B"H
Was geht's mich an ? All das chassidische Zeugs. Chassidim sind doch eh Hinterwäldler. Laufen mit komischen Jahrhunderte alten Klamotten herum und leben in ihrer Shtetlwelt ? Und wen interessieren chassidische Inhalte heute noch ?
Diese Fragen bzw. Aussagen kommen recht häufig. Besonders von deutschen Juden sowie Nichtjuden. Obwohl die chassidische Gruppe Chabad in Deutschland immer mehr und erfolgreicher Fuß fast, sind den Deutschen insgesamt die Chassidim und deren Welt fremd. Chabad verbreitet vorwiegend nur seine eigenen Inhalte und als ich am letzten Schabbat in einer Tel Aviver Chabad - Synagoge war und nebenbei berichtete, dass ich am Abend zuvor bei den Chassidim von Nadvorna in Bnei Brak war, kam eine Null - Reaktion. Keine Antwort und das Thema wurde gewechselt. Schade, denn die chassidische Welt besteht aus Hunderten von kleineren und größeren Gruppen und hat viel mehr zu bieten als nur Chabad - Inhalte. Ich kann nur jedem Interessenten anraten, sich auch eingehend um andere Gruppen zu kümmern, sonst geht die Chassidut an einem vorbei.
Jahrelang dachten viele Nationalrelig. und litvische Juden genauso: Was geht mich die Chassidut an ? Soll man sich lieber auf die Thora, die Halachot und das Mussar (Ethik) - Studium konzentrieren, anstatt über Kabbalah und mystische Inhalte zu diskutieren und diese irgendwie meditativ in die chassidische Praxis zu schleifen. "Wir brauchen keine chassidischen fliegenden Teppiche", sondern pure Halacha. G - ttes Willen ausführen und nicht daherschweben.
Erklären wir es einmal ganz einfach und jeder wird zustimmen:
Jeder Mensch ist anders; der eine liebt das Aktive, die Halachot, das Thorastudium, das Lernen oder die Ethik. Der andere jedoch will einen tieferen Sinn in allem erkennen und nicht nur stumm dasitzen und vor sich hinlernen. Er will den Sinn verstehen und auch schon einmal die innere Bedeutung der Halachot kennen lernen. Kenne ich erst einmal die innere Bedeutung oder in anderen Worten, die kabbalistische Erklärung, fällt es mir eventuell einfacher, die Thoramitzwot zu halten. Was bringt mir das pausenlose Tun ohne großes Verständnis ?
Innerhalb der letzten zehn Jahre ist das Interesse am Chassidismus in den Staaten und in Israel enorm angewachsen. So enorm, dass selbst eine so furchtbar litvische Yeshiva wie AISH HATORAH vor einigen Jahren gezwungen war, Chassidismusvorträge einzuführen. Dies geschah auch aus prakischen Gründen, denn immer mehr ihrer Studenten rannten um die Ecke zu Chabad, wo einiges geboten war.
Chassidismus, das ist nicht nur chassidische Geschichte, bei denen einem ganz warm ums Herz wird. Chassidismus, das ist eine Lebensweise. Nicht jeder muß sich gleich chassidische anziehen und wer weiß wie herumrennen. Ich kenne unendlich viele Leute, einschließlich mir selbst, die sich eingehend mit chassidischen Inhalten und Lebensformen beschäftigen, ohne selbst richtige Chassidim zu sein. Wer weiß, vielleicht sind wir dies ja, dennoch gehören wir nicht offiziell einer bestimmten Gruppe an.
Wobei wir bei den Gruppen angelangt sind: Auch sie erleben innerhalb der vergangenen Jahre gewaltigen Zulauf. Und hier meine ich nun nicht nur Chabad oder Breslov; die Satmarer Chassidim haben regen Zulauf. Aber auch recht extremere Gruppen wie die Toldot Aharon oder das kaum extreme Belz erleben einen Boom. Insgesamt sind davon alle chassidischen Gruppen betroffen und jede von ihnen (außer Chabad und Breslov, wo man schnell hineinkommt) verfügen über ihre eigenen Aufnahmeregeln. Bei der Chassidut Dushinsky ist dies, z.B., ein Jahr Probezeit.
Aber was geht mich das nun alles an ?
Vielleicht nichts und es muß ja nicht jeden interessieren. Allerdings ist der Chassidismus ein nicht wegzudenkender Bestandteil des Judentums und ein jeder, der nach Antwerpen, London, New York oder Jerusalem fährt, wird der Bewegung nicht entgehen. Und das Judentum bedeutet nicht nur starres Lernen und Beten, sondern es hat soviel mehr zu bieten. Für jederman ist etwas dabei und jeder kann auf seine Kosten kommen, wenn er sich denn nur damit beschäftigt und sucht.
Und nicht jeder ist gezwungen, sich irgendwie kleidungsmäßig anpassen zu müssen, wenn er nirgendwo ein offizielles Mitglied ist. In heutigen Diskussionen um das Judentum kommt man um den Chassidismus nicht mehr herum und um mitreden zu können, sollte man zumindest ein wenig Ahnung haben, worum es dabei geht, um nicht Vorurteile zu schüren.
Dienstag, 8. Juli 2008
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen