Sonntag, 30. März 2008

Kleiner Überblick - Die NETUREI KARTA

B"H

Sobald wir den Begriff "Neturei Karta" vernehmen, denken wir unweigerlich an die Rabbis, welche in den Iran fuhren und an der Anti - Holocaust - Konferenz teilnahmen. Wir denken an Moshe Hirsch, welcher als Minister für jüdische Angelegenheiten im Kabinett Arafats saß. Bei der Neturei Karta handelt es sich dem Anschein nach um ein paar Irre, die aus unverständlichen Gründen den im Jahre 1948 ins Leben gerufene Staat Israel verdammen.

Worauf aber basiert ihre Politik ? Wer ist die Neturei Karta und ist die Neturei immer gleich die Neturei Karta ?

Die Politik der Neturei Karta (übersetzt aus dem Aramäischen heißen sie "Hüter der Stadt") besteht überwiegend aus einer talmudischen Grundlage im Traktat Ketubot 110a - 111b. Kurz formuliert geht es darum, dass nur G - tt einen Staat Israel gründen kann. Allein Er bringt den Meschiach und danach kommen die Juden aus der Diaspora in das Land zurück. Der von G - tt gegebene Staat Israel oder besser das biblische "Eretz Israel" ist ein relig. Staat, der nach der Thora geführt wird. Derzeit haben wir einen mehr als säkuleren Staat, was nicht gerade dazu beiträgt, mit der Neturei Karta oder chassidischen Gruppen ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen. Viele Teile dieser Gesellschaften lehnen den derzeitigen Staat Israel in seiner jetzigen Form grundsätzlich ab.

Aber nicht nur auf dem Talmud Ketubot basieren die Ideen der Neturei Karta. Genauso benutzen sie das Buch "Va'yoel Moshe" des ehemaligen Vorsitzenden, dem verstorbenen Satmarer Rebben Yoel Teitelbaum. Aber auch der Autor des Buches "Shomer Emunim - Hüter des Glaubens", der Gründer der chassidischen Gruppe Toldot Aharon, Rebbe Aharon Roth, steht Rebbe Teitelbaum in nichts nach. Leider wird immer wieder der Fehler gemacht zu behaupten, dass die Chassidut Satmar sowohl als auch die Toldot Aharon Teile der Neturei Karta oder sie sogar völlig identisch miteinander wären. Dem ich gewiß nicht so und selbst die Neturei Karta ist nicht immer nur die Neturei Karta, denn auch in ihre gibt es Spaltungen.

So behauptete die Neturei Karta, dass Moshe Friedman und sein in den Iran eingereister Clan keinewegs der Neturei Karta angehöre, sondern eher sein eigenes Süppchen koche und den Namen der Neturei Karta in den Schmutz ziehe.

Genauso erging es Moshe Hirsch, der in Arafats Kabinett in Ramallah saß. Seit wenigen Jahren ist Moshe Hirsch an Alzheimer erkrankt und heute leitet sein Sohn Israel Hirsch den absolut extremen Zweig der Neturei Karta in Mea Shearim. Hierbei ist zu beachten, dass Israel Hirsch seine eigene Synagoge hat, welche "Ohel Sarah" heißt. Die etwas moderatere Abspaltung befindet sich in der großen Synagoge "Thora ve'Yirah". Ebenso in Mea Shearim und nur Hundert Meter vom Hirsch - Clan entfernt. Moshe Hirsch sowie sein Sohn Israel sind sogar für Mea Shearimer Verhältnisse zu extrem.

Wie wird man Neturei Karta ?

Offiziell indem man regelmässig in deren Synagoge zum Beten geht. Wobei ich sagen muß, dass ausgerechnet "Thora ve'Yirah" eine der schönsten Synagogen in Mea Shearim ist. Ich war schon einmal dort, doch leider fand kein G - ttesdienst statt. Hingehen werde ich aber wieder.

Thora ve'Yirah in Mea Shearim



Jemand aus Mea Shearim erzählte mir, dass die heutige Mea Shearimer Neturei Karta keinerlei Oberhaupt besitzt. Bis zum Jahre 1974 war alles anders, denn es gab den berühmt berüchtigten Rabbi Amram Blau. Rabbi Blau war der prominenteste Neturei Karta - Führer in Jerusalem und sorgte immer gerne für Schlagzeilen. Er organisierte wilde Demos gegen den Staat Israel und dessen Polizei, gegen das Edison - Theater oder gegen den Strassenverkehr am Schabbat in der Bar Ilan Street.

Die Neturei Karta wurde ca. um 1940 gegründet. Die Mehrheit denkt sicherlich, dass es sich bei ihnen um chassidische Juden handelt. Falsch, denn die Neturei Karta besteht überwiegend aus litvischen Juden, den ehemaligen Anhänger des Gaon aus Vilna. Verbandelt ist die Gruppe dennoch mit der antizionistischen Dachorganisation "Edah HaCharedit" sowie mit den Satmarer Chassidim. Offiziell bestehen keine Verbindungen, inoffiziell jedoch schon. Die Neturei Karta ist zwar kein Mitglied in der Edah, doch verfügt sie durch die Satmarer Chassidim über einen gewissen Einfluß.

Inwieweit ? Das kann ich nicht sagen, da auch die Chassidut aufgrund des Streites der zwei Rebben (die Brüder Rabbi Aharon und Rabbi Zalman Leib Teitelbaum) gespalten ist.

Heute gehören weltweit ca. 500 Familien der Neturei Karta an.
Ihre letzte Aktion vor wenigen Wochen war ein Schreiben an den libanesischen Hizbollah - Führer, Hassan Nasrallah, indem er zur Zerstörung des Staates Israel aufgerufen wird. Die Juden nämlich würden ihn insgeheim lieben.

Für uns alle sind solcherlei Aktionen kaum begreifbar. Da feiert Israel in Mai seinen 60. Geburtstag und die Neturei Karta scheint sich offen mit unseren größten Feinden zu verbrüdern. Als ich Freunden und Bekannten erzählte, dass ich in der Synagoge der Neturei Karta war, erntete ich fast nur Kopfschütteln.
Darüber hinaus, dass ich in meinen Blogs aus alle Gruppen eingehen will, finde ich es dennoch wichtig, auch den Antizionismus zu erklären. Ich weiß nicht, ob die Neturei Karta mit mir übereinstimmt, dennoch versuche ich ihren Standpunkt zu definieren:

Ich denke kaum, dass die Neturei Karta die arabische Welt so sehr liebt und dazu aufruft, Juden zu vernichten. Vielmehr sehen sie sich anscheinend als die Retter der Religion und wollen die Juden davor bewahren, zu sündigen, indem sie versuchen, den g - ttlosen Staat Israel auszulöschen. Vielleicht ist es die Ansicht der Neturei Karta, dass der Meschiach erst dann kommt, wenn es den säkuleren Staat Israel nicht mehr gibt.
Die Neturei Karta sieht sich als etwas Positives; sie nämlich wollen die Juden vor dem Sündigen bewahren. Ein schwer begreifbares Konzept, über das man wahrscheinlich länger nachdenken muß.

Andererseits hat die Neturei Karta anscheinend andere Kommentare übersehen. So zum Beispiel die Lehren des gleichen Talmud Traktates Ketubot (110) sowie den Ramban (Nachmanides). Demnach ist es eine große Mitzwah in Israel zu leben und dort die Mitzwot auszuführen. Aber weder die Toldot Aharon, noch Satmar oder die Neturei Karta betrachten es als Widerspruch in Israel zu leben. Man darf hier leben, nur soll man den jetzigen Staat weitgehend ignorieren und sich lieber nur um die Thora kümmern. Und somit fahren jene Gruppenmitglieder in keinen staatlichen EGGED - Bussen oder lehnen jede staatliche Unterstützung ab. Brenzlig nur wird es, wenn jemand ernsthaft krank wird. Dann springen allgemein die staatlichen "zionistischen" Krankenkassen ein.

Ich lehne die Neturei Karta nicht grundlegend ab, nur finde ich es weitaus übertrieben, mit unseren Feinden auf einem Gruppenbild zu posieren. Aber wie sagte mir ein Chassid ?
"Sind denn unsere Politiker wie Olmert und Livni soviel besser ? Machen sie nicht das Gleiche ? Wer stellt sich mit einem Abu Mazen zum Phototermin ? Anstatt immer nur auf der Neturei Karta herumzuhacken sollten wir uns genauso in der politischen Realität umschauen."

Von der offiziellen Neturei Karta - Site:

Schirayim

B"H

Jedesmal ist es immer wieder eine Show, wie sich die Chassidim am Freitag abend (beim chassidischen Tisch) um den Tisch des Rebben drängen bzw. gierig nach dem herumgereichten Essen greifen. Nicht jeder Rebbe, doch die Mehrheit schon, ißt bei seinem chassidischen Tisch am Erev Schabbat (Freitag abend).

