B"H
Es gab und wird immer Leute geben, die an historischen Ereignissen und Personen interessiert sind oder auch nicht.
Eine bemerkenswerte Persönlichkeit in der Geschichte sowie der Entwicklung des Chassidismus (Chassidut) stellte Rabbi Yaakov Yitzchak HaLevi Horowitz, der Seher von Lublin (HaChozeh MiLublin), dar. Kaum ein anderer Rabbiner prägte den Chassidismus so mit wie er und wurde von seiner Anhängerschaft so verehrt.
Das größte Aufsehen jedoch erregte sein seltsamer Tod und die Ursachen und Gründe geben bis heute viel Stoff für Spekulationen her. Es darf spekuliert werden, doch eine wahrheitsgetreue Antwort gibt es nicht. Auf meine Anfrage an einen Belzer Chassid antwortete mir dieser, dass niemand genau sagen kann, was passiert ist und warum. Die Leute, die damals im Jahre 1814 wirklich dabei gewesen waren, hüllten sich in Schweigen.
Geboren wurde Yaakov Yitzchak HaLevi Horowitz im Jahre 1745 in Lukov bei Tarnograd in Polen. Sein Vater war Rabbi Avraham Eliezer HaLevi, der außerhalb Lublins die Gemeinde Yosefov betreute. Die Mutter war Sprinza – Meitel, die Tochter des litvishen Rabbiners Yaakov Koppel. Wie viele Rabbis der damaligen Zeit verweigerte Rabbi Koppel beharrlich, sich der chassidischen Bewegung anzuschliessen. Seinerzeit bekam er sogar hohen Besuch vom Baal Shem Tov persönlich, doch Rabbi Koppel weigerte sich ebenso, den chassidischen Meister zu empfangen.
Frühzeitig fanden ihm sein Vater und Großvater eine passende Braut, aber Rabbi Yaakov Yitzchak fand sie alles andere als besonders passend und weigerte sich, die Dame zu heiraten. Aus Zwang heraus tat er es schließlich doch, nur um schnell zu verschwinden und den Maggid aus Mezritch (Rabbi Dov Baer Friedman, Nachfolger des Baal Shem Tov) um Rat zu fragen. Wenig später erreichte die frischgebackene Braut der Scheidungsantrag (Get). Er begründete die Scheidung damit, dass er keinerlei "Kedusha – Heiligkeit" aus den Augen der Braut herauslesen konnte. Die zweite Frau des Sehers von Lubin wurde Tehila Sprinza und gemeinsam hatten sie sechs Kinder. Vier Söhne (Israel, Yosef, Avraham und Zvi Hirsch) sowie zwei Töchter.
Rabbi Yaakov Yitzchak lebte in Armut, denn er weigerte sich, eine rabbinische Position anzunehmen. Stattdessen lernte er unter Rabbi Moshe Zvi Hirsch Meisels von Zulkov. Später lernte er unter Rabbi Shmuel aus Nikolsburg und danach traf er auf den Maggid aus Mezritch (1704 – 1772) bei dem er so berühmte chassidische Rabbiner wie Rabbi Levi Yitzchak aus Berditchev (1740 – 1810) und Rabbi Israel Hofstein (den Maggid aus Koznitz, 1733 - 1815) kennen lernte. Der Maggid aus Mezritch sagte über Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz, dass es solch außergewöhnliche Seele seit der Zeit der Propheten nicht mehr gab.
Nach den Lehrjahren beim Mezritcher Maggid wandte er sich dem ebenso berühmten Rabbiner, Rabbi Elimelech Weissblum aus Lejansk (1717 – 1786), zu. Rabbi Elimelech wurde soetwas wie eine Vaterfigur für den jungen vielversprechenden Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz. Bald sahen chassidische Größen wie Rabbi Zvi Naftali aus Ropschitz (1760 - 1827, Rabbi Elimelech aus Lejansk sowie Rabbi Levi Yitzchak aus Berditchev in ihm die chassidische Führerfigur der damaligen Generation.
