Mittwoch, 1. Juli 2009

Soll ein Baal Teschuva den Kontakt zu seinen Eltern abbrechen ?

B"H

Soll ein Neureligiöser den Kontakt zu seinen Eltern abbrechen, wenn er denn religiös geworden ist ?

Diese Frage wird bei den Betreffenden selber nicht selten gestellt. Wobei ich hierbei ebenso Konvertiten zum Judentum mit einbeziehe.

Ein Belzer Chassid antwortete mir zu der Frage Folgendes:
Sobald sich ein Neurelig. einer chassidische Gruppe anschliesst, sollte er den Kontakt zu seinen Eltern abbrechen. Egal, ob es sich bei den Eltern um säkulere Juden oder eben im Falle der Konvertiten, um nichtjüdische Eltern handelt.

Klingt hart ?
Was also ist die Begründung hierfür ?


"Wenn da ein neu Hinzugekommener in die Gruppe seine Kinder in die Schulklasse meiner Kinder schickt und diese nach einem Besuch bei den Großeltern vom TV, von weltlichen Zeitungen oder von weltlichem Gerede berichten, dann verdirbt mir das meine Kinder", so der geborene Belzer.

Was soll sich ein Neureligiöser noch groß mit seiner alten Umgebung abgeben ? Mit Freunden aus der Vergangenheit ? Sollte derjenige nicht eher Wert darauf legen, sich einen neuen Bekanntenkreis in seiner neuen Umgebung zu suchen ?

Insbesondere bei chassidischen Gruppen wird derlei Verhalten erwartet. Wenn jemand tatsächlich religiös nach der Thora leben will, dann soll er diesen Schritt ruhig wagen. Alte Kontakte aber können hierbei störend wirken, denn man kann nicht hier sein und dort. Ein einziger Weg sollte gefunden werden und nicht die ewige Hin - und Her - Reiserei zwischen den Welten.

Die Begründung zum Kontaktabbruch mit der alten Welt mag hart klingen. Steht nicht in den Zehn Geboten, dass man seine Eltern ehren soll ?

Das ist durchaus richtig, doch was, wenn die alte Welt auf den Neureligiösen negativen Einfluss gewinnt ? Das große Problem tritt stets in dem Augenblick auf, in dem Kinder da sind. Hiermit meine ich genauso erwachsene Kinder aus dem früheren Leben !

Neureligiöse (Baalei Teschuva) haben einen riesigen Batzen an Problemen zu bewältigen. Mit der Religion an sich, mit der neuen Umwelt und mit sich selbst. Neue Prioritäten müssen gesetzt werden und und und.

Ich sagte dem Belzer, dass meines Erachtens nach der Kontakt zu den Eltern nicht ganz eingestellt werden muss, doch immerhin sollte man sich einschränken. Anstatt selber zu den Eltern auf Besuch zu fahren oder die Kinder hinzuschicken, können die Eltern ja zu einem auf Besuch kommen. Dann zumindest fällt das leidliche Thema TV schon einmal weg.

Doch sogleich tauchen die nächsten Probleme auf:
Wer von den religiösen Nachbarn (falls der Betreffende in einem relig. Stadtteil wohnt), will Säkulere durchs Haus trampeln sehen. Eventuell nicht richtig anständig angezogen. Was sollen da die Nachbarskinder für einen Eindruck bekommen ?
Und was sollen die Nachbarn von nichtjüdischen Eltern eines Konvertiten oder dessen nichtjüdischen Kindern aus einer vorherigen Ehe mit einem Nichtjuden halten ? Sowie ich die haredische Gesellschaft kenne, läuten dann sofort die Alarmglocken.

Ein noch wichtigerer Punkt aber ist bisher noch gar nicht zur Sprache gekommen und ein Außenstehender mag diesen niemals in Betracht ziehen:

Wenn jemand richtig relig. leben will und sich einer bestimmten relig. Gesellschaftsform anschliesst, kommt er recht schnell allein darauf, dass die alte Welt ihm nicht mehr zusagt. Sprich, es interessiert einfach nicht mehr.

Mit den Eltern oder Geschwistern mag man den Kontakt aufrecht erhalten, doch nach einigen Besuchen geht einem deren Gerede zo ziemlich auf die Nerven. Ich meine das jetzt grundsätzlich nicht negativ, aber wer relig. lebt und sich den ganzen Tag über mit gewissen Leuten (egal, ob haredisch oder nationalrelig.) abgibt, der erfährt neue Lebensinhalte. Ohne es großartig zu wollen oder zu planen werden dann die Themen der Eltern oder alter bekannte nebensächlich und man reagiert mit Desinteresse. Und dann wird schnell der Moment erreicht, bei dem man sich verabschiedet und in die neue Umgebung zurückkehrt. In beiderseitigem Einvernehmen: von einem selbst sowie der Eltern.

Man sagt nicht von vornherein, dass, wer relig. wird, diese Verzichte machen muss. Wer es glaubt oder nicht, das Ganze ist ein allmählicher eigenständiger Prozess, der sich einfach ergibt.

Den größten Nachteil haben hierbei Leute mit erwachsenen Kindern. Vor allem Konvertiten zum Judentum, die Kinder aus einer nichtjüdischen Ehe haben und deren Kindern dann zwangsläufig nichtjüdisch sind. Unabhängig von welcher relig. Gesellschaft, allgemein wird es nicht gerne gesehen, wenn da plötzlich ein solches Kind auf Besuch mit angeschleppt wird.
Ich befragte hierzu eine konvertierte Frau mit zwei erwachsenen Kindern und diese gab zu, schnell kapiert zu haben, was läuft. Nie täte sie ihre Kinder in die Synagoge oder woanders hin mitnehmen und "ehrlich gesagt, so meinte sie, würden dies meine Kinder auch gar nicht wollen".

2 Kommentare:

shoshi hat gesagt…

Das klingt ja widerlich sektenhaft! Besonders auch der Aspekt: "was werden die Nachbarn sagen?"

Weil ich mich sorge, was die Nachbarn sagen werden, sollen die eigenen Kinder nicht mehr auf Besuch kommen können? Das ist ja lächerlich!!!

Ich finde, man tut den Chassidim unrecht, wenn man ihnen unterstellt, dass sie das wollen...

Aber natürlich erfordert es eine gehörige Portion Mut und Rückgrat, zur eigenen Vergangenheit/Familie zu stehen...

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Es kommt immer darauf an und es gibt unterschiedliche Situationen und Meisterungen.
Sicher koennen die Eltern einen besuchen kommen, nur stelle ich es mir letztendlich kompliziert vor, wenn (ich sag das jetzt einmal ueberzogen) Eltern, die offenbar nicht gerade anstaendig gekleidet sind, in Kiryat Belz einfallen. Selbst wenn sie anstaendig gekleidet sind.

Es ist niemand gezwungen sich einer derartigen Gruppe anzuschliessen und wer das tut, der sollte bestimmte Situationen einkalkulieren.

Wobei es viele Leute gibt, die mit ihren Eltern einen tollen Kontakt haben. Man muss ja nicht gleich alle einfach so abschiessen !

Bei den Treffen daheim im eventuell relig. Stadtteil sollte man jedoch einen Unterschied machen zwischen jued. - saekuleren Eltern und Eltern, die keine Juden sind. Zum Beispiel kann man die saekuleren Eltern mit in seine Synagoge nehmen.

Ein wichtiger Faktor aber ist die Reaktion des Baal Teshuva (wie im Text beschrieben) selbst, was manche jetzt vielleicht nicht so glauben moegen.