Bei einem Tisch des Rebben einer chassidischen Gruppe handelt es sich um ein öffentliches Treffen zwischen ihm und seinen Chassidim in der Synagoge. Bei großen chassidischen Gruppen sitzt der Rebbe an einem langen Tisch zusammen mit den wichtigsten Rabbiner der jeweiligen Gruppe. Hierbei ißt der Rebbe gewöhnlich nur ein paar Häppchen und reicht den Rest des Mahles an die Chassidim herum. Meistens auf Tabletts oder Tellern. Jeder nimmt sich dann ein paar Brocken bzw. Krümel. Gegen Tischende werden Früchte und Kuchenstücke verteilt. Für die Frauen habe ich diesbezüglich schlechte Nachrichten, denn außer bei den Kretchnifer Chassidim bekommen sie nie etwas ab. Bei Kretchnif hingegen kann Frau schon mal zu einem Kuchenstück kommen.

Zu Beginn fragte ich mich, warum sich die Chassidim so danach drängeln, vom angetouchten Essen des Rebben etwas abzubekommen. Als ich den Grund dafür herausfand, betrachtete ich jedoch alles mit anderen Augen. Obwohl ich dennoch auf kein angegrabbschtes Essen stehe.

"SCHIRAYIM" - so heißt das Essen, welches der Rebbe mit seinen Chassidim teilt. Zuerst einmal ist es ein Privileg, jene Stücke Nahrung zu sich zu nehmen, über welche der Rebbe einen Segen gesprochen hat. Zum anderen bauten die Chassidim die kabbalistischen Ideen des Rabbi Yitzchak Luria aus; sobald der Rebbe einen Segen über sein Essen spricht (von dem er danach einen Großteil an seine Chassidim weiterreicht), setzt er die sogenannten Netzizot (sparks, Funken) frei, welche somit zu ihrem Ursprung zurückkehren.

Bei den "Netzizot" handelt es sich um eine Metaphor aus der Lurianischen Kabbalah. Bei der Erschaffung der Welt zog G - tt Seine unbegrenzte Macht zurück, um so Platz für eine unvollkommene Welt zu schaffen. Er erschuf die Welt also nicht mit Seiner unbegrenzten perfekten Macht, sondern schränkte Sich ein. Um die Welt in einen absolut perfekten Zustand zu bekommen, müssen wir gewisse Netzizot (Funken) zu ihrem Ausgangsort zurückführen.

Diese Funken fielen metaphorisch einmal von den höheren Welten in unsere materielle Welt und unsere Aufgabe ist es, sie wieder nach oben zurückzubringen. Dies geschieht durch die Einhaltung der Mitzwot (Thoragesetze) sowie dem Essen, wenn wir vorher einen Segen sprechen. Wir benutzen also die materielle Welt für heilige Zwecke. Aber auch wenn Männer Tefillin (Gebetsriemen) und Zizit tragen, kommen eben jene Funken frei. Des Weiteren bewirken wir sehr viel, sobald wir uns für ein Leben nach den Mitzwot entscheiden.

Daher ist es so wichtig, einen wenn auch nur winzigen Teil vom Mahl des Rebben zu bekommen. In der Chassidut ist er meistens ein Zaddik - Gerechter (zumindest die früheren Rebbes) und somit hat er die Kraft, viele Netzizot in die oberen Welten zu führen. Die Chassidim sehen sich als Teil davon und fühlen sich genauso durch den Zaddik erhoben.

Das Zaddik - Konzept ist heutzutage nicht immer das, was es einmal war. Viele heutige chassidische Rebben sind keineswegs mehr die großen Gerechten, die ihre Vorväter einmal waren. Heutzutage sagt man auch nicht immer, dass der Rebbe ein Zaddik ist, sondern das er der Sohn eines Zaddiks ist.

Siehe hier einen ähnlichen Artikel zum Thema.

Mittwoch, 26. März 2008

Die Mischkenot HaRoim

B"H

Photos von der Purim - Party der geheimen chassidischen Gruppe "Mischkenot HaRoim" in Mea Shearim.





Chassidischer Tisch Guide Teil 5 - Chassidut Kretchnif

B"H

Schon einmal von den Kretchnifer Chassidim gehört ? Nein ?
Wer Kretchnif nicht kennen sollte, für den ist es höchste Zeit, einmal zu deren chassidischen Tisch mit dem Rebben zu gehen. Jedenfalls mit dem derzeitigen Jerusalem Rebben, Rabbi Nissan Chaim Rosenbaum.

Zwar sind die Kretchnifer samt Rebbe auch in den Städten New York, Rehovot (Israel) oder Haifa vertreten, doch kann ich meinerseits bisher nur über den Jerusalemer Tisch berichten.

Mit Kretchnif verhielt es sich bei mir genauso wie mit den Slonim; ein Freund empfahl sie mir. Ein kleiner Tisch incl. gemütlicher Atmosphäre. Die Wegbeschreibung war perfekt und so fanden wir schnell das relativ große Gebäude der chassidischen Gruppe. Gleich gegenüber der Synagoge von Karlin - Stolin sowie der Beit Midrasch von Satmar. Und wie gewöhnlich begann unsere Suche nach dem Fraueneingang. Glück hatten wir dabei auch, denn zwei junge Frauen gingen vor uns hinein und nahmen uns mit auf die Frauenempore.

Viele Wochen war Kretchnif für uns soetwas wie ein Notnagel. Unsere Favoriten, die Rebben der Toldot Aharon sowie der Avraham Yitzchak, waren im Ausland und so schauten wir uns verzweifelt nach einem anderen Tisch um. Wir blieben ca. zwei Stunden bei Kretchnif und das reichte uns völlig. Wer jedoch so denkt, der verkennt die Kretchnifer und tut ihnen geradezu Unrecht. Wer sich zum dortigen Tisch entschließt, der sollte sich schon genauer umschauen und bis zum Ende bleiben.

Der chassidische Tisch der Kretchnifer beginnt relativ früh. Zwischen 22.00 und 22.30 Uhr. Enden tut er gegen 2.15 Uhr nachts.

Video vom Tisch

http://video.google.com/videoplay?docid=7495712384584720227&q=kretshnif+tish&total=3&start=0&num=10&so=0&type=search&plindex=0

Purim bei Kretchnif

http://video.google.com/videoplay?docid=-8247918920442353615

Rebbe Nissan Chaim Rosenbaum beim Mitzwetanz bei der Hochzeit seiner Tochter.

http://video.google.com/videoplay?docid=8053135343788864700

Wer einen kleineren gemütlichen chassidischen Tisch sucht, der kommt bei Kretchnif gerade richtig. Bei den ca. 40 - 50 anwesenden Männern findet man schnell Anschluß und Rebbe Nissan Chaim Rosenbaum ist zu jedem freundlich und aufgeschlossen. Kein Wunder, dass sich der Tisch selbst bei Gruppen wie Satmar, Karlin, Toldot Aharon, den Toldot Avraham Yitzchak, Gur, und vielen anderen großer Beliebtheit erfreut. Alle sind willkommen und bekommen vom Essen des Rebben etwas ab. Selbst die wenigen Bierflaschen werden brüderlich geteilt. Leider aber nur unter den Männern !!!

Der Kretchnifer Rebbe ißt eine ganze Mahlzeit, wobei er zwischendurch ständig an einem silbernen Behälter riecht. Vielleicht Kräuter, vielleicht auch Schnupftabak.

Das Synagogeninnere ist verhältnismäßig klein und die Frauenempore noch winziger.

Der Rebbe liebt es zu singen und tut dies natürlich ausgiebig. Außerdem hält er mindestens zwei Deraschot (relig. Reden zur aktuellen Thoralesung). Er ist akustisch etwas schlecht zu verstehen und das nicht nur auf der Frauenempore. Selbst die Chassidim rücken nahe an ihn heran, sobald er mit einer Rede beginnt.

Wie gesagt ist die Frauenempore recht klein, dafür aber kommt man schnell mit anderen Frauen ins Gespräch. Zumindest mit denen von anderen chassidischen Gruppen. Die Kretchnif - Frauen brauchen etwas mehr Gewöhnung und man sollte schon öfters hingehen, um Kontakte zu finden. Die Rebbitzen ist äußerst freundlich und gesprächig, doch eben auch nur, wenn man regelmäßig kommt. Meine Freundin und ich sind immerhin schon zu einer automatischen Begrüssung bei ihr aufgerückt.

Kretchnif ist soweit die einzige Gruppe, bei welcher die Frauen etwas vom Tisch des Rebben abbekommen. Die gigantischen dampfenden frischen Kuchen werden auch an die Frauen ausgegeben.

Besonders sehenswert sind die Tänze von Rebbe Rosenbaum. Dieses tut er mit einer ganz besonderen unbeschreiblichen Eleganz. Einmal allein vor seinem Stuhl und kurz darauf bildet er zusammen mit den Chassidim eine Kette und sie tanzen durch den Raum. Wobei besonders der Rebbe seine ganze Energie walten läßt und viele Chassidim gar nicht so schnell hinterherkommen.

Der Tisch bei den Kretchnifer ist äußerst sehens - und empfehlenswert. Wer familiäre Atmosphäre mag, der ist hier genau richtig. Das Einzige was stört ist die Mechitzah (Trennwand zu den Männern) auf der Frauenempore. Mir ist sie zu niedrig, da ich 1,75m groß bin. Und nach einer Stunde bekomme ich nicht selten Rückenschmerzen.

