Donnerstag, 27. Dezember 2007

Emanzipation und Selbstverwirklichung der juedisch - orthodoxen Frau

B"H

Einmal erhielt ich eine e-mail von einem Blog - Leser, der mich nach der Emanzipation oder Stellung der Frau im orthodoxen Judentum fragte. Dieses ist eine Frage, die ich mir selbst immer wieder stelle. Wo und wann beginnt die Selbstverwirklichung der religioesen Frau und wo endet sie ?
Mit religioesen Frauen meine ich hier Nationalreligioese sowohl als auch Harediot (litvish und chassidisch).

Eine Generalisierung gibt es auch hier nicht. Wie ich schon in vorherigen Beitraegen erwaehnte, gibt es immer Unterschiede zwischen nationalreligioes, litvish und chassidisch.
Vielleicht hat es die nationalreligioese Frau etwas einfacher, sich selbst zu verwirklichen, denn sie ist nicht an eine strikte organisierte Gesellschaftsform gebunden. Jedenfalls nicht, wenn sie in einer Stadt wie Jerusalem wohnt. In Siedlungen wie Kfar Tapuach, Gush Etzion etc. sieht es sicher anders aus.

Die Art der Selbstverwirklichung wird ueberwiegend auch von der Bildung bestimmt und dort haben es die Nationalreligioesen einfacher. Selbst wenn sie Schuelerinnen der relig. NOAM - Schule sind, so haben sie spaeter die Moeglichkeit ein Universitaetsstudium zu beginnen. Was allen Plaenen jedoch einen Riegel vorschieben koennte, sind die relativ fruehen Hochzeiten. Wer mit 22 Jahren noch nicht verheiratet ist, gilt nicht gerade als Aussenseiter, dennoch reden die Leute und manche moegen spotten, dass bei derjenigen anscheinend etwas nicht stimme, wenn sie noch keinen Ehemann hat. Nach der Hochzeit im fruehen Alter folgt schon der naechste Riegel: Kinder.
Kinder sind zwar eine grosse Mitzwa (Gebot), doch fuehrt dies auch dazu, dass die Frau vorerst fuer andere Dinge im Leben zu beschaeftigt ist. Spaeter kommen noch mehr Kinder dazu und ehe man sich versieht, geht das Leben an einem etwas vorbei. Jedenfalls wuerde ich mich so fuehlen.
Andererseits kenne ich nationalreligioese Frauen, die erst ein Studium abschlossen und spaeter heirateten. Es folgten zwar Kinder, aber die Frauen arbeiten mindestens halbtags. Sei es in Regierungs - oder anderen leitenden Jobs, man findet nationalreligioese Frauen haeufig in gehobenen Positionen.

Bei chassidischen Frauen schaut alles um einiges anders aus. Wer chassidisch auswuchs und auf der Maedchenschule Beit Yaakov etc. war, der ist fuer ein Universitaetsstudium nicht qualifiziert. Natuerlich gibt es weiterfuehrende relig. Maedchenschulen, die sogenannten Michlalot. Selbst mir wurde einmal soetwas angeboten. Ein Studium nach der Thora und nicht mit viel weltlichem Gerede.
Aber auch hier stossen wir auf die gleichen Riegel, welche einem die Gesellschaft vorschreibt. Die aeusserst fruehe Heirat mit 18 Jahren. Wer aelter ist als 20, der wird in der chassidischen Gesellschaft schraeg angesehen und fuer diejenige ist es dann umso schwerer, einen passenden Ehepartner zu finden. Der chassidische Gatte wird viel weniger die etwaige Karriere seiner Frau tolerieren als z.B. ein nationalrelig. Ehemann, denn in der chassidischen Gesellschaft gelten auch heute noch die strikten Rollenverteilungen. Bei Chabad oder Breslov mag das teilweise anders sein, doch bei Satmar oder Toldot Aharon kommen solche Belange erst gar nicht in Betracht. Chassidische Maedchen sind nicht so erzogen, dass sie mit 18 Jahren nach der Emanzipation schreien. Fuer sie ist nach wie vor das Ideal, eine eigene Familie im Sinne der Thora zu gruenden und nicht Halligalli zu machen.

Wiederum anders sieht es bei der litvish - haredischen Frau aus. Genau in der Gesellschaft finden gerade viele Veraenderungen statt. Durch Kuerzungen im Regierungsbudget sind Familien nun umso mehr gezwungen, arbeiten zu gehen. Allerdings lernt der litvishe Mann meistens noch im Kollel (Thora & Talmud), waehrend seine Frau jobbt. Vor allem in der High - Tech Branche in Jerusalem und im nahegelegenen Beit Shemesh werden seit laengerem gerne haredische Frauen eingestellt. Wahrscheinlich mehr als Tausend Jobs sind so entstanden. Tendenz steigend.

Ob all diese angesprochenen Gruende zur Emanzipation oder Selbstverwirklichung fuehren, kommt auch auf die Persoenlichkeit jeder einzelnen Frau an oder darauf, was sie unter der idealen Selbstverwirklichung versteht. Bei der extremen chassidischen Gruppe Toldot Aharon koennte ich mir vorstellen, dass wenn die Frau dort als Lehrerin arbeitet, sie sich sehr wohl verwirklicht sieht.
Ein entscheidenden Faktor spielt natuerlich auch der Ehemann. Wie tolerant bzw. intolerant ist er. Aber all jene Dinge sollte man schon vor der Hochzeit absprechen.

Wenn ich meine nationalrelig. Schuelerinnen vor Purim frage als was sie sich denn verkleiden, antwortet mir fast jede: als Braut. Aller Emanzipation zum Trotz, die Heirat gilt in allen drei Faellen als Ideal.

Die Emanzipation innerhalb der Religion kommt nur schwer in Gang. Eine orthod. Frau will nicht gerade Rabbinerin werden. Eine Idee, die es meines Wissens nach nicht gibt. Viele relig. Frauen aller drei Gruppen unterrichten aber Thora, in vielen Faellen auch Talmud, Chassidut oder sind Beraterinnen im Oberrabbinat. Gegen die Maennerwelt ist es nach wie vor schwer, sich durchzusetzen, aber dieses Problem gibt es ueberall. Ich habe die Erfahrungen gemacht, dass es immer auf den Individualfall und die Beteiligten selbst ankommt.
Meine Haredi - sowie nationalrelig. Freunde fragen mich nach talmudischen Angelegenheiten oder nach der Thora. Umgekehrt frage ich sie auch und wir hatten diesbezueglich noch keine Probleme. Eines muss ich aber sagen: Die haredische Maennerwelt liebt es Frauen, die etwas vom Judentum verstehen, zu testen. Nicht nur einmal wurde ich ueber das jeweilige Daf Yomi (die taegliche Talmud - Seite, welche gelernt wird) ausgequetscht. Kommen die richtigen Antworten, sind die Maenner sehr schnell ruhiger.

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