Sonntag, 27. Juli 2008

Chassidischer Tisch bei Ruzhin - Boyan

B"H

Zuerst dachten wir, dass alles ins Wasser fällt. Das Schabbatessen bei Rabbi Mordechai Machlis zog sich in die volle Länge und vor lauter Gästen (garantiert 200) ging gar nichts mehr. Seitdem der Rabbi sein Wohnzimmer baulich erweiterte, strömen die Massen am Schabbat nur so herein. Und als dann noch eine jüd. - amerik. Studentengruppe von 42 Leutchen auftauchte, ging fast gar nichts mehr. Wie die Sardinen hingen wir in den Sitzen und selbst der Anbau wurde zu klein. Tür auf und der Rest saß draußen in der riesigen Sukka (Laubhütte), welche das ganze Jahr über aufgebaut hinter dem Haus steht.

In letzter Zeit habe ich eine "Fast - Freundschaft" mit einem Boyaner Chassid geschlossen. Er schrieb mir eine Mail bezüglich meines engl. Blogs und seither versorgt er mich mit sehr hilfreichen Infos. Und er war es dann auch, der mich wissen liess, dass es höchste Zeit sei, einmal über die Ruzhin - Boyaner Chassidim zu berichten und zu deren Tisch mit dem Rebben zu gehen. Gesagt, getan, denn meine Freundin und ich hatten dies schon lange einmal vor. Nur besteht bei einigen chassidischen Gruppen das Problem, dass man oft als Außenstehender nicht weiß, wann genau ein Tisch mit dem Rebben (meistens freitags abends) stattfindet. Manche Gruppen tun dies nur an Feiertagen oder zu bestimmten festlichen Anlässen wie Hochzeiten etc. Dem Boyaner Rebben, Rabbi Nachum Dov Brayer, in Jerusalem war ein Enkel geboren worden und von daher gab es den Tisch. Aber auch, weil es sich um den Schabbat vor Rosh Chodesh (dem Beginn eines neuen jüdischen Monats handelt).

Ruzhin - Boyan ?
Vielleicht ein etwas ungewöhnlicher Name für eine chassidische Gruppe.

Ihren Ursprung hat sie in der Ukraine und der Begründer der Chassidut Ruzhin, Rabbi Israel Friedman (1796 - 1850) war väterlicherseits ein Nachfahre des Rabbi Avraham Mal'ach, welcher wiederum der Sohn des berühmten Maggid von Mezritch, dem Nachfolger des Baal Shem Tov, war. Rabbi Israel hatte einige hatte sechs Söhne, von denen alle ihren eigenen chassidischen Dynastien gründeten. So, u.a., Sadigura und Boyan. Boyan ist also eine sogenannte "Filiale" oder "Abzweigung" von Ruzhin. Wie man es auch immer betrachten mag.

Die große Boyaner Synagoge befindet sich in Ge'ula (Jerusalem) in der Malchei Israel Street und viel wurde mir soweit berichtet. Ja, die Boyaner seien total nett und das hat einen Grund. Anscheinend weil kaum jemand zu ihnen findet und alles nur nach Mea Shearim zu den Tischen stürmt.

Um 23.00 Uhr machten wir uns von den Machlises auf, um zu den Boyanern zu gelangen. Den Fraueneingang der Synagoge, auf der Rückseite des Gebäudes, fanden wir Dank Beschreibung des Chassid, sehr schnell. Die Synagoge selbst ist ein riesiges Gebäude und schon Jahre zuvor fiel mir jedesmal am Sukkot (Laubhüttenfest) die gigantische Sukka auf.

Der Tisch begann gegen 23.30 Uhr und Rebbe Nachum Dov Brayer betratt die im Untergeschoß gelegene Männerseite. Für einen chassidischen Rebben macht er einen recht jungen Eindruck und ich hörte, dass er sowie seine Frau eigentlich Amerikaner seien. Hunderte Chassidim hatten sich versammelt und die Boyaner tragen am Schabbat den traditionellen Streimel (Pelzmütze) sowie lange schwarze Kaftane. Eine ukrainische Chassidut ohne die bunten Kaftane der ungarischen oder rumänischen Gruppen. Stattdessen war alles schlicht und einfach.

Eines jedoch war ganz anders und ein Chassid aus England ließ es mich vorher wissen. "Achte auf den Streimel des Rebben", meinte er in einer e - mail an mich. Und das tat ich dann auch. Der Streimel des Rebben war anders, denn oben in der Mitte ist keine übliche niedrige Rundung zu sehen, sondern stattdessen ein kleiner Spitz, der heraussteht.


