechs - Tage - Krieg (1967) von der zionistischen Armee befreit worden war. Stattdessen betete Rebbe Aharon auf dem Mount Scopus mit Blick auf die Kotel (Klagemauer).
So mancher fragt mich, ob ich einen speziellen Faible für Satmar hege. Ja, das tue ich, aber gewiß nicht wegen der antizionistischen Inhalte. Vor Jahren war ich mit Satmar in Mea Shearim einmal sehr eng verbandelt und zog sogar in Erwägung, Mitglied zu werden. Heute würde ich das nicht mehr tun. Erstens weil ich kein Mitglied irgendeiner chassidischen Gruppe werden will, da ich mich nicht nur mit einer einzigen verbunden fühle. Und zweitens war Satmar zu meiner Zeit noch nicht gespalten und hatte nur einen Rebben: Rebbe Moshe Teitelbaum, dessen beide Söhne Aharon und Zalman Leib sich jetzt zoffen.
Gestern abend machte ich mich also auf nach Bnei Brak, einer fast vollkommen haredischen (ultra - orthod.) Stadt nahe Tel Aviv. Von Tel Aviv aus kann man bequem laufen. Ramat Gan in der Mitte passierend, landet man schließlich in Bnei Brak. Die Stadt ist mehrheitlich haredisch, obwohl es genauso einige Säkulere sowie Nationalrelig. gibt. Doch erst einmal die Haupteinkaufsstraße Rabbi Akivah hinaufgehend, landet man schnell dort, wo es nur haredisch zugeht. Vorbei an der Chassidut Alexander und der Beit Midrash von Lelov gelangt man irgendwann rechts an die Raschi und gleich darauf in die Chazon Ish Street. In und um die Raschi Street befinden sich die Synagogen von den Schomrei Emunim sowie von Chabad. Weiter in der Chazon Ish befindet sich Dushinsky, Seret - Vishnitz, Ashlag, Bobov und nebendran nicht weit noch Biale, Nadvorna, Modzidz und weiter weg auch Vishnitz. Mitten auf dem Weg durch die Chazon Ish kommt man zum Kiryat Yoel Stadtteil der Satmarer. Wer die Satmarer History kennt, der bemerkt schnell, wo er sich befindet, denn die Straßen sind nach hauseigenen Rebben bzw. Gelehrten benannt.
Etwas früh kam ich in Bnei Brak and und legte daher erst einmal eine Pause ein. Als Frau sitzt man nicht irgendwo auf einer Bank, denn das könnte "anrüchig" ausschauen. Und Bnei Brak ist kein leichtes Pflaster für relig. Vergehen. Falls jemand als Nichtjude an einem Erev Schabbat durch besagte Gegend ziehen würde, dem blühe einiges. Nichts ist in Bnei Brak mehr verpönt als Christenmission und die Einwohnerschaft hat da so ihre eigenen Methoden entwickelt. Zu recht !
Mittlerweile war es 20.30 Uhr geworden und ich machte mich auf den Weg hinunter zum Kiryat Yoel, die Synagoge suchen, in welcher Rebbe Aharon Teitelbaum seinen Tisch zu geben plante. Einen Zeitpunkt und eine genaue Ortsangabe hatte ich nicht, aber gewöhnlich beginnen die chassidischen Tisch im Winter etwas eher als im Sommer.
Die Yismach Moshe Street entlanggelaufen, wo zu Beginn ein riesiges Plakat über der Straße hing. Satmar begrüßte Rebbe Aharon Teitelbaum. Dazu sei zu sagen, dass in Kiryat Yoel in Bnei Brak ausschließlich die Anhänger von Rebbe Aharon wohnen. Mea Shearim / Ge'ulah hingegen ist gespalten zwischen den Anhängern beider Rebben.
