Sonntag, 20. Juli 2008

Ich wohne hier nicht mehr

B"H

Die Ereignisse am letzten Schabbat waren wohl etwas viel für mich. Der Schabbat in Tel Aviv unterscheidet sich wesentlich von dem in Jerusalem. Wer als Jude den Schabbat in Jerusalem verbringt, dem stehen Tausende verschiedener Möglichkeiten offen. Nehmen wir einmal an, jemand befindet sich neu in der Stadt oder ist ganz einfach nur ein jüdischer Tourist, der niemanden in der Stadt kennt. Der einfachste Weg für ihn ist dann zur Kotel (Klagemauer) zu gehen, wo er garantiert einen Typen namens Jeff Seidel antreffen wird. An jedem Erev Shabbat, gleich nach dem Kerzenzünden, ist Jeff am Brunnen am Eingang zum Männerbereich zu finden. Er ist leicht zu erkennen, wenn man ihn denn einmal erst sichtet. Klein, aber sein großer schwarzer Hut läßt ihn nicht ganz verschwinden. Gebürtig ist Jeff aus Chicago, machte jedoch schon vor vielen Jahren Aliyah und kümmert sich seither darum, dass zumindest jeder jüdische Tourist einen Platz zum Essen am Schabbat bekommt. "Need a place for Shabbes", so lautet seine immer wiederkehrende Frage.

Nichts dergleichen findet man in Tel Aviv, Bnei Brak oder überhaupt irgendwo in Israel. In den beiden hier genannten Städten muß man schon Leute kennen, um Einladungen zu erhalten. Nichts ist halt mit Jerusalem vergleichbar.

Am vergangenen Erev Schabbat verbrachte ich den "Kabbalat Shabbat Service" in einer Chabad Synagoge nahe der Sheinkin Street in Tel Aviv. Jeder denkt bei Chabad an Offenheit und ggf. Gastfreundschaft. Nicht so in der Sheinkin Street. Dies mag teils daran liegen, dass es nicht viele Betende dort gibt und dass die Mehrheit davon gar keine Chabadnikim sind. Natürlich will Chabad, dass Leute kommen, aber darüber hinaus geschieht nichts. Ich konnte mich glücklich schätzen, mein Essen daheim vorbereitet zu haben. Dies ist übehaupt sehr empfehlenswert in Tel Aviv; ganz im Gegensatz zu Jerusalem.

In der Chabad Synagoge sah ich ein paar neue Leute, die nicht so recht wußten, was sie am Schabbat tun sollten. Etwas hilflos standen sie da. Man suchte Anschluß, den man sich am ehesten bei Chabad erhofft hatte. Zumindest einen Kiddush nach dem Service. Aber nichts dergleichen geschah und nach dem G – ttesdienst ging jeder seiner eigenen Wege. Selbstverständlich kann man Chabad nicht verantwortlich machen, das Auffangbecken für alle darzustellen, doch sollte wenigstens ein Kiddusch stattfinden.
Fünf Minuten, zehn Minuten.

Während ich mir dies alles so durch den Kopf lassen ging, kam ich zu dem Entschluß, beim einem eventullen nächsten Mal selbst Traubensaft oder Wein mitzubringen und "Kiddusch für alle" anzubieten. Im Park hinter der Synagoge oder gleich lieber am Eingang zum Carmel – Markt. Bei Chabad in der Sheinkin hat man jedenfalls das "Heimishe" gründlich verpaßt.

Nach der Kabbalat Schabbat ging ich nach Bnei Brak und dort ergab sich fast das gleiche Bild: absolute Ruhe.
Die Yeshivot sind bis mindestens 16. August geschlossen (einschließlich Ponibezh) und die Mehrheit der chassidischen Rebbes befindet sich im Sommerurlaub. Das Ergebnis schaut derzeit dementsprechend öde aus. Die Chassidut Modzidz hat zwar einen Tisch, doch der ist nur für Männer. Einer der zwei derzeitigen Vishnitzer Rebben von Bnei Brak, Rabbi Israel Hager, war zu einem Treffen der Vishnitzer Jugend in der Nachbarstadt Petach Tikwah unterwegs und somit viel der größte chassidische Tisch in Bnei Brak aus. Ich ging zu den Schomrei Emunim sowie zu Nadvorna, doch bei beiden Gruppen war ebenfalls dicht. Und so verbündete ich mich mit den Hunderten Gästen von außerhalb, die da, wie ich, auf der Suche nach etwas chassidischer Action waren. Der Abend war nicht gerade von Erfolg gekrönt und ich marschierte zurück nach Tel Aviv.

Gestern dann war ich wieder in besagter Chabad Synagoge, wobei ich, obwohl ich den G – ttesdienst sehr geniesse, ernsthaft in Erwägung ziehe, mich nach einer anderen Synagoge umzusehen. Die wenigen Anwesenden kommen, beten und gehen ohne große Worte heim. Keine Atmosphäre, kein Nichts. Zugegeben, vielleicht bin ich auch nur zu verwöhnt aus Jerusalem.

Gewöhnlich sind relig. Juden nicht unbedingt begeistert vom allzu säkuler wirkenden Tel Aviv. Das Komische aber ist, dass ich die Stadt zu mögen begonnen habe. Außer am Schabbat.
Als der Schabbat vorüber war, fuhr ich wegen eines Termines nach Jerusalem. Dort erhoffte ich mir ein wenig "übrig gebliebene Schabbatatmosphäre". Damit war es dann aber auch nichts mehr. Das Einzige, was ich fühlte war war, dass ich dort nicht mehr lebe. Ein seltsames Gefül.

Nicht, dass ich einen besonders tollen Schabbat hinter mir habe. Manchmal hat man ein Gefühl dafür und dann wieder nicht. Was soll ich sagen ? Und wahrscheinlich ist es eine gute Idee, mit anderen etwas Eigenes aufzubauen.

Ein leichtes Fasten am heutigen 17. Tammuz und eine gute Woche an alle.

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