Aber nicht alles war Friede, Freude, Eierkuchen, denn ausgerechnet mit seinem grossen Lehrer, Rabbi Elimelech von Lejansk, gab es Unstimmigkeiten. Rabbi Yaakov Yitzchak eröffnete sein eigenes Lernzentrum In der Stadt Lanzhut, nur wenige Kilometer entfernt von Lejansk. Rabbi Elimelech sah eine Art Konkurrenz am Horizont aufsteigen. Alsbald sandte er seinen Sohn Elazar zu Rabbi Yaakov Yitzchak, um letzteren zu bitten, den Konkurrenzbetrieb einzustellen. Rabbi Yaakov Yitzchak gab nach und zog nach Rozbadov.
Einige Zeit später zog Rabbi Yaakov Yitzchak zurück nach Lanzhut (Polen) und Rabbi Elimelech war abermals verärgert. Nun geschah noch Schlimmeres, denn einige wichtige Schüler Rabbi Elimelechs, wie Rabbi David aus Lelov, liefen zur Yeshiva (relig. Schule) des Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz über. Jetzt erschien Rabbi Elimelech persönlich vor dem Seher und beschuldigte ihn, seine Schüler zu "kidnappen". Somit gab es ein länger andauerndes Hin und Her zu dem es mehrere Berichte gibt. Einer davon lautet, dass Rabbi Elimelech aufgrund seines Alters als chassidischer "Führer der Generation" zurücktrat und an seiner Stelle den Seher von Lublin, Rabbi Yaakov Yitzchak, ernannte.
Den Titel "Seher – Chozeh" erhielt Rabbi Yaakov Yitzchak, weil er in der Lage war, die Zukunft vorauszusagen. Weiterhin konnte er beim blossen Anblick einer Stirn die Herkunft und das Schicksal der Seele (Neshama) herauslesen. Aber nicht nur die Mystik war ausschlaggebend. Rabbi Yaakov Yitzchak war ebenso eine Größe auf dem Gebiet der Halachot (jüd. Gesetz).
Des Weiteren erhielt den Beinamen "Seher" da er noch vor seinem Tod prophezeihte, dass in einem Zeitraum von 100 Jahren die Russen ihre Herrschaft über Polen verlieren werden. Und so geschah es; im Jahre 1915 besetzten die Österreicher Lublin und die einstige Prophezeihung des Seher erschien sogar in der Zeitung.
Unter seinen Anhängern waren so berühmte Rabbis wie der Maggid aus Koznitz, Rabbi Menachem Mendel aus Rimanov, der Rebbe aus Apta, Rabbi Moshe Leib aus Sassov, Rabbi Naftali von Ropschitz, der Yismach Moshe (ein Vorfahre des späteren Satmarer Rebben Yoel Teitelbaum), Rabbi Yitzchak Eisik aus Kalov und Rabbi Chaim aus Czernowitz. Zwar hatte der Seher den bekannten Rabbi Nachman aus Breslov nicht persönlich, dennoch bewunderte er ihn sehr.
Sein gesamtes Leben über erwartete Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz die Ge'ulah, das Kommen des Meschiach. Zur damaligen Zeit, als Napoleon seine Kriege führte, sahen nicht wenige chassidische Rabbiner eben jene Kriege als Gog und Magog. In den Propheten wird uns mitgeteilt, dass der Krieg zwischen Gog und Magog dem Eintreffen des Meschiach vorausgeht. Wobei e shier verschiedene Kommentare darüber gibt, um wechen Krieg es sich handelt. Der letzte Lubawitscher Rebbe, Rabbi Menachem Mendel Schneerson, zum Beispiel, war der Ansicht, dass der Zweite Weltkrieg schon Gog und Magog verkörperte und somit der Weg für Meschiach frei sei.
In der Nacht von Simchat Thora (Ende des Laubhüttenfestes Sukkot / Sept. oder Oktober) des Jahre 1814, kam Rabbi Yaakov Yitzchak aus der Synagoge und zog sich zurück auf sein Schlafzimmer, welches sich im ersten Stock seines Hauses befand. Im Schlafzimmer befand sich nur ein schmales Fenster und im Untergeschoß lag die Beit Midrasch (Bibliothek).
