Donnerstag, 27. Dezember 2007

Chassidim in Deutschland

B"H

Schon die Idee allein, dass Chassidim in Deutschland leben koennten, klingt absurd. Eine Bekannte meinte zu mir: "Fuer deutsche Juden waren die Chassidim schon immer die Ostjuden. Ein Fremdkoerper."

Wer die Geschichte naeher betrachtet, der sieht, dass dies der Realitaet entspricht. Der aufkommende Chassidismus im 18. Jahrhundert hat Deutschland, bis auf wenige Ausnahmen, niemals erreicht und das spaeter gegruendete Reform - Movement tat sein uebriges. Man legte Wert auf Aufklaerung und Anpassung an das damalige Deutsche Reich. Fuer deutsche Juden war es schon immer unvorstellbar in traditioneller chassidischer Kleidung herumzulaufen. Man fand und findet es primitiv. Schliesslich wuerde jeder Passant einen von weitem als Juden erkennen.
Chassidisches Leben und Lehren gelten als fremd. Wer will sich schon einem Rebben unterordnen, wenn er von einer freien Gesellschaft umgeben ist, die auf Assimilation draengt ?

Im Osteuropa des 18.Jahrhunderts schaute es anders aus. Nach vielen russischen Pogromen suchten die Juden Erklaerungen und Hoffnung. Da kamen die nicht neuen, aber wiederbelebten Ideen des Baal Shem Tov gerade recht. Die Menschen hatten einfach die Nase voll vom akademischen Judentum, welches nur fuer einige Auserwaehlte bestimmt war (siehe litvishe Juden). Insgesamt waren die Juden in Osteuropa religioeser als jene in Deutschland. Auch nachdem das Reform Judentum Osteuropa erreichte, hielt die ueberwiegende Mehrheit der dortigen Juden ihre orthodoxe Richtung bei. Auch Dank einiger chassidischer Rebbes, die den Reformern erfolgreich entgegenwirkten.

Wie steht Deutschland heute zu den Chassidim und wie stehen diese zu Deutschland ?

Immerhin hat sich die chassidische Gruppe Chabad auch in Deutschland niedergelassen, was positiv zu bewerten ist. In der heutigen Zeit interessieren sich viele Juden fuer den Chassidimus. Einige litvishe Jerusalemer Yeshivot (relig. Schulen) waren gezwungen, chassidische Vortraege anzubieten, weil die Nachfrage so gross wurde.

Die Frage ist, ob deutsche Juden Chabad annehmen. Wer wirklich etwas ueber das Judentum lernen will, der geht dorthin, denn Chabad bietet reichlich Aufklaerung in allen Gebieten. Halachisch, Thora genauso wie spirituell. Es ware wuenschenswert, dass Chabad sich in Deutschland auch weiterhin ausbreitet und mehr Synagogen baut.
Ausser Chabad wird sich heutzutage keine chassidische Gruppe mehr niederlassen und Chabad weiss, dass es das es eine absolute Monopolstellung hat. Befinden sich vor allem in Zuerich, Paris, Antwerpen oder London Tausende anderer Chassidim wie Belz, Satmar, Gur etc., nach Deutschland kommt niemand. Nun koennte man der fehlenden Infrastruktur die Schuld geben. Keine ausreichenden koscheren Laeden, kaum relig. Schulen und und und. Doch das ist kein Grund fuer Chassidim sich nicht niederzulassen. Wenn sich einmal eine Gruppe niederlaesst, dann werden sofort Schulen, Synagogen, Laeden etc. eingerichtet. Und das in Windeseile.

Einer der wichtigsten Gruende fuer Chassidim Deutschland zu meiden, ist und bleibt der Holocaust. Die chassidischen Gruppen verloren Tausende ihrer Mitglieder im Holocaust und viele Rebbes sind auf aeusserst bestialische Weise von den Nazis ermordet worden.
Ich hoerte sogar von einigen deutschen Touristen, dass sie in New Yorker Stadtteilen wie Boro Park oder Williamsburgh von Chassidim beschimpft worden waren.

Aber nicht nur der Holocaust ist der Grund. Vor Jahren sprach ich einmal telefonisch mit einem Chabad - Verantwortlichen in der Chabad - Hauptniederlassung in New York. Er sagte mir das die Grundkriterien fuer eine Chabadniederlassung sind, dass es an dem entsprechenden Ort wirklich halachische Juden gibt.
Deutsche Gemeinde sind heutzutage voll mit russischen Neuankoemmlingen, die kaum ueber eine halachische juedische Herkunft verfuegen. Die meisten halachischen deutschen Juden wiederum sind nicht unbedingt am chassidischen Judentum interessiert, weil es fuer sie immer zu fremd und unbequem ist.

Insgesamt ist es fuer deutsche Gemeinden auf Dauer von Nachteil, keine chassidischen Juden zu haben. Wenn man schon allseits auf die Vielfalt pocht, dann darf man den Chassidismus nicht ausser acht lassen. In einer Zeit, in der der Antisemitismus wieder einmal Hochkonjunktur hat, will man nicht unnoetig durch chassidische Mitglieder auffallen. Man hat eh schon genuegend Probleme am Hals. Da wird sich dann doch lieber mit den grossen Kirchen arrangiert und macht auf christlich - juedische Zusammenarbeit. Selbst litvishe orthod. Rabbiner geben Vortraege in christl. Gemeinderaeumen. Ein grosses Paradox, denn mittlerweile sollte auch der Orthodoxie in Deutschland aufgefallen sein, was sie erntet. Assimilation und Mischehen.

Tatsache ist, dass sich diesbezueglich nichts aendern wird. Wer Chassidut lernen will, der geht zu Chabad und wer wirklich chassidisches Leben sehen will, der faehrt ins Ausland.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

im gegensatz zu deutschland, ist in wien ein ziemlich reges chassidisches leben ansaessig. die mehrheit der orthodoxen shuls sind chassidisch gefuehrt. hier gibt es weniger jekkes. wir haben hier vertreter von vishniz, seret vishnitz, vishnitz-monsey, satmar, gur, amshinov, belz, kretshnef, toldot ahron, spinka, munkatch, sadigura, pupe, zanz, zanz-klausenburg, breslov, tschernobil, merachmerstivke, chason ishnik'es (die kann man durchaus auch als eine art chassidim zaehlen) und selbstverstaendlich auch chabad.

dauernd sind hier irgendwelche rebbelech auf besuch und wenn die schon da sind, wird, wenn nicht tisch gefuehrt wird, mindestens eine botte gefuerht.

diesen shabbes (shmot) haben wir gleich 3 rebbische besucher hier, sind zwar nur die soehne von rebbes, aber auch um die wird ein trara gemacht als ob der baal shem tov persoenlich hier sein wuerde (seelisch ist er sicher hier).
anlaesslich einer bar mizwa eines der haupt-satmarer anhaenger in wien ist sind der sohn des satmarer rebbes, des toldot ahroner rebbes und des antwerpener rebbes (r' reich) in wien auf besuch. auch hier kann man sicher einige gute bottes erwarten.

git shabbes aus wien
f

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte Wien schon einiges an chassidischem Leben und selbst heute kann so manch anderer Europaer Euch richtig neidisch sein.

Eine Frage habe ich trotzdem noch:
Wie schaut es bei Euch in Oesterreich mit dem Antisemitismus aus ?
Kann man theoretisch mit chassidischer Klamotte durch Wien laufen ohne angemacht zu werden oder sollte man lieber vorsichtig sein ?