Die Mechitzah besteht aus ineinander geflochtenen Metallbügel, die leider vor kurzem auch noch zusätzlich mit einer durchsichtigen Plane überzogen worden sind. Diese Plane macht es den Augen nicht gerade leicht und nach einiger Zeit flimmert alles. Es wäre toll, wenn man bei Kretchnif diese Plane wieder abnimmt.

Location: Avinoam Street in Mea Shearim, gegenüber Karlin - Stolin.

Der Eingang zur Frauenempore befindet sich links vom Haupteingang. Einfach den Hinterhof überqueren, rechts abbiegen und die Treppen bis zum Ende hinaufgehen. Danach rechts den ausserhalb liegenden Gang durchqueren und rechts durch die Tür.

Montag, 24. März 2008

Das "Kommittee zur Reinheit"

B"H

Was und wer ist das sogenannte "Kommitte zur Reinheit" im ultra - orthodoxen Mea Shearim ?

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, muß ich mich anscheinend selber dort um einen Job bewerben, ein Vorstellungsgespräch erfolgreich absolvieren und einen Arbeitsvertrag bekommen. Ansonsten wird die Frage unbeantwortet bleiben. Vielleicht ist das "Kommittee" Teil der anti - zionistischen Dachorganisation Edah HaCharedit, vielleicht auch nicht.

Wer dieser Tage an Purim durch Mea Shearim geht, kann überall an den Häuserwänden die angeklebten Warnposter lesen. Da die dortigen Bewohner weder TV noch Radio besitzen, müssen die Nachrichten zwangsläufig auf einem anderen Wege verbreitet werden. Und daher lesen alle die Poster, welche in der Umgangssprache "Fakschvilim" genannt werden. Wer auch immer die lokalen Mea Shearim News erfahren will, der lese die Fakschvilim auf Jiddisch oder Hebräisch. Und auf diesem Wege erfahren alle die neuesten Erlässe der Edah HaCharedit sowie des "Kommittees zur Reinheit", welches gerade an den Feiertage immer besonders aktiv wird.

Die ganz aktuelle Warnung des "Kommittees" bezieht sich auf die haredische (ultra - orthod.) Teeniejugend in Mea Shearim. Eltern sollen an Purim ihre jugendlichen Sprößlinge nicht allein auf die Straße lassen, denn gerade an Purim treiben sich allerhand negative Einflüsse in den Straßen herum. So könnte die "reine" Yeshiva - Jugend zu Untaten angestiftet werden. Drogenkonsum, Diebstahl oder gar einfach ganz verloren gehen. Es bestehe Gefahr, dass die "reine" Jugend sich plötzlich auf dem Zions Platz (Zion Square) wiederfindet; und zwar weg von der Religion und säkuler.

Was aber passiert genau, wenn sich die Jugendlichen sehr wohl draußen herumtreiben ? Läuft das Kommittee etwa Streife und sammelt alle "Gesetzesbrecher" ein ? Und wie soll überhaupt ein böses Subjekt von außerhalb erkannt werden ? Was genau sind die Kriterien ?

Hoffentlich beschuldigt man nicht noch mich, ein solches "Subjekt" zu sein. Allerdings kann ich dem "Kommittee zur Reinheit" versichern, nur eine negative Gefahr für mich selber darzustellen und keineswegs für andere.

Ich frage mich nur, was eigentlich mit dem Vertrauen in die eigenen Leute ist ? Ab einem gewissen Alter sollte doch jeder Mensch Verantwortung für sich selber ergreifen. Wieso herrscht keinerlei Vertrauen in die eigene Yeshiva - Jugend ?

Dienstag, 18. März 2008

Der merkwürdige Fall des Sehers (Chozeh) von Lublin

B"H

Es gab und wird immer Leute geben, die an historischen Ereignissen und Personen interessiert sind oder auch nicht.
Eine bemerkenswerte Persönlichkeit in der Geschichte sowie der Entwicklung des Chassidismus (Chassidut) stellte Rabbi Yaakov Yitzchak HaLevi Horowitz, der Seher von Lublin (HaChozeh MiLublin), dar. Kaum ein anderer Rabbiner prägte den Chassidismus so mit wie er und wurde von seiner Anhängerschaft so verehrt.

Das größte Aufsehen jedoch erregte sein seltsamer Tod und die Ursachen und Gründe geben bis heute viel Stoff für Spekulationen her. Es darf spekuliert werden, doch eine wahrheitsgetreue Antwort gibt es nicht. Auf meine Anfrage an einen Belzer Chassid antwortete mir dieser, dass niemand genau sagen kann, was passiert ist und warum. Die Leute, die damals im Jahre 1814 wirklich dabei gewesen waren, hüllten sich in Schweigen.

Geboren wurde Yaakov Yitzchak HaLevi Horowitz im Jahre 1745 in Lukov bei Tarnograd in Polen. Sein Vater war Rabbi Avraham Eliezer HaLevi, der außerhalb Lublins die Gemeinde Yosefov betreute. Die Mutter war Sprinza – Meitel, die Tochter des litvishen Rabbiners Yaakov Koppel. Wie viele Rabbis der damaligen Zeit verweigerte Rabbi Koppel beharrlich, sich der chassidischen Bewegung anzuschliessen. Seinerzeit bekam er sogar hohen Besuch vom Baal Shem Tov persönlich, doch Rabbi Koppel weigerte sich ebenso, den chassidischen Meister zu empfangen.

Frühzeitig fanden ihm sein Vater und Großvater eine passende Braut, aber Rabbi Yaakov Yitzchak fand sie alles andere als besonders passend und weigerte sich, die Dame zu heiraten. Aus Zwang heraus tat er es schließlich doch, nur um schnell zu verschwinden und den Maggid aus Mezritch (Rabbi Dov Baer Friedman, Nachfolger des Baal Shem Tov) um Rat zu fragen. Wenig später erreichte die frischgebackene Braut der Scheidungsantrag (Get). Er begründete die Scheidung damit, dass er keinerlei "Kedusha – Heiligkeit" aus den Augen der Braut herauslesen konnte. Die zweite Frau des Sehers von Lubin wurde Tehila Sprinza und gemeinsam hatten sie sechs Kinder. Vier Söhne (Israel, Yosef, Avraham und Zvi Hirsch) sowie zwei Töchter.

Rabbi Yaakov Yitzchak lebte in Armut, denn er weigerte sich, eine rabbinische Position anzunehmen. Stattdessen lernte er unter Rabbi Moshe Zvi Hirsch Meisels von Zulkov. Später lernte er unter Rabbi Shmuel aus Nikolsburg und danach traf er auf den Maggid aus Mezritch (1704 – 1772) bei dem er so berühmte chassidische Rabbiner wie Rabbi Levi Yitzchak aus Berditchev (1740 – 1810) und Rabbi Israel Hofstein (den Maggid aus Koznitz, 1733 - 1815) kennen lernte. Der Maggid aus Mezritch sagte über Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz, dass es solch außergewöhnliche Seele seit der Zeit der Propheten nicht mehr gab.

Nach den Lehrjahren beim Mezritcher Maggid wandte er sich dem ebenso berühmten Rabbiner, Rabbi Elimelech Weissblum aus Lejansk (1717 – 1786), zu. Rabbi Elimelech wurde soetwas wie eine Vaterfigur für den jungen vielversprechenden Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz. Bald sahen chassidische Größen wie Rabbi Zvi Naftali aus Ropschitz (1760 - 1827, Rabbi Elimelech aus Lejansk sowie Rabbi Levi Yitzchak aus Berditchev in ihm die chassidische Führerfigur der damaligen Generation.

Aber nicht alles war Friede, Freude, Eierkuchen, denn ausgerechnet mit seinem grossen Lehrer, Rabbi Elimelech von Lejansk, gab es Unstimmigkeiten. Rabbi Yaakov Yitzchak eröffnete sein eigenes Lernzentrum In der Stadt Lanzhut, nur wenige Kilometer entfernt von Lejansk. Rabbi Elimelech sah eine Art Konkurrenz am Horizont aufsteigen. Alsbald sandte er seinen Sohn Elazar zu Rabbi Yaakov Yitzchak, um letzteren zu bitten, den Konkurrenzbetrieb einzustellen. Rabbi Yaakov Yitzchak gab nach und zog nach Rozbadov.

Einige Zeit später zog Rabbi Yaakov Yitzchak zurück nach Lanzhut (Polen) und Rabbi Elimelech war abermals verärgert. Nun geschah noch Schlimmeres, denn einige wichtige Schüler Rabbi Elimelechs, wie Rabbi David aus Lelov, liefen zur Yeshiva (relig. Schule) des Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz über. Jetzt erschien Rabbi Elimelech persönlich vor dem Seher und beschuldigte ihn, seine Schüler zu "kidnappen". Somit gab es ein länger andauerndes Hin und Her zu dem es mehrere Berichte gibt. Einer davon lautet, dass Rabbi Elimelech aufgrund seines Alters als chassidischer "Führer der Generation" zurücktrat und an seiner Stelle den Seher von Lublin, Rabbi Yaakov Yitzchak, ernannte.