Ich wollte schon fragen als ich die ebenso von außen beleuchtete Synagoge in der Yismach Moshe erblickte. Eine riesige Menschentraube von Männern stand davor und wartete auf Einlaß. Kein Zweifel, dies war der Ort des Tisches. Nebendran standen ein paar Satmarer Frauen in Festtagskleidung und mit dem traditionellen weißen Schabbat - Tichel auf dem Kopf (auf Englisch HANKY genannt). Ich fragte die Frauengruppe, wo denn der Fraueneingang in die Synagoge sei und man zeigte sich recht überrascht, dass jemand von außen kommt, um den Satmarer Rebben zu sehen. Nichtsdestotrotz, die Frauen waren überaus freundlich und hilfsbereit und zeigten mit den Weg. Ich solle mich beeilen, denn alles wäre schon voll.
Satmar Frauen in New York
Bereitwillig geholfen ? Dies war das Kennwort für diesen Abend. Die Satmarer in Bnei Brak waren überaus freundlich und vemittelten einem das Gefühl, willkommen zu sein. In Mea Shearim erscheinen sie oft etwas zugeknöpft, doch in Bnei Brak machte ich zumindest gestern einen andere Erfahrung.
Der Fraueneingang befand sich auf dr Rückseite der Synagoge. Unterwegs fragte ich abermals und man deutete mir den Weg. Die Treppen hinauf und schon landete ich in einer kleinen dunklen Kammer, in welcher einige Frauen und Kinder durch die Holzmechitzah (Trennwand zu den Männern) spähten. "Siehst Du den Rebben ? Siehst Du ihn ?" hörte ich einige der Anwesenden aufgeregt fragen. Ich erkundigte mich, ob dass denn der einzige Raum für die Frauen sei und man meinte, dass weiter oben ein großer Raum sei. Oben angekommen sah ich einen großen Raum, der nicht auf den Ansturm sovieler Leute vorbereitet war. Insgesamt war die Synagoge nicht für einen Ansturm Tausender Leute geschaffen und wann kommt auch schon einmal der Rebbe aus New York angereist ?
Genau gesagt gab es zwei Räume für die Frauen, doch der zweite war dermassen voll, dass es absolut kein Eintreten mehr gab. Ich klemmte mich an die Mechitzah und sah hinunter ins Erdgeschoß. Hunderte Satmarer Chassidim hatten sich versammelt und man wartete geduldig aud den Rebben. Es war ein so großartiger erstaunlicher Anblick, dass mir fast die Luft wegblieb. Ich hatte schon viel gesehen, aber der Anblick überraschte mich total.
Man sah keinen einzigen freien Platz mehr. Überall standen Chassidim und sobald sich jemand auch nur rührte, wackelte die ganze Menschentraube drumherum. Irgendwie stand ich falsch, denn der Rebbe sollte genau unter mir auf einer aufgestellten Bühne sitzen. Also rutsche ich zur Seite, um die Bühne ins Blickfeld zu bekommen.
Sämtliche Frauen und Mädels standen entweder auf den Sitzen ihre Synagogenbänke oder ganz oben drauf, auf der Buchablage auf den Bänken. Ich begnügte mich vorerst mit dem Stehen auf einer Sitzbank. Das wiederum war nicht so einfach, denn ich war total eingequetscht und wusste nicht recht zu stehen.
Der Blick auf all die Chassidim war ganz einfach atemberaubend. Die Männer trugen ihren tradionellen Streimel, die Pelzmütze und dazu hatten sie sich in ihre schwarze Bekishe (glänzend schwarzer Kaftan zum Schabbat oder für Festtage) geschmissen. Immer wieder ging ein Zischen durch die Männermenge und man wartete auf die Hauptperson des abends: Rebbe Aharon Teitelbaum.
Das Publikum bestand ausschließlich aus Haredim; dazu überwiegend aus Satmar. Natinalrelig. oder andere Außenstehende waren nicht zu sehen. Genauso bei den Frauen. Ich war mit die Einzige von außerhalb und alle weiteren waren haredische Frauen (Harediot) von Bnei Brak oder anderen Orten.