Der Boyaner Rebbe, Rabbi Nachum Dov Brayer, in der Mitte mit Buch in der Hand. Man beachte seinen aussergewöhnlichen Streimel (Pelzmütze) !!!!

Überhaupt benahm sich der Boyaner Rebbe während seines ca. zweistündigen Tisches sehr ruhig. Zwischendrin gab er eine Thora - Derascha (eine Rede), von der wir Frauen aufgrund der Mechitzah (Trennwand zu den Männern im Erdgeschoß) kein einziges Wort verstanden.

Was war besonders an den Boyaner Chassidim ?

Dass die Frauen total nett waren und alle Fragen wurden sofort beantworteten. Nun gut, das hatten wir schon bei vielen anderen Gruppen, doch dass jemand von allein auf uns zukam, gab es noch nicht. Eine der Frauen schien eine gewisse Aufsichtsposition auszuüben und diese kam auf uns zu und fragte, wer wir seien. Ich erklärte es ihr, danach begannen wir mit ihr über andere Tische zu reden, wobei ich zugab, im Internet zu schreiben. Sie war weder abgeneigt noch zeigte sie sich beeindruckt. Unser Gespräch verlief einfach ganz normal weiter.

Was mir nicht besonders zusagte waren die Lieder der Chassidim. Etwas langsam, obwohl die Chassidim auf den Rängen dazu hin und her wippten. Keine chassidische Gruppe bei der wir bisher waren, übertraf die tollen Lieder von Belz. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Die letzten zwei Lieder der Boyaner hingegen waren dann doch noch etwas vertröstlich.

Der Tisch war sehr gut und ein Besuch lohnt sich wirklich. Was aber besonders gut bei uns ankam war die Freundlichkeit, mit der wir aufgenommen worden sind. Meine Freundin, die mich zu fast jedem der Tisch begleitet, war total hin und weg. Sie wollte am nächsten Morgen in die Boyaner Synagoge geben und ich sollte die Aufsichtsdame fragen, wann der G - ttesdienst am Schabbat beginne. Das tat ich dann auch und bekam ein "Welcome" zu hören. Gegen 8.45 Uhr, recht früh für eine chassidische Gruppe. Fast überall wonaders beginnt der G - ttesdienst erst zwischen 9.30 - 10.00 Uhr.

Leider haben die Boyaner ihren Tisch nur einmal im Monat, doch gleich nach dem Trauer - und Fastentag "Tisha Be' Av" gibt es in Boyan eine große Hochzeit. Der Chassid will mir Details nennen und wenn alles gutgeht, fahren wir dorthin.

Was gibt es noch zu den Boyanern zu sagen ?

Ja, sie haben Takanot (interne Gruppenregeln). Die Mehrheit von ihnen regeln das Verhalten in der Synagoge und was man beim Kiddusch (Segnung des Weines am Schabbat) essen darf. Der Rebbe legt höchsten Wert darauf, dass während des G - ttesdienstes nicht geredet wird. Er selber betet in einem Nebenraum und erscheint nur beim Herausholen bzw. Zurückbringen der Thora in den Aron HaKodesh (Thoraschrein) sowie zum "Birkat HaCohanim - Segen der Cohanim (Tempelpriester)".

Ja, man kann neu in die Gruppe hinzustossen. Dies wird jedoch nicht sonderlich gefördert, denn in der Vergangenheit gab es mit vielen Neuzugängen von außen Probleme.

Ja, eine Frau kann außerhalb der Gruppe arbeiten. Auch mit Computern etc. Dagegen lernen die Frauen keinen Talmud oder höhere jüdische Studien wie den Rambam.

Nein, die Boyaner hören nicht unbedingt Radio, denn dies sei nicht förderlich für irgendwelche relig. Gedanken und störe nur.

Ansonsten ist jedes Mitglied relativ frei in seinem Leben und trifft alleinige Entscheidungen. Ein Mitglied meinte zu mir, dass die Chassidim die Anordnungen des Rebben mit Freude ausführen.

Zum Morgeng - ttesdienst Schacharit kamen wir dann übrigens doch nicht, denn es wurde ausgeschlafen. Trotzdem ist meine Freundin so begeistert von der Gruppe, dass es kaum möglich ist, sie zu bremsen.

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