Den Titel "Seher – Chozeh" erhielt Rabbi Yaakov Yitzchak, weil er in der Lage war, die Zukunft vorauszusagen. Weiterhin konnte er beim blossen Anblick einer Stirn die Herkunft und das Schicksal der Seele (Neshama) herauslesen. Aber nicht nur die Mystik war ausschlaggebend. Rabbi Yaakov Yitzchak war ebenso eine Größe auf dem Gebiet der Halachot (jüd. Gesetz).
Des Weiteren erhielt den Beinamen "Seher" da er noch vor seinem Tod prophezeihte, dass in einem Zeitraum von 100 Jahren die Russen ihre Herrschaft über Polen verlieren werden. Und so geschah es; im Jahre 1915 besetzten die Österreicher Lublin und die einstige Prophezeihung des Seher erschien sogar in der Zeitung.

Unter seinen Anhängern waren so berühmte Rabbis wie der Maggid aus Koznitz, Rabbi Menachem Mendel aus Rimanov, der Rebbe aus Apta, Rabbi Moshe Leib aus Sassov, Rabbi Naftali von Ropschitz, der Yismach Moshe (ein Vorfahre des späteren Satmarer Rebben Yoel Teitelbaum), Rabbi Yitzchak Eisik aus Kalov und Rabbi Chaim aus Czernowitz. Zwar hatte der Seher den bekannten Rabbi Nachman aus Breslov nicht persönlich, dennoch bewunderte er ihn sehr.

Sein gesamtes Leben über erwartete Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz die Ge'ulah, das Kommen des Meschiach. Zur damaligen Zeit, als Napoleon seine Kriege führte, sahen nicht wenige chassidische Rabbiner eben jene Kriege als Gog und Magog. In den Propheten wird uns mitgeteilt, dass der Krieg zwischen Gog und Magog dem Eintreffen des Meschiach vorausgeht. Wobei e shier verschiedene Kommentare darüber gibt, um wechen Krieg es sich handelt. Der letzte Lubawitscher Rebbe, Rabbi Menachem Mendel Schneerson, zum Beispiel, war der Ansicht, dass der Zweite Weltkrieg schon Gog und Magog verkörperte und somit der Weg für Meschiach frei sei.

In der Nacht von Simchat Thora (Ende des Laubhüttenfestes Sukkot / Sept. oder Oktober) des Jahre 1814, kam Rabbi Yaakov Yitzchak aus der Synagoge und zog sich zurück auf sein Schlafzimmer, welches sich im ersten Stock seines Hauses befand. Im Schlafzimmer befand sich nur ein schmales Fenster und im Untergeschoß lag die Beit Midrasch (Bibliothek).
Gegen Mitternacht fanden die Chassidim den Körper des Rabbis unten im Hof liegen. Wie er dahin kam, ob er gestürzt oder gesprungen war, ist bis heute unklar. Bis zu seinem Tode am Tischa Be' Av des Jahres 1815 (ungefähr im August) verliess er nicht mehr sein Bett.

Tatsachen, die gegen einen Selbstmord sprechen:
Der Rabbi hätte zu dem über seinen Schultern gelegenen Fenster hinaufklettern müssen. Die Weingläser auf dem Fenstersims waren jedoch unberührt und wurden nicht beiseite geschoben.

Da einfach keine logische Erklärung für den Fall zu finden war, sahen ihn die Chassidim als ein mystisches Zeichen an. Der behandelnde Arzt Doktor Bernhard fragte Rabbi Yaakov Yitzchak, was denn geschehen sei und lezterer antwortete, dass die "Sitra Achra" ihn überkommen habe. "Sitra Achra" bedeutet, dass jemand seinen negativen Gedanken folgt, anstatt sich an G – tt zu wenden. In anderen Worten, der Mensch ist anfällig für Vergehen.

War es ein Fall oder ein Selbstmordversuch ?
Wenn Selbstmord, dann warum ?

Jahrelang hatte Rabbi Yaakov Yitzchak den Meschiach sehnlichst erwartet und hatte dessen Ankunft sogar für das Jahr 1814 / 1815 vorhergesagt. Als dieser aber auf sich warten liess, verfiel der Rabbi in schwere Depressionen.

Kritiker des Rabbis, besonders die litvischen Juden, sehen in dem Fall genauso einen spirituellen Fall. Der Zaddik (Gerechter) Yaakov Yitzchak Horowitz fiel von seinem hohen Level. Manche Litvische gingen sogar soweit zu behaupten, der Rabbi sei betrunken gewesen und deshalb aus dem Fenster gefallen.

Eine chassidische Weisheit gilt jedoch bis heute:

Als der Rabbi verunglückte, verkündeten die Litvischen sarkastisch, dass sie sich am Tage seines Todes freudig betrinken werden. Die Strafe G – ttes an die Litvischen kam postwended; Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz verstarb am Tischa Be' Av. Der Tischa Be'Av ist in 25 – stündiger Fastentag, der an beide Tempelzerstörungen erinnert. Der Rabbi starb an einem Fastentag und so hatte G – tt die Litvischen um ihr Gelage gebracht.

____________________________________

Folgende Buchautoren waren mir eine große Hilfe bei den Recherchen:

Yitzchak Alfassi, Rabbi Zvi Meir HaCohen Rabinovitch, David Assaf sowie Rachel Elior


Mit Absicht bin ich in diesem Artikel nicht auf die Lehren des Rabbi Yaakov Yitzchak eingegangen, denn dies werde ich in einem gesonderten Artikel tun, der sich ebenso mit der Abspaltung von Lublin, dem Peschis'cha – Movement befassen wird. Kurz darauf folgt dann ein langer Artikel über das Hause Kotzk und dessen Rabbi Menachem Mendel von Kotzk, sowie die daraus entstandene chassidische Gruppe Gur.

Bekannte chassidische Gruppen, die in den Lehren des Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz ihren Ursprung haben:

Apta, Ropschitz, Lelov, Belz, Satmar und weitere.

Sonntag, 16. März 2008

Chassidischer Tisch Guide Teil 3 - Chassidut Slonim

B"H

Bevor jemand zu fragen beginnt:
In diesem Artikel geht es nur um die Slonim in Jerusalem und (noch nicht) um jene in Bnei Brak bei Tel Aviv.

Als ich vor knapp einem Jahr beschloß, an nur allen möglichen chassidischen Tischen teilzunehmen, erzählte mir ein Freund von den Slonim. Ich solle doch unbedingt einmal bei ihnen vorbeischauen. Ich gebe zu, dass ich bis zu dem Zeitpunkt nie etwas von den Slonim gehört hatte und wurde neugierig. So fragte ich herum und ein haredischer (ultra - orthod.) Bekannter erklärte mir den Weg zum "Wohl Center".

Die Slonim sind eine recht große chassidische Gruppe in Mea Shearim. Sie sind bekannt für Sauberkeit und bei ihnen muß alles glänzen. Andere Einwohner Mea Shearims reissen sogar Witze über sie. Wenn jemand zu sauber ist, heißt es gleich sarkastisch: "Du bist wohl einer von den Slonim ?"

Details zur Geschichte der Chassidut Slonim:
http://zachor.michlalah.edu/english/khila/khila-5.asp

Dennoch reden andere Chassidim natürlich vorwiegend über den Streit der Slonim in Jerusalem mit ihrem Gegenpart in Bnei Brak. Beide Gruppen befinden sich in einer Art Kriegszustand miteinander.Zwei verschiedene Rebben und zwei fast unterschiedliche Gruppenkonzepte. Anscheinend sind die Slonim in Jerusalem moderater als jene in Bnei Brak und daher werden die Jerusalemer "weiße" und die in Bnei Brak ansässigen "schwarze Slonim" genannt.

Die Slonim haben eine direkte Linie zum Baal Shem Tov. Insbesondere auch durch Rabbi Aharon den Großen; dem Gründer der Chassidut Karlin. Bisher habe ich mich leider mit den Slonim noch nicht ausführlich beschäftigt, kenne jedoch ihre Thorakommentare einigermassen. Der derzeitige Slonimer Rebbe (Jerusalem), Rabbi Shmuel Brozovsky, verfasste einen großartigen Thorakommentar mit dem Titel "Darchei Noam". Ein Kommentar, den ich regelmäßig in meiner Thora Parasha (Parashat HaShavua) auf "Hamantaschen" verwende.

Wir alle haben unsere Vorlieben im Leben; es gibt Dinge, die wir mögen und anderes, was weniger unsere Zustimmung findet. Zu manchen Dingen finden wir sofort Zugang bzw. eine Verbindung, und manchmal geschieht das genaue Gegenteil. Und so erging es mir mir den Slonim. Ich habe keine Ahnung warum, aber ich finde zu den Slonim einfach keine Verbindung. In erster Linie nicht zu ihren Niggunim (Melodien) beim Tisch. Nur wenige Lieder mag ich. Ein Chassid (keiner von den Slonim) sagte mir, dass die Lieder irgendwie "schwer" seien. Langsam und auf eine gewisse Weise traurig. Leider fehlen mir die Worte, dies besser zu beschreiben.
All das bedeutet keineswegs, dass ich die Gruppe nicht mag, aber irgendwie tue ich mich schwer mit den Slonim.