Rebbe Aharon Teitelbaum in seinem hellen Kaftan
Zusammen mit ein paar Satmarer Teenies teilte ich mir ein paar Stegplätze. Das Problem begann als einige deren Mütter sich hinzuquetschten.
Dann trat der Rebbe ein und es begann der Gesang. Ich sah gar nichts und alles um mir herum drängte sich immer näher, um wenigstens einen kurzen Blick auf den Rebben zu erhaschen. Fehlanzeige. Unsere Bank war schlecht positioniert. Dann sah ich immerhin seine Hand mit dem Kidduschbecher und wir lauschten seinem Kiddusch (Segnung des Weines am Schabbat / Festtage). Er stand genau unter mir, doch erblickte ich ihn nur wage von der Seite.
Das Gedränge auf der Bank wurde langsam unerträglich und dann ging die Tür auf und wer rauschte herein ?
Eine Frauengruppe der Toldot Aharon aus Jerusalem teilweise gekleidet in ihren traditionellen weißen Schürzen; einem alten ungarischen Brauch (Minhag). Die Satmarer des Rebbe Aharon sowie die Toldot Aharon aus Mea Shearim sind extrem gut miteinander verbandelt. Beide sind antizionistisch und die reichen Satmarer unterstützen die Toldot Aharon finanziell.
Die kleine Gruppe der Toldot Aharon rannte sofort in Richtung Mechitzah, um etwas zu sehen. Und mich traf fast der Schlag, denn eine Frau kannte ich von meinen Tischbesuchen in Mea Shearim. Oft schon sprachen wir miteinander und sie erblickte mich sofort. "Na, meinte ich zu ihr, Euer Rebbe ist in Boro Bark (New York) heute abend". "Du bist ja voll mit bei der Sache", gab sie lachend zurück. Leider verloren wir uns nach einem kurzen Gespräch aus den Augen, aber beim nächsten Tischbesuch der Toldot Aharon werden wir sicher über unsere Satmar - Erlebnisse reden.
Da ich nicht mehr in eingequetschter Position stehen konnte, stellte ich mich, wie viele weitere auch, auf die Buchablage der Synagogenbank. Und was geschah ? Ich sah den Rebben und hatte den Überblick. "Siehst Du den Rebben ?" rief mir eine der Frauen zu. Ein großer Fehler, aber ich sagte JA. Und schon kletterten auch alle anderen Frauen in meine Position und ich war wieder eingequetscht.
Der Rebbe machte Kiddusch und segnete die Schabbatbrote (Challot). Einiges wurde an die Chassidim verteilt und auch er aß sein Stück Challah. Er ließ sich ungemein viel Zeit und alles war mucksmäuschenstill bei den Männern.
Rebbe Aharon Teitelbaum trug seine hellen Kaftan und man sah, dass es nicht umsonst heißt "Malchut Satmar – Königreich Satmar", denn der Rebbe weiß Würde zu zeigen.
Trotz allem wurde mir das Stehen auf der Bank immer schwerer gemacht, denn mehr und mehr Frauen trafen ein und alles klemmte sich neben mich. Ein paar männliche Russen traten in die Frauenempore; Nichtjuden, die für Satmar am Schabbat arbeiten und Mineralwasserflaschen anschleppten.
Ich trank etwas und beschloß zu gehen. Gerne wäre ich bis zum Schluß geblieben, doch hätte ich dazu entweder in der Luft schweben oder meine Füße abhacken müssen.
Ich ging zum nächsten Tisch, zur Chassidut Nadvorna. Dort war weniger los und auch einige Nationalreligiöse waren versammelt. Doch stand ich immer noch unter dem atemberaubenden Eindruck der Satmarer und konnte mich bei Nadvorna nicht mehr auf etwas Neues konzentrieren.
Ein toller Abend, doch leider zuviel Gedränge.
Hoffentlich kommt einer der Satmarer Rebben bald einmal wieder auf Besuch nach Israel.
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