Sonntag, 23. Dezember 2007

Yentl und der Fortschritt

B"H

Wer erinnert sich nicht an eine der Eingangsszenen des Filmes "Yentl" mit der Schauspielerin Barbara Streisand ?

Eine junge jüdische Frau, Yentl, geht zum Markt in ihrem chassidischen Ort in Osteuropa und blättert an einem Bücherstand begeistert in talmudischer bzw. halachischer Literatur. Der Verkäufer geht entsetzt auf sie zu und teilt ihr mit, dass sich die "Bücher für die Frau" auf der anderen Seite des Standes befinden. Kochbücher und dergleichen.

Im weiteren Verlauf des Filmes wird gezeigt, wie Yentl sich nicht mit einer lernenden Männerwelt zufrieden gibt und auch an höheren jüdischen Studien teilnehmen will.

Noch bis vor wenigen Jahren war diese Mentalität nur allzu gegenwärtig. Die Männer lernen Thora, Talmud, Kabbalah, etc. Die Frauen dagegen sollen sich auf ihre eigentlichen Aufgaben beschränken, die da keineswegs höhere jüdische Studien lauten. Die Frau hat im Judentum die Aufgabe, die Familien zusammenzuhalten und halt eine gute Ehefrau und Mutter zu sein. Leider wird dabei immer weniger auf die jüdische Geschichte geschaut, in der unsere Vormütter Sarah, Rebekka (Rivka), Leah und Rachel große Frauen, ja sogar Prophetinnen waren. Außerdem kamen Yael, Devorah oder Chulda hinzu. Zu talmudischer Zeit gab es weitere gelehrte Frauen berühmter talmudischer Rabbiner wie Bruriah, die Frau des Rabbi Me'ir. Oder viel später setzte ausgerechnet die Tochter des Baal Shem Tov, Udel (Adel) die Familientradition fort. Nicht der Sohn Zvi wurde der große Gelehrte, sondern Tochter Udel gebar Söhne, welche die chassidische Tradition der Familie fortsetzten.

Heutzutage werden immer mehr Frauen tätig und lernen in speziellen Kursen Talmud oder sogar Kabbalah. Religiöse jüdische Frauen, die intellektuell genauso in der Lage sind, an solchen Kursen teilzunehmen. Viele gründen sogar ihre eigenen Lehrinstitute und haben Erfolg.

Ganz langsame vorsichtige Versuche des Fortschritts gehen auch in der chassidischen Gesellschaft um. Die Vorläufer waren die chassidischen Gruppen Chabad und Breslov. Der letzte Lubawitscher Rebbe, Rabbi Menachem Mendel Schneerson, propagandierte das Talmudstudium für die Frau. Breslov hinkt diesbezüglich noch etwas hinterher, bietet aber andererseits Kabbalahkurse oder wenigstens die Stories des Rabbi Nachman auf höherer Basis an.

Bei anderen Gruppen wie Satmar, Vishnitz, Toldot Aharon, Belz und vielen anderen sind diese Fortschritte absolute Zukunftsmusik. Derlei Studien sind undenkbar und stehen zu keiner Diskussion an.

Sobald ich mich mit derlei chassidischen Frauen unterhalte und erwähne, was ich lerne, schlagen sie beide Hände über dem Kopf zusammen. Nach einigem Zögern jedoch fragen sie mich schon viele Fragen zum Thema und sind interessiert.

Ich bin mir sicher, dass wenn es professionelle interne Einrichtungen der Gruppen gebe, welche spezielle Kurse für höhere jüdische Studien anbieten, dieses bei vielen Teilen der weiblichen chassidischen Bevölkerung eine hohe Nachfrage fände.

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