Zuerst sagte ich mir, dass ich halt öfters vorbeigehen sollte, damit ich die Leute kennen lerne. Ein guter Gedanke, aber nur ist es so, dass die Frauen der Slonim kaum am chassidischen Tisch teilnehmen. Soweit habe ich kaum eine der Frauen gesehen, geschweige denn mit einer von ihnen gesprochen. Ich bin mir sicher, dass die Slonim tolle Leute sind, aber ich finde einfach keine Verbindung zu ihnen. Nicht zu ihren Lieder, aber doch zu den Lehren ihres Rebben.

Der Rebbe der Slonim in Jerusalem: Rabbi Shmuel Brozovsky



Der chassidische Tisch der Slonim beginnt fast immer gegen 22.00 Uhr (Erev Schabbat) und dauert ca. zwei Stunden.

Rebbe Shmuel Brozovsky verzehrt keine Mahlzeit, sondern legt hohen Wert auf das Singen von Niggunim.

Wie ich schon sagte, es sind kaum Slonim Frauen bei Tisch zu sehen und anwesende weibliche Besucher sind überwiegend junge haredische Mädels von außerhalb. Allem Anschein nach sind die Slonim den Nationalreligiösen sowie den säkuleren israelischen Tischbesuchern gänzlich unbekannt.

Der Gebäudekomplex der Slonim ist recht groß und besteht generell aus der Synagoge und einem weiteren Gebäude, in dem die Tische des Rebben stattfinden. Der gesamte Komplex trägt den Namen "Wohl Center".

Der Männereingang in das "Tischgebäude" ist relativ einfach zu finden; die Ezrat Nashim, der Fraueneingang, hingegen ist leicht zu übersehen. Insgesamt ist es von Vorteil, auf eine weibliche Person zu warten, die einem den Eingang zeigen kann. Nur nicht auf eigene Faust lossuchen, wie meine Freundin und ich es bei unserem ersten Besuch bei den Slonim taten. Wir stürmten in das Gebäude und wurden kurz darauf von drei männlichen Chassidim erspäht, die sich sofort in Richtung Wand umdrehten. Manche Chassidim nehmen es halt ernst, keine fremden Frauen anzuschauen. Ich kann nur hoffen, dass wir nicht zu häßlich waren.

Als ich die Drei aber dennoch nach dem richtigen Eingang befragte, gab man uns per Handzeichen die Richtung an.
An alle Leserinnen: Hütet Euch davor, jemals einen männlichen Slonimer Chassid anzusprechen !!!

Die Tür zur Frauenempore befindet sich links neben dem Männereingang. Sie ist nur von außen zu erreichen.

Wer die Tür findet, der kann die Treppen bis zum letzten Stockwerk hinaufsteigen.

Die Mechitzah (Trennwand zu den Männern) besteht aus Holz und wer einen guten Stehplatz findet, kann alles mühelos überblicken.

Gewöhnlich ist der Tisch mit mehreren Hundert Chassidim überfüllt und männliche Besucher haben es nicht einfach, einen Stehplatz zu finden.

Auch scheint es im Erdgeschoß bei den Männern an der Tür einen Aufpasser zu geben. Immer steht ein Chassid parat und durchleuchtet jeden Besucher mit seinen Blicken. Einmal erlebten wir es, dass ein paar Litvische hereinkamen und schon warnte der "Aufpasser" sie, hier keinen Ärger zu machen. Kann sein, dass die Slonim diesbezügliche schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wer weiß ?

Allerdings haben sie einen wunderbaren Brauch bei ihrem Tisch:
Die Chassidim stellen sich nacheinander auf und verbeugen sich vor dem Rebben. Eine tolle persönliche Art, "Gut Schabbes" zu sagen.

Der Slonim - Tisch ist perfekt für all jene, die keine wilden Shows suchen, sondern etwas Ruhiges. Kein großes Getanze oder Herumgehopse. Eher geht es behäbig zu.

Location: Gleich hinter dem Mea Shearim Markt, hinter dem Mosdot Toldot Avraham Yitzchak.

Dienstag, 11. März 2008

Chassidischer Tisch Guide Teil 2 - Chassidut Dushinsky

B"H

Wer die chassidische Gruppe Dushinsky weniger oder gar nicht kennt, steht nicht allein. Die Mehrheit der Israelis hat noch niemals von Dushinsky gehört.

In der chassidischen Welt dagegen ist der Name "Dushinsky" bekannt. Vielleicht weniger bei so manchem Chassid, welcher einer Gruppe der Agudat Israel (Vishnitz, Belz oder Gur) angehört. Dafür umso mehr bei anderen Chassidim. Besonders natürlich jenen Gruppen, die der anti - zionistischen Dachorganisation "Edah HaCharedit" angehören.
Beispiel: Satmar, Toldot Aharon, Avraham Yitzchak oder Spinka. Und selbstverständlich spielen auch die Chassidim von Dushinsky eine wichtige Rolle in der Edah. Wichtigster Dushinsky - Vertreter bei der Edah HaCharedit ist derzeit Rabbi Avraham Yitzchak Ullmann (Mitglied im Beit Din Zedek der Edah).

Sitzend in der Mitte mit weissem Schal: Rabbi Avraham Yitzchak Ullmann



Die Dushinsky - Gruppe ist relativ neu und ist mit die einzige chassidische Gruppe überhaupt, welche nach einem Familiennamen benannt worden ist und nicht nach dem Herkunftsort (Shtetl). Des Weiteren verfügt Dushinsky, wie unter anderem auch die Toldot Aharon Chassidim, über keine direkte Baal Shem Tov - Linie. Heißt, dass die Vorfahren nie direkt mit einem Schüler des Baal Shem Tov oder einem Schüler des Schüler des Baal Shem Tov lernten.

Die Gruppe wurde erst vor ca. 70 Jahren von Rabbi Yosef Zvi Dushinsky gegründet. Sie ist extrem anti - zionistisch und der Gründer sprach im Jahre 1948 höchstpersönlich bei der UNO vor, um diese von der Zustimmung der Gründung eines Staates Israel abzubringen.

Details zum Anti - Zionismus:

Auf Deutsch:
http://chassidicstories.blogspot.com/2008/01/der-talmudisch-begrndete-antizionismus.html

Auf Englisch: http://shearim.blogspot.com/2007/12/talmudic-reason-for-anti-zionism.html


http://www.jewsagainstzionism.com/rabbi_quotes/dushinsky.cfm

Anti - zionistisch oder nicht, der chassidische Tisch bei Dushinsky ist begehrt. Vor allem von anderen chassidischen Gruppen der Edah. Da Dushinksky im allgemeinen weniger bekannt ist, verirren sich nicht allzu viele Fremde wie Nationalrelig. oder litvische Juden zum Tisch. Man sieht sie schon, aber die Anzahl hält sich in Maßen.

Während der Wintermonate beginnt der chassidische Tisch mit dem Rebben Yosef Zvi Dushinsky (nicht der, der zur UNO fuhr) gegen 22.00 Uhr. In den Sommermonaten hingegen um 23.00 Uhr (am Erev Schabbat).

Der Tisch ist verhältnismässig klein, aber gut besucht. Mindestens 200 Chassidim dürften schon anwesend sein. Falls nicht mehr. Die Atmosphäre ist ein wesentlich familiärer als, zum Beispiel, bei der riesigen Gruppe Belz. Bei Dushinsky ist alles übersichtlich gehalten und ein persönlicher Rebbe - Kontakt ist möglich.

Rebbe Yosef Zvi Dushinsky ißt keine Mahlzeit, sondern hält eine Derascha (relig. Rede zum Schabbat) oder stimmt Lieder (Niggunim) an.

Der derzeitige Rebbe, Rabbi Yosef Zvi Dushinsky.



Nicht selten kommt es vor, dass ein hoher Rabbi der Edah HaCharedit präsent ist und ebenso eine Derascha gibt.

Der Dushinsky - Komplex schaut von außen etwas vernachlässigt aus. Die gleich anschließende neue Synagoge macht jedoch den Eindruck etwas wett. Solange man sich aber im alten Gebäude befindet, bleibt der alte Eindruck bestehen. Zwar ist alles im alten Bereich wirklich alt, aber sauber.

Der Tisch dauert ca. zwei Stunden.
Am Ende des Tisches tanzt der Rebbe dreimal mit einigen seiner Chassidim um den langen Tisch und verabschiedete dann alle männlichen Besucher persönlich. Ein Brauch, der mir sehr gut gefällt und allem einen wirklich persönlichen Touch gibt. Bei Dushinsky gibt es keine Massenabfertigung.

Männer und Frauen haben separate Eingänge, wobei der Fraueneingang recht schwer zu finden ist. Es befinden sich zwar Schilder mit Pfeilen am Gebäude, doch ist nicht immer ganz klar, wo die Pfeile hinzeigen. Und mit dem Nachfragen ist es oft schlecht bestellt, denn man darf die Dushinsky - Männer nicht ansprechen. Können schon, nur bekommt man als Frau kaum eine Antwort.

Der Eingang für die Frauen befindet sich auf der Rückseite des alten Gebäudekomplexes. Man wende sich nach rechts, am Zaunende links gibt es einen Hofeingang. Einfach geradeaus durchgehen, dann wieder links geradeaus bis zur Eingangstür. Das Treppenhaus bis zum letzten Stockwerk erklimmen.