Gegen Mitternacht fanden die Chassidim den Körper des Rabbis unten im Hof liegen. Wie er dahin kam, ob er gestürzt oder gesprungen war, ist bis heute unklar. Bis zu seinem Tode am Tischa Be' Av des Jahres 1815 (ungefähr im August) verliess er nicht mehr sein Bett.
Tatsachen, die gegen einen Selbstmord sprechen:
Der Rabbi hätte zu dem über seinen Schultern gelegenen Fenster hinaufklettern müssen. Die Weingläser auf dem Fenstersims waren jedoch unberührt und wurden nicht beiseite geschoben.
Da einfach keine logische Erklärung für den Fall zu finden war, sahen ihn die Chassidim als ein mystisches Zeichen an. Der behandelnde Arzt Doktor Bernhard fragte Rabbi Yaakov Yitzchak, was denn geschehen sei und lezterer antwortete, dass die "Sitra Achra" ihn überkommen habe. "Sitra Achra" bedeutet, dass jemand seinen negativen Gedanken folgt, anstatt sich an G – tt zu wenden. In anderen Worten, der Mensch ist anfällig für Vergehen.
War es ein Fall oder ein Selbstmordversuch ?
Wenn Selbstmord, dann warum ?
Jahrelang hatte Rabbi Yaakov Yitzchak den Meschiach sehnlichst erwartet und hatte dessen Ankunft sogar für das Jahr 1814 / 1815 vorhergesagt. Als dieser aber auf sich warten liess, verfiel der Rabbi in schwere Depressionen.
Kritiker des Rabbis, besonders die litvischen Juden, sehen in dem Fall genauso einen spirituellen Fall. Der Zaddik (Gerechter) Yaakov Yitzchak Horowitz fiel von seinem hohen Level. Manche Litvische gingen sogar soweit zu behaupten, der Rabbi sei betrunken gewesen und deshalb aus dem Fenster gefallen.
Eine chassidische Weisheit gilt jedoch bis heute:
Als der Rabbi verunglückte, verkündeten die Litvischen sarkastisch, dass sie sich am Tage seines Todes freudig betrinken werden. Die Strafe G – ttes an die Litvischen kam postwended; Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz verstarb am Tischa Be' Av. Der Tischa Be'Av ist in 25 – stündiger Fastentag, der an beide Tempelzerstörungen erinnert. Der Rabbi starb an einem Fastentag und so hatte G – tt die Litvischen um ihr Gelage gebracht.
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Folgende Buchautoren waren mir eine große Hilfe bei den Recherchen:
Yitzchak Alfassi, Rabbi Zvi Meir HaCohen Rabinovitch, David Assaf sowie Rachel Elior
Mit Absicht bin ich in diesem Artikel nicht auf die Lehren des Rabbi Yaakov Yitzchak eingegangen, denn dies werde ich in einem gesonderten Artikel tun, der sich ebenso mit der Abspaltung von Lublin, dem Peschis'cha – Movement befassen wird. Kurz darauf folgt dann ein langer Artikel über das Hause Kotzk und dessen Rabbi Menachem Mendel von Kotzk, sowie die daraus entstandene chassidische Gruppe Gur.
Bekannte chassidische Gruppen, die in den Lehren des Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz ihren Ursprung haben:
Apta, Ropschitz, Lelov, Belz, Satmar und weitere.
Dienstag, 18. März 2008
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2 Kommentare:
Die "Satmar"-Bewegung hat ihren Ursprung nicht in den Lehren des Chose; die einzige Verbindung zwischen den beiden ist: Der Jismach Mosche aus der Stadt Uhel (Ihel) war ein Schüler des Chose und 100 Jahre später wurde sein Nachkomme, R. Joel Teitelbaum, Rabbiner in der Stadt Satmar.
Satmar ist keine Fortsetzung des Jismach Mosche (s. sämtliche chassidische Bücher vor der Schoa – die Gruppe wird unter "Uhel" geführt, Satmar scheint überhaupt nicht auf).
Statt "Satmar" sollte in der Liste der Schüler des Chose also "Uhel" stehen.
B"H
Ich weiss.:-)))
Satmar legt aber Wert auf dessen Ursprung im Chozeh.
Es ist halt immer von Vorteil, wenn man eine direkte Verbindung zum Baal Shem Tov vorweisen kann.
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