Sonntag, 14. Dezember 2008

Schabbat in Beit Shemesh


Die Umgebung von Beit Shemesh.


B"H

Bevor mich jemand fragt: "Nein, der Rebbe der Toldot Avraham Yitzchak, Rabbi Shmuel Yaakov Kahn, war am letzten Schabbat weder in Jerusalem noch in Beit Shemesh. Aus anscheinend familiären Gründen fuhr er zum Relaxen in die Negev - Stadt Arad. Sein Schwiegersohn kam bei dem Mumbai - Attentat auf das "Chabad Haus" ums leben und der Schock sitzt tief in der Familie des Rebben.

Die Buslinie 411 von Tel Aviv nach Beit Shemesh braucht eine Ewigkeit. Fast 1,5 Stunden sass ich im Bus, der da durch die halbe Pampa gondelte. Sogar durch Ramle. Immerhin war ich seit Jahren einmal wieder in Ramle und sah, wie es sich verändert hat. In Israel wird eh ständig überall neu gebaut. Schließlich jedoch kamen wir in Beit Shemesh an, wo ich bei einer Familie der Chassidut Avraham Yitzchak eingeladen war. Mein Plan war es, mich nach meiner Ankunft durchzufragen, was ich auch tat. Eine Frau der Chassidut Breslov meinte, dass sich der Stadtteil Ramat Beit Shemesh selbst aus zwei Teilen zusammensetzt. Aus A (Aleph) und B (Beit). Schnell aber fand ich meinen Weg ins chassidische Ramat Beit Shemesh, nach Beit.

Nachdem ich mich durchgefragt hatte, fand ich das Haus meiner Gastgeber sehr schnell und eine der Töchter wartete schon draußen auf mich. Es war schon fast Schabbat als ich ankam und die drei Kids der Family bombardierten mich sofort mit sämtlichen Fragen. Chassidisch aufgewachsen (Alter von 5 - 7) sehen sie nicht alles so als selbstverständlich wie wir das tun und das ich nur in Socken und nicht in dicker Wollstrumpfhose unter dem Rock herumlief, verursachte großes Erstaunen. Oder kurz gesagt, die Kids und ich hatten eine interessante Zeit zusammen. Zusätzlich war noch ein weiterer Gast da. Ein 1,5 Jahre alter Junge namens Herschi, auf den die Familie zeitweilig aufpasste. Herschi verstand nur Jiddisch und er wurde zu unserem "Schabbat Star". Alle waren auf ihm drauf und einen Nervenzusammenbruch hätte ich ihm nicht verdenken können.

Der Familienvater ging mit dem Sohn in die Synagoge und die Mutter sowie ihre zwei Töchter, ich und Herschi blieben daheim. Meine Freundin und ich plauderten und plauderten während uns die Kinder allmählich in den Wahnsinn trieben. Sie berichtete mir, wie sie sich nach all den Jahren in Jerusalem im geruhsamen Beit Shemesh eingelebt hatten. In Beit Shemesh selber findet gerade nicht die große Action statt und alles was wir vom Fenster aus sahen waren Chassidim und die etwas weiter entfernt gelegenen Berge um die Stadt herum. Eine großartige Aussicht und vor allem viel frische Luft.

Innerhalb der letzten Jahre liessen sich besonders viele Haredim in Beit Shemesh nieder, denn dort sind die Wohnungen für frisch verheiratete Paare erschwinglicher als in Jerusalem. Aufgrund der immensen Nachfrage kommen die Baufirmen jedoch schon gar nicht mehr mit dem Bauen nach und auch meine Freunde wohnen in der derzeitigen Wohung nur vorübergehend. Solange bis ihre gekaufte Wohnung fertiggestellt ist.

Und was tut man dort am Schabbat ?
Kiddusch machen (den Wein segnen), essen und schlafen gehen.
Und genau das taten wir auch.

Am nächsten Morgen wurde ich von Herschis Geschrei geweckt. Der Familienvater sowie der Sohn verschwanden abermals in der Synagoge und nach einem kurzen Frühstück gingen meine Freundin, ihre zwei Töchter und Herschi in der Kinderkarre spazieren. Das Wetter war sonnig und warm (abends sollte es regnen) und meine Freundin führte mich durch die chassidische Nachbarschaft, in welcher die Chassidut Nadvorna sowie Dushinsky gerade neue Synagogen bauen.



Die Nachbarschaft meiner Gastgeber.


Wir liefen durch den chassidischen Teil als wir aus der Ferne zwei laut aufheulende Motorräder anbrausen hörten. Meine Freundin sagte mir, dass einige Säkulere absichtlich am Schabbat kommen und den Streit mit den Haredim suchen. "Sie fahren hier nur am Schabbat durch, um zu provozieren".
"Was würde man wohl sagen, wenn wir Chassidim uns in deren Gebieten aufstellen und da abhängen ? Stattdessen kommen sie hierher und verursachen, dass die Haredim "Shabbes, Shabbes" schreien und ausflippen.

Wir kamen zu einem Kinderspielplatz, der neben der Beit Midrasch der Chassidut Gur lag. Sofort stürzten die Kids auf sämtlich Spielzeuge los und Herschi war außer sich. Plötzlich kam ein Jogger vorbei, der nicht gerade das war, was man anständig angezogen nennt. Meiner Freundin war das zuviel und sie rief "Shabbes, Shabbes !" Der Jogger hielt an und fragte, ob sie mit ihm ein Problem habe, aber sie rief nur weiter "Shabbes, Shabbes !" Der Jogger rastete aus, rief "Taliban !" und verschwand.

Ich sagte meiner Freundin, dass ich dem Jogger eher nichts gesagt hätte, woraufhin sie konterte, dass die Haredim ihren Kindern eine einigermassen "reine" Erziehung bereiten wollen. Mir war schon klar, dass der Jogger in extrem kurzen Hosen durch ein haredisches Gebiet joggte, wo die Kinder derlei Anblicke von halbbekleideten Menschen nicht gewohnt sind. Und klar, hatte der Jogger schuld. Die Leute denken nicht nach und wenn sie dann mit den Haredim in eine Situation geraten, ist das Geschrei groß. Dann heißt es "Taliban".

"Manche laufen sogar mit nacktem Oberkörper durch unseren Stadtteil", so meine Freundin.
Dieser Zwischenfall machte mir einmal wieder mehr klar, wie sehr viele Säkulere die Bedürfnisse bzw. die haredische Welt wegignorieren. Ich sage damit nicht, dass die Toleranz nicht ebenso von beiden Seiten ausgehen sollte; dennoch, wieviele Hetze, auch von denjenigen, die meinen sie seien relig. (was sie im Endeffekt nicht sind), musste ich schon vernehmen. Auch in der Blogwelt.

Realität ist, dass viele Säkulere eine Konfrontation mit den Haredim selber hervorrufen und sogar provozieren. Und dann heißt es wieder, dass die Haredim so schlimm seien, die Leute anschreien und ggf. Steine werfen. Ich jedenfalls bekomme keinen Kick davon, halbnackt durch Mea Shearim zu laufen.

Ich verbrachte einen tollen Schabbat mit der Familie und als ich nach dem Schabbat abfuhr, jammerten die Kinder, ich solle bloss bald wiederkommen. Sogar ohne lange Wollsocken.

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