Die Dushinsky - Frauen nehmen sehr wohl am Tisch des Rebben teil, nur sind die Stehplätze hinter der Mechitzah (Trennwand) äußerst rar. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Die Mechitzah ist gut durchschaubar und wer einen guten Platz findet, der kann alles überblicken.

Die Dushinsky - Frauen sind anfangs sehr reserviert, doch wer regelmässig kommt, kann Kontakte knüpfen. Allerdings muß man sich diesbezüglich schon anstrengen. Wer dagegen Fragen stellt, bekommt sofort eine Antwort.

Auf alle Fälle sollte man als Frau nicht verpassen, sich die neue Synagoge anzuschauen. Ich sage hier "als Frau", denn von der Frauenempore beim Tisch hat man gegenüber der Tischmechitzah die beste Aussicht auf die neue Synagoge im Erdgeschoß. Die Tischempore dient zugleich auch als Frauenempore für die Synagogengebete.

Auf mich macht Rebbe Yosef Zvi Dushinsky den Eindruck, dass ihm ein persönliches Verhältnis zu seinen Chassidim wichtig ist. Er ist eine Respektperson, was man ihm ansieht.

Man mag mit den Dushinsky - Konzepten übereinstimmen oder nicht; ein Tischbesuch ist jedoch höchst empfehlenswert.
Egal, ob Männlein oder Weiblein.

Location: Shmuel HaNavi Street in Jerusalem

Sonntag, 9. März 2008

Chassidischer Tisch – Guide, Teil 1, – BELZ

B"H

Nach all dem, was ich bisher erlebt bzw. in Erfahrung gebracht habe, ist es vielleicht an der Zeit, einige Infos an interessierte Juden weiterzugeben oder besser gesagt, die vielen Details besser zu ordnen.

Es versteht sich von selbst, dass dieser Guide nur einen recht eingeschränkten Blick auf die chassidischen Tische wiedergibt. Ein wichtiger Grund dafür ist u.a., dass ich weiblichen Geschlechts bin und somit nicht immer Zugang zu allen Tischen habe. Viele finden privat statt und sind nur für Männer zugänglich. So, zum Beispiel, der private Tisch des Rabbi Avraham Yitzchak Ullmann der Chassidut Dushinsky und zugleich ein hohes Mitglied der anti – zionistischen Dachorganisation Edah HaCharedit.
Aber was soll ich machen ?
Die Realität schaut manchmal etwas frauenfeindlich aus und ich muß halt nehmen, was mit zugänglich ist.

Viele Leser meines englischen Blogs fragten per e – mail nach Tischen in Jerusalem an. Religiöse jüdische Touristen lieben es, zum Tisch der Belzer Chassidim zu gehen. Belz ist die unantastbare Nummer 1, wenn es um Tische für jüdische Touristen geht. Dies geschieht keineswegs aufgrund meiner Artikel, sondern vielmehr sind die Belzer eh berühmt genug. Die Leser befragen mich nach dem Weg zur Belzer Beit Midrash.

Religiöse jüdische Reisende, die einen Synagogenbesuch in Jerusalem anstreben, fragen mich mehrheitlich nach einer bestimmten chassidischen Gruppe:
Nach Karlin – Stolin.

Die Karliner Chassidim sind weltberühmt für ihre euphorischen Gebete mit beispielhafter Kavanah (Konzentration). Sie schreien geradezu ihre Gebete heraus. Ehrlich gesagt wünsche ich mir, dies auch so beherrschen. Ich kann die Synagoge der Karlin – Stolin in Mea Shearim nur wärmstens weiterempfehlen.

Manchem mag es nicht bewußt sein, aber chassidische Tische sowohl als auch Synagogenbesuche sind nur für Juden !!! Wer sich als Nichtjude hineinwagt, kann schnell unbarmherzig hinausgeworfen werden.

Soweit machte ich fast nur gute Erfahrungen bei meinen Tisch – bzw. Synagogenbesuchen. Es kommt immer darauf an, was der Besucher individuell erwartet. Manche mögen es ruhiger und ein anderer sucht einen Tisch mit viel Action. Einer bevorzugt einen großen Tisch und andere wiederum eine eher familiäre Atmosphäre.

Ich werde die bekanntesten Jerusalemer Tische beschreiben und einige Details zum Thema geben.

Der erste Artikel umfasst den Tisch der Chassidut Belz
___________________


Der chassidische Tisch der Belzer Chassidim

Während der Wintermonate beginnt der Tisch der Belzer um 21.00 Uhr, in den Sommermonaten um 23.00 Uhr. Fast jeden Erev Shabbat ist Tisch.

Mehrere Hundert Chassidim nehmen an dem Tisch des Rebben Yissachar Dov Rokeach teil.

Der Rebbe ißt und seine Chassidim singen überwiegend.
Belz hat mit Abstand die besten Niggunim (Melodien) überhaupt.

Die Atmosphäre ist einzigartig, aber beachtet, dass der Tisch jedesmal vollkommen überfüllt ist. Nix mit Familienplausch.

Die Belzer sind organisiert. Also benehmt Euch gut und stellt das Gebäude nicht auf den Kopf.

Der Tisch selbst dauert kaum länger als zwei Stunden.

Es gibt separate Eingänge für Männer und Frauen.

Die Mechitzah ist okay und die Frauen sind in der Lage, alles gut zu überblicken.

Das Untergeschoß, in dem der Tisch stattfindet, sowie die Synagoge nebenan sind extrem sauber zu gehalten. Alles ist blitzblank geputzt.

Die Chassidim sind freundlich und offen und wer eine Frage hat, kann als Frau unter Umständen auch die Männer ansprechen. Dies allerdings sollte vorwiegend nur bei jüngeren Männern geschehen und nicht bei jenen über 50.
Wer diesbezüglich kein Gefühlt hat, wen er ansprechen darf oder nicht, der sollte sich nur an die Frauen halten, um keine negative Überraschungen zu erleben.

Der gesamte Tisch ist perfekt organisiert und gewöhnlich läuft absolut nichts schief.

Das Essen, welches gereicht wird ist nur für jene Chassidim bestimmt, deren Namen laut verlesen wurden.
Jemand von Belz berichtete mir, dass es sich hierbei um jene Chassidim handelt, wie innerhalb der Woche den Rebben aufgesuchen und ihn um einen Beracha (Segen) baten.

Da es sich bei den Belzer um eine grosse chassidische Gruppe handelt, ist es fast unmöglich, mit dem Rebben persönlich in Kontakt zu kommen.

Location: Kiryat Belz neben Kiryat Mattersdorf in Jerusalem.

Besuch empfehlenswert !!!


Die Belz Synagoge in Jerusalem


Tisch bei Belz

Donnerstag, 6. März 2008

Switch

B"H

Jeden Donnerstag wieder muß ich meine innere Uhr umstellen; meine eigene Denkweise und Philosophie hinten anstellen, um nicht einer anderen Philosophie in die Quere zu kommen.

Diese Sätze mögen verwirrend klingen, doch stellen sie nur meinen inneren Gedankenswitch dar.
Jeden Donnerstag am Spätnachmittag unterrichte ich eine nationalreligiöse Kindergruppe. Kinder zweier Familien, die im gleichen Haus wohnen. Und schon allein der Gang dorthin bedeutet einen Switch. Lebte ich zwar noch vor Jahren selbst im nationalrelig. Stadtteil Kiryat Moshe, so ist er mir heute gänzlich fremd geworden.

Kiryat Moshe, der nationalrelig. Stadtteil Jerusalems;
hier hängen die "Free Jonathan Pollard - Plakate aus den Fenstern, Gush Katif wird zurückgefordert und Olmert zum Rücktritt aufgefordert.

Nationalrelig. bedeutet aber nicht immer gleich "Siedlertyp". Kiryat Moshe ist ein kleiner ruhiger Stadtteil inmitten des Jerusalemer Chaos. Hier kennen sich viele Bewohner und es ist fast schwer, in der Anonymität zu verschwinden. Kiryat Mo, wie ein Freund von mir den Stadtteil nennt, grenzt einerseits an das haredische (ultra - orthod.) Givat Shaul, andererseits an das Säkulerterritorium von Beit HaKerem und zu guter Letzt an die ewig lange Kanfei Nescharim Street, die zwar offiziell zu Givat Shaul gehört, jedoch eher die "weltliche" Seite des Haredistadtteils wiedergibt. Büros, Fabriken und Restaurants.

Das Bequeme daran ist, das man in Kiryat Moshe alles zuammen hat. "Religion light", wie viele Haredim (Ultra - Orthod.) die Nationalreligiösen zu nennen pflegen, dann die Ultras selber genauso wie die Säkuleren auf der anderen Seite.

Kiryat Moshe ist kein Stadtteil, in dem die grosse Action stattfindet. Außer vielleicht ab und an einige rechte Demos gegen die Regierung. Eher sieht man Wohnhäuser wovon die meisten von kleinen gepflegten Gärtchen umgeben. Hier lebt es sich ruhig und ohne den Welttrubel. Die Mieten sind zwar hoch, aber was tut man nicht alles für Nachbarn, die die gleichen relig. Ideale vertreten wie man selbst ?

Mittendrin oder besser gesagt, fast schon im haredischen Givat Shaul, leben die zwei Familien, deren Kinder ich unterrichte. Allesamt streng nationalrelig. und zionistisch.
Einer der Väter, ein sephardischer Jude, diskutiert gerne mit mir chassidische Themen. Er selbst sieht sich als eine Art Chassid. Zumindest irgendwie so angehaucht. Seine Frau hingegen ist typisch nationalrelig., aschkenazisch und in den Staaten geboren. Sie hat keine Ahnung vom Chassidismus und ist eher der Karrieretyp. Und sobald er und ich diskutieren, steht sie daneben und läßt ihre weltlichen Gedanken walten.

Der sephardische Vater liebt zu jammern, dass seine Kinder fast nichts Chassidisches an sich haben. Wie auch, beklagt er, sie gehen ja auf diese NOAM - Schule, die ihnen diesbezüglich nichts beibringt.

Noam - Schulen sind die anerkannten Schulen des nationalrelig. Movements und insgeheim werden dessen Schüler von vielen Haredim als arrogant bezeichnet. Noam - Schüler sind nicht einfach zu handhaben und ich bedauere alle Lehrer, die dort arbeiten. Um nicht alle über einen Kamm zu scheren, es gibt sicher auch Gegenteiliges; meine bisherige Erfahrung aber zeigt, dass Noam - Schüler rotzfrech sind. Und wenn eine rechte Demo ansteht, werden sie penetrant.

Ich habe jahrelang in dieser Mentalität gelebt und weiß meinen Switch von haredischen auf nationalrelig. Philosophien zu bewältigen. Allerdings bin ich für meine Noam - Schüler eine Attraktion, an die sie sich aber nach den Jahren, welche ich sie unterrichte, gewöhnt haben. Ihnen sind meine haredischen Einstellungen bekannt. Bekannt, aber trotzdem fremd. Und so reissen wir regelmässig gegenseitige Witzchen.

Noam - Schüler haben vom haredischen Leben Null Ahnung, wobei ich mir sicher bin, dass es mit ihrem haredischen Gegenpart nicht besser bestellt ist. Wenn ich meine Schüler ärgern will, dann brauche ich nur zionistische Themen anzusprechen und schon gehen sie hoch. Neulich geschah dies erst wieder als ich andeutete, demnächst einmal die Neturei Karta Synagoge in Mea Shearim aufzusuchen. Zu der einzigen weiblichen Schülerin in der Gruppe sagte ich, dass ich sie gerne mitnehmen könne. Sie war außer sich, hatte sie doch bei den letzten Knessetwahlen Wahlpropaganda für die zionistische nationalrelig. Partei MAVDAL betrieben.

Zionismus hin oder her, Chassidismus hin oder her, der Vater eines Teils der Gruppe, will dass sein Noam - Clan nun endlich einmal Spiritualität und Chassidismus lernt. Und so wurden jetzt CD's mit chassidischen Liedern gekauft, die oft im Haushalt gedudelt werden. Die Mutter läßt selbst die wildeste Musik kalt und sie steht realistisch und karrierebeflissen in der Küche. Die Kinder finden das alles nur öde. Einzig und allein die zwei Allerkleinsten springen darauf an und drehen sich tanzend im Kreis.

Der Vater hat noch andere tiefere Massnahmen getroffen.
Ganz neu sind die Video CD's, die nun auf dem hauseigenen PC laufen. Chassidische Geschichten und sämtliche Stories früherer chassidischer Rebben pur. Und wenn das auch nicht helfen sollte, dreht der Vater gewiss durch. Es soll gefälligst chassidische Spiritualiät her und keine Noam - Arroganz.

Dienstag, 4. März 2008

Was macht einen Zaddik (Gerechten) aus ?

B"H

Nicht nur, dass ich mich einfach nicht entscheiden kann, einer chassidischen Gruppe beizutreten oder nicht; aber selbst wenn, welche Gruppe würde dann bei mir ganz oben auf der Liste stehen ?

Wie ich einige Male zuvor erwähnte, bin ich keine Person, die mit einer einzigen Gruppierung mitläuft, denn ich behalte immer meine eigenen Ideen und Ansichten bei. Ich laufe nicht mit der Masse. Nach all den Jahren, in denen ich mit Chassidim zu tun hatte / habe, könnte ich nicht konkret bestimmen, welche chassidische Gruppe ich besonders bevorzuge und welche nicht. Und das, obwohl ich mich mit dem Chassidismus identifiziere und viele chassidische Bräuche halte und ein chassidisches Sidur (Gebetbuch) habe.

Allerdings ist es mehr als offensichtlich, dass die Chassidim bestimmter Gruppen sich durch eine spezielle Mentalität bzw. einem Verhalten voneinander unterscheiden. Ich weiß nicht genau, wie ich das einem Außenstehenden genau erklären könnte, jedoch sieht man nach einiger Zeit diverse Unterschiede. Ich nehme einfach einmal die Chassidut Belz als Beispiel und hoffe, dass sich kein Belzer beleidigt fühlt. Nichtsdestotrotz gibt Belz ein hervorragendes Beispiel her.

Andere chassidische Gruppen sagen Folgendes über die Belzer:
"Die denken doch einzig und allein nur an ihr Geld. Immer nur Geld, Geld, Geld."

Wer zum chassidischen Tisch des Belzer Rebben, Rabbi Yissachar Dov Rokeach, geht, der sieht Hunderte Chassidim, die beflissen ihrem Rebben zu dienen bereit sind. Einmal kam ich etwas zu früh zum Tisch am Freitag abend und der Rebbe war noch nicht eingetroffen. Seine Chassidim liefen auf und ab, redeten miteinander, etc. Plötzlich verkündete jemand laut, dass der Rebbe im Anmarsch sei und man sah die Chassidim nur noch rennen. Alle wollten schnell auf ihren Platz und bereitstehen. Solch Beflissenheit habe ich noch bei keiner anderen chassidischen Gruppe erlebt. Es war als käme ein Armeegeneral seine Truppe besuchen.

Am Schabbat tragen die Belzer ihre allerbeste Garderobe und vor allem die schwarzen Schuhe sind blitzblank geputzt.
Wer die Belzer nur vom Tisch kennt, der wird kaum übersehen, dass vor allem sie eine bestimmte Mentalität haben, die ich einfach nicht in der Lage bin genauer zu definieren. Man muß es schon selbst sehen. Allein ihr Gang ist schon anders. Man könnte es Eleganz nennen, andere Chassidim hingegen nennen es Arroganz.
Kennt man die Belzer jedoch etwas näher, lernt man meistens nette offene Menschen kennen, die nicht immer nur an Geld denken. Jedenfalls habe ich bisher nur positive Erfahrungen mit Belz gemacht.

Vor wenigen Wochen erzählte ich einem Chassid (NICHT Belz) von Bekannten von mir. Die nämlich schliessen sich gerade einer anderen chassidischen Gruppe an, da sie den Rebben lieben.
Der Chassid grinste und meinte ironisch: "Und was ist, wenn der Rebbe stirbt und sie seinen Nachfolger nicht mögen ? Was dann ? Wechseln sie dann wieder die Gruppe ?"

All diese Aufzählungen stellen nur einige meiner Gründe dar, warum ich mich mit keiner chassidischen Gruppe uneingeschränkt identifiziere. Einfach so ein bestimmtes Verhalten zu übernehmen, nur einen Rebben verehren und all dessen Ideen und Halachot (Psak Din – halachische Entscheidungen) zu 100%ig zu akzeptieren, ist nichts für mich.

Eines meiner größten Probleme ist es, einen chassidischen Rebben, egal welcher Gruppierung, als einen Zaddik (Gerechten) anzuerkennen. Ohne Frage stimme ich mit dem Baal Shem Tov und seinem Zaddik – Konzept zu. Dennoch ist mir Rabbi Elimelech von Lejansk in seinem Buch "Noam Elimelech" mit seiner Zaddik – Definition viel zu weit abhanden gekommen. Ich kann da kaum noch etwas nachvollziehen.

Es war Rabbi Elimelech von Lejansk (1717 – 1786), der das Zaddik – Konzept erst richtig ausbaute und der Meinung war: "Wenn der Zaddik großartige Dinge tut, kleidet sich seine Seele im Ruach HaKodesh (eine Art Prophezeihung)".

Besonders der Chozeh (Seher) von Lublin, Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz (1745 – 1815) fügte dem chassidischen Zaddik – Konzept noch viele zusätzliche Aspekte hinzu. An dieser Stelle will ich nur einige wenige nennen, denn die gesamte Liste aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen.

Laut dem Chozeh steht der Zaddik über einem gewöhnlichen Juden (Am HaAretz). Ist es doch das Gebet des Zaddiks, welches den Meschiach bringen könnte und nur der Zaddik allein erhebt unsere materielle Welt in die oberen spirituellen Welten.

Das Peshis'cha – Movement unter Rabbi Yaakov Yitzchak von Przysucha (Jiddisch: Peshis'cha) stimmte dem Konzept des Chozeh (Sehers) von Lublin alles andere als zu. Stattdessen lehrte der Rabbi von Przysucha (1765 – 1814), dass die Aufgabe eines Zaddiks (eines Rebben) darin bestehe, anderen Juden zu verhelfen, selbst ein Zaddik zu werden. Keineswegs sollte der Rebbe die alleinige Zaddikfunktion übernehmen und sich nur auf Distanz zu anderen Juden halten.

Wenn ich mir den historischen Background ansehe und die heutigen Rebben betrachte, bin ich mir nicht sicher, ob die Zaddik – Konzepte nicht etwas übertrieben klingen. So mancher mag mich in dem Punkt für einen Litvak (litvischen Juden) halten, aber ich kann hier einfach nicht von meiner Meinung abweichen.
Zuerst einmal habe ich immer das Chabad – Konzept des Zaddiks in meinem Kopf. Wenn ich hier Chabad sage, dann meine ich damit deren Gründer Rabbi Schneur Zalman von Liadi (1745 - 1812) und nicht die heutigen Meschiach – Fraktionen der Gruppe.
In seinem Buch "Tanya" definiert Rabbi Schneur Zalman den Zaddik als eine Person ohne jegliche Yetzer HaRah (die negative Seite in einem jeden von uns). Ein Konzept Rabbi Schneur Zalmans, welches ich besonders mag.

Obwohl viele verschiedene Ideen darüber bestehen, wie denn nun ein Zaddik zu sein hat, frage ich mich immer wieder, ob die Zaddikim, die Rebben der heutigen chassidischen Dynastien, wirkliche alle Zaddikim sind und ihre Yetzer HaRah überkommen haben. Ich bin manchmal recht altmodisch und wage zu behaupten, dass heutzutage die Zaddikim mehr als rar auf dieser Welt sind. Zu früheren Zeiten vor Hunderten oder einigen Tausend Jahren war mag dies noch anders gewesen sein. Kurz gesagt, in meinen Augen ist nicht jeder chassidische Rebbe automatisch gleichzusetzen mit einem Zaddik.

Um als ein Zaddik zu gelten, sollte eine Person über herausragende Eigenschaften verfügen und nicht diese Position einnehmen, weil sie ihm eben einmal so vererbt worden ist. Diejenigen, die mit den Schriften des Rabbi Yehoshua Heschel von Apta (1748 – 1825) vertraut sind, wissen, wie der Apter Rebbe einen Zaddik definiert. In seinem Buch "Ohev Israel" schreibt er, dass ein Zaddik sich diese hohe Position nicht alleine aussucht, sondern sie ihm vom Himmel gegeben wird.

Aber was ist mit all den chassidischen Rebben heute ? Haben sie wirklich ihre Position vom Himmel bekommen ? Einerseits schon, denn schließlich geschieht nichts auf der Welt ohne G – tt.

Viele der chassidischen Rebbes tun sicherlich großartige Dinge und halten die Mitzwot (Gesetze), aber sind sie deshalb automatisch Zaddikim ? Obwohl Rabbi Nachman von Breslov (1772 - 1810) sich selbst als "Zaddik HaDor – Als der Gerechte seiner Generation" proklamierte, predigte er dennoch einen weiteren Gedanken:
"Im Grunde genommen hat jeder das Zeug zum Zaddik. Er muß nur an sich arbeiten."

Für mich ist ein chassidischer Rebbe eher eine Authorität und eine Respektperson. Er kann eine herausragende Figur mit hervorragenden relig. Kenntnissen sein, was ihn jedoch für mich nicht unbedingt zu einem "Heiligen" macht. Eine Person mit großem Charisma, das ist alles. Ist das so schlimm ?

Ich sehe mich nicht einem speziellen Rebbe hinterherlaufen, der alles für mich entscheidet. Es gibt auch noch andere Meinungen und Leute bzw. Rabbis. Und der Chassid, mit dem ich sprach, sagte etwas Treffendes: "Was ist, wenn der Rebbe stirbt und Du seinen Nachfolger nicht magst ?"

Bei den chassidischen Tischen frage ich mich des öfteren schon, wo eigentlich G – tt ist. Die neben mir Stehenden sagen immer nur: "Der Rebbe, der Rebbe, der Rebbe." Übrigens geht mir dies genauso. Wir alle starren gemeinsam auf den Rebben.
Aber ist nicht G – tt wichtiger als der Rebbe ? Und wo bleibt er beim Tisch ? Chassidisch gesprochen verbindet uns der Rebbe mit G – tt. Aber andererseits können wir dies auch alleine und individuell tun, denn jeder Jude hat selbst eine jüdische Neschama (Seele).

Anscheinend ist es für solche Leute wie mich wirklich besser, sich keiner bestimmten Gruppe anzuschliessen und stattdessen ein Outsider zu bleiben. Ich könnte diesbezüglich keine definitive Entscheidung fällen, bewundere aber Leute, die dies können.

Sonntag, 2. März 2008

Die Lästerein der Männer

B"H

In der haredischen (ultra – orthodoxen) Welt herrschen viele stereotype Ansichten über die Frau in der eigenen Gesellschaft.

"Frau sei naiv, ist oft unfähig, selbständige Entscheidungen zu treffen, will sich nicht unbedingt zu höheren jüdische Studien einschreiben, denn Frau verbringt lieber die Zeit mit den Kindern, in der Küche und beim Weiberklatsch. Ganz, wie sich das gehört."

Die Frauen selbst wissen, dass dies nicht immer stimmt, doch die Männer verfallen nur allzu gerne in diese bequeme Gedankenwelt. Und heißt es nicht schon im Talmud, dass die Frauen mehr "Binah – Verstehen" haben ? Wehe dem, der (die Frauen) diesen Talmudpassuk jemals einem Mann zitiert. Dann heißt es im Gegenzug, dass sei ja alles nicht wahr und die Frau brauche halt eine starke Hand.

Natürlich lästern und klatschen die Männer unter sich. Und das sogar zur Genüge. Chassidim sind da keine Ausnahme.
Seitdem ich über die haredische Welt schreibe, musste ich mir schon so einiges anhören. Ständig werde ich von männlichen Haredim (Ultra – Orthodoxen) ausgefragt. Zumindest versuchen sie es. Wohlgemerkt, Haredim und keine Nationalreligiösen. Wobei Letztere auch nicht hinten anstehen und genügend eigenen Klatsch und Tratsch verbreiten.

Was also lästert ein Chassid ? Welche Themen liebt er ?
Es versteht sich von selbst, dass er nur die Lästerein über andere chassidische Gruppen liebt und nichts, was seine eigene Gruppe angeht. Denn die ist schliesslich die Größte. Und wehe dem, der einem Chassid mitten ins Gesicht sagt, dass es Mißstände in seiner Gruppe gibt. Wobei es hier auf die Art der Mißstände ankommt, wie man es formuliert und rüberbringt. Sobald jedoch jemand etwas zur eigenen Gruppe verlauten läßt, wird natürlich die chassidische Konkurrenz beschuldigt, Unwahrheiten in die Welt zu setzen.

Chassidim lieben es, über die Rebbitzens andere Gruppen zu hetzen. Wenn es geht, viel Delikates. Ihre eigene Rebbitzen ist selbstverständlich die größte Zadekes (Gerechte), ausgesprochen intelligent, sie kann kochen, repräsentieren, ist voll Chesed (Güte) und wer weiß, was noch alles. Die Rebbitzen einer anderen Gruppe dagegen wird in Frage gestellt. Generell gilt, dass eben diese Rebbitzen weniger intelligent ist als die eigene.
Viele männliche Chassidim kennen die anderen Rebbitzens nicht, da sie nie mit ihr persönlich zu tun haben. Und so fragen nicht wenige mich, wie es denn beim Tisch war mit der Rebbitzen und so.

"Wie ist sie ?"

"Hat sie was im Hirn ?"

Ich lache mich jedesmal wieder aufs Neue tot, wenn ich diese Fragen höre. Wie soll ich denn die Rebbitzen einschätzen, wenn ich kaum mit ihr rede ? Die meisten von ihnen sind eh immer von ihrer eigenen Frauengruppe umgeben. Klar, bei den Toldot Aharon oder den Avraham Yitzchak ist es ungewöhnlich einfach mit den Rebbitzens zu reden. Aber nicht überall ist dies der Fall. Übrigens sind gerade diese zwei Rebbitzens von unbeschreiblicher unterschiedlicher Natur.

Soweit sprach ich nur mit einer Rebbitzen und die war von den Jerusalemer Kretchnifer Chassidim. Sorry, aber ich habe sie in dem Moment nicht nach ihrem IQ gefragt.

Männliche Chassidim jedoch lassen mich kaum mit der Frage in Ruhe und ich wiederum verstehe nicht, was sie von einer Antwort hätten. Wollen sie in dem Moment nur eine gewisse Überlegenheit gegenüber einer andere Gruppe fühlen ? Anstatt ewig nach der Rebbitzen zu fragen, würde mich hingegen interessieren, wieviel Hirn der Rebbe hat. Ist er wirklich so intelligent oder nur Rebbe, weil es halt so vererbt wird ?

Männer lästern nicht weniger als Frauen, aber in diesem Falle verstehe ich ihren Lästergrund einfach nicht.